12.07.2023

Alles Wichtige zur Urlaubsabgeltung

Was kostet die Gesundheit? Ein Menschenleben, sagt man. Um beides zu erhalten, empfiehlt sich eine gelegentliche Erholung vom Alltag und dem Stress. Hierfür hat der Mensch gesetzlichen Anspruch auf Urlaub von der Arbeit, geht das nicht, auf Entgelt statt Urlaub. Doch gibt es Ausnahmen.

Urlaubsabgeltung

Was ist eine Urlaubsabgeltung? 

Ein Ersatz in Geld für zustehenden, aber nicht gewährten Erholungsurlaub Ihres Arbeitnehmers.  

Was regelt sie? 

Maßgeblich die Vorschriften von  

  • Lohnsteuerrecht  
  • Sozialversicherungsrecht 
  • Arbeitsrecht  

Fällt für Ihren Arbeitnehmer Steuer auf Urlaubsentgelt an? 

Ja, als Urlaubsabgeltung gezahlte Beträge sind als sonstige Bezüge steuerpflichtiger Arbeitslohn. Das gilt auch für in der Urlaubsabgeltung enthaltene Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Die Zuschläge zahlen Sie als sein Arbeitgeber ja nicht für tatsächlich geleistete Arbeit zu den begünstigten Zeiten.  

Gilt das auch im Baugewerbe?  

Nein, da gibt es Sondervorschriften.  

Wie sieht die Sozialversicherung das? 

Sie sieht Beträge für Urlaubsentgelt als Einmalzahlung an. Sie ordnet sie bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem letzten Lohnabrechnungszeitraum zu. Das gilt ebenso beim Tod des Arbeitnehmers für die ab dem 22.01.2019 gezahlten Urlaubsabgeltungen (BAG, Urteile vom 22.01.2019, Az.: 9 AZR 45/16 und 9 AZR 328/16).  

Wie regelt das Arbeitsrecht Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses? 

Danach bekommt Ihr Arbeitnehmer den Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn:  

  • er seinen Urlaub als arbeitsfreie Zeit nicht nehmen kann, 
  • sei es ganz oder teilweise, 
  • weil sein Arbeitsverhältnis mit Ihnen als seinem Arbeitgeber endet.  

Dies regelt § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Sie rechnen Zahlungen von sich als seinem Arbeitgeber an Ihren Arbeitnehmer zur Abgeltung von nicht beanspruchtem Urlaub bei der Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts nicht an, da solche Bezüge nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können. 

Wie berechnen Sie den Anspruch auf Urlaubsentgelt? 

Wie die „Berechnung des Abgeltungsanspruchs“ genau erfolgt, finden Sie im gleichnamigen Download auf www.gmbh-brief.de. 

Was, wenn Ihr Arbeitnehmer vorher seinen Urlaub hätte nehmen können? 

Das spielt keine Rolle. 

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Und wenn er seinen Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht hat? 

Auch nicht.  

Und was, wenn Ihr Arbeitnehmer zuvor in Elternzeit gewesen ist? 

Dann dürfen Sie als Arbeitgeber seine Urlaubsabgeltung nicht kürzen. Diese stellt ja einen reinen Geldanspruch dar (BAG, Urteil vom 19.05.2015, Az.: 9 AZR 725/13). 

Und was, wenn Ihr Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird? 

Dann erlischt sein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht. Nach neuerer Rechtsprechung selbst dann nicht, wenn das länger andauert. Das gilt für beides, Urlaubsanspruch und Urlaubsabgeltungsanspruch. Beide entstehen trotzdem und bleiben erhalten.  

Und wenn sein Arbeitsverhältnis mit Ihnen als seinem Arbeitgeber fortbesteht? 

Dann kann Ihr Arbeitnehmer zwar seinen Urlaubsanspruch ins nächste Jahr übertragen, aber er kann dann keine Urlaubsabgeltung fordern (BAG, Urteil vom 19.05.2009, Az.: 9 AZR 477/07).  

Und wenn es nicht fortbesteht und endet?  

Dann hat Ihr Arbeitnehmer auch bei Arbeitsunfähigkeit einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Als reiner Geldanspruch unterliegt dieser Anspruch nicht der Fristenregelung des BurlG. Ihr Arbeitnehmer kann ihn daher noch mehrere Monate nach Ende seiner Beschäftigung bei Ihnen als seinem Arbeitgeber fordern. Das gilt auch, wenn der Mitarbeiter zum Beschäftigungsende arbeitsfähig ist (BAG, Urteil vom 19.06.2012, Az.: 9 AZR 652/10). 

Bleibt dieser Anspruch für immer bestehen? 

Nein, spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs verfallen bei andauernder Arbeitsunfähigkeit Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch (BAG, Urteil vom 07.08.2012, Az.: 9 AZR 353/10). War Ihr Arbeitnehmer also etwa in den Jahren 2020 und 2021 durchgehend arbeitsunfähig, verfallen seine Ansprüche:  

  • für das Jahr 2020 am 31.03.2022  
  • für das Jahr 2021 am 31.03.2023.  

Im Übrigen ist der Urlaubsabgeltungsanspruch eine reine Geldforderung. Wie für andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelten hier einzel- und tarifvertragliche Ausschlussfristen (BAG, Urteil vom 09.08.211, Az.: 9 AZR 352/10). Das ist von erheblicher Bedeutung. 

Inwiefern ist das von Bedeutung? 

Weil der vorliegende Fall ein Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) berührte und auf Grund seiner Verfallsregelung schließlich zur Ablehnung eines Anspruches auf Urlaubsentgelt führte.  

Worum ging es in dem Fall? 

Um eine Krankenschwester, die bei einem Krankenhaus seit 1975 beschäftigt war. Sie verdiente zuletzt in Teilzeit bei einer Fünf-Tage-Woche monatlich  

829,86 Euro brutto. Krankenschwester und Krankenhaus wendeten auf ihr Arbeitsverhältnis den TV-L an. In dessen § 37 Abs. 1 heißt es:  

 „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen aus.“ 

Seit dem 19. Oktober 2006 war die Krankenschwester durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete während der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit zum 31. März 2008. Sie wollte von dem Krankenhaus ihr gesetzliches sowie aus dem TV-L folgendes Urlaubsentgelt aus den Jahren 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 1.613,62 Euro brutto haben.  

Womit begründete die Krankenschwester ihre Forderung? 

Damit, dass ihr Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen sei. Sie bezog sich auf:  

  • eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG. Daraus folge, dass ihr Anspruch auf Abgeltung des auf Grund von Arbeitsunfähigkeit nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs nicht verfallen dürfe.  
  • § 13 BUrlG und die dort festgeschriebene Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs. 

Was sagte das Krankenhaus dazu? 

Es hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen. Nachdem aufgrund der Rechtsprechungsänderung der gesetzliche Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht mehr befristet sei, unterliege der Abgeltungsanspruch den tariflichen Ausschlussfristen. 

Auf welche Seite schlugen sich die Arbeitsgerichte? 

Teils, teils. Das Arbeitsgericht 

  • auf die der Krankenschwester hinsichtlich der Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs für die Jahre 2007 und 2008 von insgesamt 25 Urlaubstagen in Höhe von 957,50 Euro brutto.  
  • Auf die des Krankenhauses im Übrigen.  

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht (LAG) die Klage insgesamt abgewiesen. Ferner hat es die Anschlussberufung der Krankenschwester zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrte diese die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Aber auch damit hatte sie vor dem BAG keinen Erfolg; es bestätigte die Entscheidung des LAG.  

Warum hatte die Krankenschwester vor dem BAG keinen Erfolg? 

Weil ihr Anspruch verfallen gewesen sei. Die Krankenschwester habe nicht die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L gewahrt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 31. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt stand der Krankenschwester ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch in Höhe von insgesamt 25 Tagen zu. Dieser war nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten:  

  • sie konnte ihr zustehenden gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG aus dem Jahr 2007 in Höhe von 20 Urlaubstagen wegen ihrer seit 2006 ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit weder in jenem Jahr noch im Übertragungszeitraum des Folgejahres nehmen.  
  • ihr stand zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch für drei volle Monate (Januar bis März 2008) ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG in Höhe von fünf Urlaubstagen zu. 

Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird auch im Fall der Arbeitsunfähigkeit mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die seit dem 19. Oktober 2006 bestehende und auch über den Beendigungszeitpunkt hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ändere hieran nichts.  

Inwiefern war der Anspruch der Krankenschwester verfallen? 

Insofern als § 37 Abs. 1 TV-L eine Ausschlussfrist von sechs Monaten vorschreibt. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25. Februar 2009 sei erst nach Ablauf der Ausschlussfrist am 30. September 2008 erfolgt und damit verspätet. Den Lauf der Ausschlussfrist habe auch nicht die Arbeitsunfähigkeit der Krankenschwester als höherer Gewalt entsprechend § 206 BGB gehemmt. An die Annahme höherer Gewalt seien strenge Anforderungen zu stellen. Hierfür hätte die Krankenschwester ohne jedes Eigenverschulden an der Klage gehindert gewesen sein müssen. Deshalb könne eine Arbeitsunfähigkeit nur dann den Lauf einer Ausschlussfrist hemmen, wenn ihr infolge ihres Zustandes die Besorgung ihrer Angelegenheiten schlechthin unmöglich geworden wäre. Das aber habe die Krankenschwester nicht behauptet. 

Was, wenn Ihr Arbeitnehmer vor Ende seines Arbeitsverhältnisses bei Ihnen gestorben ist? 

Selbst dann ändert das nichts an seinem Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Als Folge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat sich die Rechtslage in Deutschland beim Urlaubsabgeltungsanspruch eines Verstorbenen geändert. Inzwischen urteilt die deutsche Rechtsprechung ebenfalls, dass beim Tod eines Arbeitnehmers sein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bestehen bleibt. Das Entgelt für den Resturlaub zahlen Sie als sein Arbeitgeber daher an die Hinterbliebenen Ihres ehemaligen Mitarbeiters. Dazu berechnen Sie als Arbeitgeber den Urlaub wie in allen anderen Fällen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie für:  

  • den gesetzlichen Mindesturlaub,  
  • den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie  
  • einzel- und tarifvertragliche Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen.  

Sie als Arbeitgeber haben aber die Möglichkeit, für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus vereinbarten Mehrurlaub abweichende Regelungen zu treffen und damit dessen Vererblichkeit auszuschließen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2019 entschieden (Urteil vom 22.01.2019, Az.: 9 AZR 45/16).  

Kann Ihr Arbeitnehmer auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch auch verzichten? 

Es bleibt ihm unbenommen, durch gerichtlichen Vergleich darauf zu verzichten (BAG, Urteil vom 14.05.2013, Az.: 9 AZR 844/11).  

Autor*in: Franz Höllriegel