19.06.2023

Aufgepasst! Abfindungsangebot darf nicht missverständlich sein

Dauert lange, birgt großes Risiko – ein Kündigungsschutzprozess ist selten empfehlenswert. Meistens lohnt sich ein Abfindungsangebot. Im Kündigungsschreiben formuliert, können Sie als Arbeitgeber den Gang zu Gericht vermeiden. Passen Sie aber auf, dass sie es richtig formulieren!

Abfindungsangebot

Wie können Sie als Arbeitgeber ein Gerichtsverfahren vermeiden?

Zur Beantwortung dieser Frage lohnt sich ein Blick in das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dessen § 1a enthält eine Regelung zur Vermeidung von Kündigungsschutzprozessen. Danach können Sie als Arbeitgeber einem Mitarbeiter einen Anspruch auf eine Abfindung einräumen. Zur Voraussetzung für den Anspruch macht das Gesetz, dass

  • die von Ihnen geplante Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erfolgt,
  • Ihr Arbeitnehmer innerhalb einer dreiwöchigen Klagefrist keine Kündigungsschutzklage erhebt und
  • Ihr Kündigungsschreiben den Hinweis enthält, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt und
  • Ihr Mitarbeiter nach Ablauf der Klagefrist eine Abfindung beanspruchen kann.

Was Sie sonst beachten sollten, hat das Arbeitsgericht Erfurt in einem Urteil zusammengestellt (ArbG Erfurt, Urteil vom 21.10.2021, Az. 6 Ca 186/21).

Worum ging es in dem verhandelten Fall?

Um das Arbeitsverhältnis eines Maschinenbedieners. Sein Arbeitgeber hat ihm betriebsbedingt gekündigt. Im Kündigungsschreiben schreibt er: „Hiermit kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis, begründet durch den Arbeitsvertrag vom 05.03.2013, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2020, höchst hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Für den Fall, dass Sie keine Kündigungsschutzklage nach § 1a KSchG anstreben, bieten wir Ihnen eine Abfindung in Höhe von 3.000 Euro brutto an, welche sie nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2020 beanspruchen können.“

War der Arbeitnehmer damit einverstanden?

Nein, er erhob in der Folge zwar keine Kündigungsschutzklage, verlangte jedoch vom Arbeitgeber eine höhere Abfindung. Sein Rechtsvertreter schrieb an den beklagten Arbeitgeber: „Im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 bieten Sie meinem Mandanten für den Fall der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 1 a KSchG eine Abfindung in Höhe von 3.000,00 Euro brutto an. Dieser Betrag ist jedoch zu niedrig angesetzt. Gemäß § 1 a Abs. 2 KSchG sieht das Gesetz eine Höhe der Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor.

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Ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist auf ein volles Jahr aufzurunden. Somit hat mein Mandant bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage einen Abfindungsanspruch in Höhe von 9.395,20 Euro brutto. Da mein Mandant innerhalb der Frist des § 4 KSchG keine Kündigungsschutzklage erhoben hat, ist die Kündigung vom 28.10.2020 mittlerweile rechtswirksam, so dass er nunmehr Anspruch auf die Auszahlung der im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 angekündigten Abfindung gemäß § 1 a KSchG hat, und zwar nicht in der angebotenen, sondern in der geforderten Höhe.“

Zahlte der Arbeitgeber die geforderte Differenz?

Nein, den streitgegenständlichen Abfindungsbetrag nach Abzug der bereits gezahlten Abfindung in Höhe von 6.395,20 Euro bezahlte der beklagte Arbeitgeber nicht, der Arbeitnehmer klagte. Die Beklagte habe im Kündigungsschreiben explizit § 1 a KSchG erwähnt. Auch wenn das Gesetz keine Kündigungsschutzklage nach dieser Vorschrift vorsehen würde, weise dies doch aus, dass der Arbeitgeber unter Verweis hierauf bei Verzicht der Erhebung der Kündigungsschutzklage die dort entsprechende Abfindung angeboten habe.

Die gewählte Formulierung des Arbeitgebers schließe eine abweichende einzelvertragliche Abrede zwischen den Parteien aus. Eine solche sei zwar nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes möglich. Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber aber eine solche dem Kläger nicht angeboten. Ein unmissverständlicher Hinweis von ihm auf eine abweichende einzelvertragliche Regelung sei durch die gewählte Formulierung ebenfalls auszuschließen. Überdies sei durch die Entgegennahme des Geldbetrages von 3.000,00 Euro und die Nichtvornahme einer Rücküberweisung dieses Betrages eine Annahme eines anderweitigen Angebotes des Arbeitgebers durch den Kläger nicht erfolgt. Der Kläger habe nach Ablauf der gesetzlich geregelten Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG bereits durch anwaltliches Schreiben vom 10.12.2020 auf seinen Zahlungsanspruch gemäß § 1 a KSchG hingewiesen.

Was sagte der beklagte Arbeitgeber dazu?

Er vertritt die Rechtsauffassung, dass im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 abweichend von § 1 a KSchG dem Kläger ein anderweitiges Angebot in Höhe von 3.000,00 Euro brutto bei Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 4 KSchG angeboten wurde. Dieses Angebot sei vom Kläger auch nach Verstreichenlassen der Klagefrist durch Entgegennahme des Geldbetrages von 3.000,00 Euro brutto und nicht Vornahme einer möglichen Rückzahlung dieses Betrages angenommen worden. Der Arbeitgeber habe damit den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur unmissverständlichen Übermittlung eines anderweitigen Vertragsangebotes, außerhalb des Rahmens des § 1 a KSchG, entsprochen.

Hatte die Klage Erfolg?

Ja. Dem Kläger stehe ein Rechtsanspruch auf Zahlung der von ihm errechneten Abfindungssumme gemäß § 1 a KSchG zu. Danach habe der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, wenn:

  • der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt,
  • bis zum Ablauf der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG die Erhebung einer Kündigungsschutzklage unterbleibt und
  • wenn in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen wird, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gestützt sei und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen könne.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG lägen vor. Im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 habe der Arbeitgeber seine Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt, d.h. auf einen Grund entsprechend § 1 Abs. 2 KSchG.

Das Gericht hob in seiner Entscheidung zwar hervor, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung eine geringere Abfindung anbieten könne, als die in § 1a KSchG vorgesehene gesetzliche Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit müsse sich jedoch aus dem Kündigungsschreiben der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben. Dieser Wille sei im konkreten Fall jedoch nicht zum Ausdruck gekommen. Der Hinweis auf den Verzicht der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und die explizite Nennung des § 1a KSchG sei aus Sicht des Arbeitnehmers so zu verstehen, dass die gesetzlich vorgesehene Abfindung gezahlt werden solle. Der Arbeitgeber müsse daher den Differenzbetrag an den Arbeitnehmer bezahlen.

Die vom Arbeitgeber gewählte Formulierung im Kündigungsschreiben führe im Ergebnis dazu, dass auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dem Kläger der Rechtsanspruch auf die Abfindungshöhe, errechnet nach § 1 a KSchG, zusteht.

Auf welche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich das Arbeitsgericht hier?

Auf folgende Urteile des Bundesarbeitsgerichts:

  • vom 19.06.2007 (1 AZR 340/06): „Allerdings schließt die Vorschrift des § 1 a KSchG andere Abfindungsvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, Hinweise nach § 1 a Abs. 1 S. 2 können KSchG zu unterlassen, und dem Arbeitnehmer stattdessen einen – beliebigen – Betrag als Abfindung in Aussicht zu stellen, falls er eine Klage gegen die ausgesprochene Kündigung nicht erhebt. Will der Arbeitgeber die gesetzliche Folge des § 1 a Abs. 2 KSchG vermeiden, muss er dabei aber deutlich machen, dass er sich gerade nicht nach § 1 a Abs. 1 KSchG binden will. Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass er lediglich deklaratorisch auf kollektivrechtliche Bestimmungen verweist, aus denen ein Abfindungsanspruch bei Verlust des Arbeitsplatzes folge. Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung sind die Erklärungen des Arbeitgebers.“
  • vom 13.12.2007 (2 AZR 807/06): „Will ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung ein Angebot auf Abschluss eines Beendigungsvertrages unterbreiten, ohne jedoch die gesetzliche Abfindung nach § 1 a KSchG anbieten zu wollen, so ist er aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Beweissicherung gehalten, dies in der schriftlichen Kündigungserklärung eindeutig und unmissverständlich zu formulieren, insbesondere welche Abfindung er unter welchen Voraussetzungen anbietet. Der Arbeitnehmer muss nach Erhalt des Kündigungsschreibens innerhalb von drei Wochen nämlich entscheiden, ob er gegen die Zahlung der angebotenen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, oder ob er eine Kündigungsschutzklage erheben will. Zusätzlich muss er bei Zugang der Kündigung klar erkennen können, ob der Arbeitgeber ihm ein Angebot nach § 1 a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat. Er muss wissen, worauf er sich einlässt. Anderenfalls könnte sich erst bei Zahlung der Abfindung nach Ablauf der Kündigungsfrist herausstellen, dass der Arbeitgeber ein von § 1 a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot unterbreiten wollte. Der Arbeitnehmer hätte dann wegen § 4 KSchG häufig keine oder eine nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen.“
  • vom 10.07.2008 (2 AZR 209/07): „Aus dem Kündigungsschreiben muss sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben.“

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Beklagte dem Kläger durch die gewählte Formulierung im Kündigungsschreiben kein abweichendes Angebot auf Abfindungszahlung durch eine einzelvertragliche Abrede übermittelt hat.

Sollten Sie die Gesetzesstelle in Ihrer Erklärung nennen?

Nein, vermeiden Sie unbedingt, die Vorschrift des § 1a KSchG im Kündigungsschreiben zu erwähnen. Wollen Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch mach, sollten Sie in Ihre Erklärung zusätzlich aufnehmen, dass:

  • sich die Höhe der Abfindung nicht nach den gesetzlichen Berechnungsvorschriften richtet
  • stattdessen den genauen Betrag der Abfindung nennen

Wie hoch sollte die Abfindung bemessen sein?

0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr gemäß § 1a Abs. 2 KSchG. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden. Nach der Rechtsprechung dürfen Sie aber auch eine geringere Abfindung als im Gesetz vorgesehen zusagen.

Was, wenn Ihr Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhebt?

Tut er dies innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist, entfällt das Angebot. In diesem Fall gelten für den Prozess die gleichen Grundsätze, als ob es das Abfindungsangebot nie gegeben hätte.

Autor*in: Franz Höllriegel