22.11.2023

Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie nimmt eine wichtige Hürde

Die EU-Kommission hat eine Neufassung der Abwasserrichtlinie zur Diskussion gestellt, die insbesondere im Bereich Mikroplastik nicht nur Kommunen, sondern auch Unternehmen treffen kann. Der Umweltrat hat nun seinen Standpunkt formuliert, sodass die Abstimmung zwischen EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission in die entscheidende Runde gehen kann. Hier eine Übersicht über die Veränderungen, die auf Kommunen und Unternehmen zukommen.

Mehr als 30 Jahre lang hat die EU-Abwasserrichtlinie ihren Zweck sehr gut erfüllt: Seit 1991 schützt sie die Umwelt vor den schädlichen Wirkungen kommunaler Abwässer und enthält auch Regelungen für einige Industriebranchen. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Die Wasserqualität von Flüssen, Seen und Meeren in und um Europa hat sich seither stark verbessert.  

Dennoch sieht die EU-Kommission noch Verbesserungsbedarf. So sind aus ihrer Sicht einige Verschmutzungen nicht erfasst, da sie nicht Gegenstand der geltenden Vorschriften sind. Zudem soll der Geltungsbereich auf kleinere Siedlungsgebiete erweitert werden. Zudem möchte die EU-Kommission weitere Vorhaben zur Verbesserung der Wasserqualität, aber auch eine Reihe anderer Ideen durchsetzen.  

Der Vorschlag der EU-Kommission wurde im EU-Umweltrat ein Jahr lang intensiv beraten. Schließlich gelang es den Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten im Oktober 2023, einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Auch das EU-Parlament hatte bereits eine Position zur Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie gefunden. Deshalb beginnt jetzt die „heiße Phase“ der Abstimmung zwischen EU-Kommission, EU-Umweltrat und EU-Parlament.  

Diese Neuerungen sind geplant: 

Erweiterter Geltungsbereich der geplanten EU-Abwasserrichtlinie 

Die neu gefasste EU-Abwasserrichtlinie sieht vor, dass die bisher gültigen Regelungen grundsätzlich für alle Kläranlagen mit mehr als 1.000 Einwohnerwerten (EW = Anzahl der Einwohner, die im Einzugsbereich einer Kläranlage leben) gelten werden. Zusätzlich sind die Betreiber größerer Kläranlagen mit mehr als 100.000 EW verpflichtet, bis 2030 einen Plan für die Bewirtschaftung von kommunalem Abwasser zu erstellen. Spätestens bis 2035 müssen mittelgroße Gemeinden mit mehr als 10.000 EW mit einem solchen Plan nachziehen, sofern die Einrichtungen eine Gefahr für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellen können. Zudem soll die Verschmutzung der Umwelt durch städtische Abflüsse und Regenwasserüberläufe reduziert werden. Weiter werden mehr Betreiber von Kläranlagen eine tertiäre Reinigung zur Entfernung von Phosphor und Stickstoff durchführen müssen. Diese Behandlungsstufe wird nach der geplanten EU-Abwasserrichtlinie für Kläranlagen mit einem EW zwischen 10.000 und 100.000 erforderlich sein, sofern sie sich in eutrophierungsgefährdeten Gebieten befinden.  

Die Ziele der Neufassung der geplanten EU-Abwasserrichtlinie 

Die Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie zielt nicht nur auf die Reduzierung der Umweltverschmutzung und der Verbesserung der Wasserqualität ab. Darüber hinaus sollen die Treibhausgasemissionen verringert und der Energieverbrauch gesenkt werden. Bis spätestens 2040 soll der Abwassersektor energieneutral sein. Gegen die verbleibende Verschmutzung des Abwassersektors soll mit einer Reihe von Einzelmaßnahmen vorgegangen werden:  

  • So sind strengere Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff sowie Grenzwerte für Mikroschadstoffe vorgesehen. Dabei soll nach dem Verursacherprinzip die Industrie die Behandlung von Mikroschadstoffen bezahlen. Betroffen davon sind vor allem Unternehmen der Pharma- und Kosmetikindustrie.  
  • Ein weiteres Ziel ist die bessere Vorbereitung auf Pandemien. Dabei sollen die EU-Länder die Abwässer dahingehend überwachen, ob und in welchem Umfang Krankheitserreger enthalten sind.  
  • Schließlich soll der Sektor stärker kreislauforientiert werden. Dies betrifft insbesondere die Wiederverwendung bzw. Rückgewinnung von Klärschlamm und Abwasser. Auch rückgewonnener Phosphor soll verstärkt für die Düngemittelproduktion genutzt werden.  

Auch soziale Aspekte werden in der Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie berücksichtigt. So soll der Zugang zu sanitären Anlagen insbesondere für stark gefährdete oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen sichergestellt werden. Zusätzlich enthält der Entwurf auch konkrete quantitative Ziele, die bis 2040 erreicht werden sollen:  

  • Jährlich werden 3 Mrd. Euro eingespart werden.  
  • Im Vergleich zum Basisjahr 1990 werden 60 % der Treibhausemissionen eingespart.  
  • Die Wasserverschmutzung wird um mindestens 365.000 Tonnen reduziert.  
  • Die Mikroplastik-Emissionen sinken um 9 %.  
  • Einnahmen durch Wassertarife und Steuern steigen um 2,3 %.  

Unternehmen müssen Kosten für die Entfernung von Mikroschadstoffen tragen 

Um die Verunreinigung von Wasser mit Mikroschadstoffen zu reduzieren, sieht der Entwurf Grenzwerte für insgesamt 13 Mikroschadstoffe vor. Dies wird damit begründet, dass diese schon in geringen Konzentrationen Wasser verunreinigen können. Für mindestens sechs dieser Stoffe ist ein Entfernungsgrad von durchschnittlich 80 % zu erzielen (arithmetisches Mittel aller Stoffe, die in die Berechnung einfließen). Die Kosten für die Überwachung und die Entfernung aus dem Abwasser sollen durch ein System der erweiterten Herstellerverantwortung getragen werden.  

Ausblick: So wird die geplante EU-Abwasserrichtlinie umgesetzt 

Erste Maßnahmen der EU-Abwasserrichtlinie sollen bereits bis 2025 umgesetzt sein. Dies gilt z.B. für die Einrichtung von Überwachungssystemen, die Identifizierung von Risikogebieten, die Entwicklung von Systemen zur erweiterten Herstellerverantwortung und die Etablierung von Energieaudits für Unternehmen. Anschließend werden die Pflichten in 5-Jahres-Schritten erweitert, bis die komplette Umsetzung im Jahr 2040 erreicht ist.  

So kommen Sie weiter: 

  • In diesem Dokument begründet die EU-Kommission die Erforderlichkeit einer Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie und legt ihre Ziele dar:  

https://environment.ec.europa.eu/system/files/2022-10/Executive%20summary%20of%20the%20impact%20assessment%20accompanying%20the%20proposal.pdf 

  • Hier finden Sie ausführliche Informationen zum Standpunkt des Umweltrats vom 26.10.2023:  

www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/10/16/council-adopts-position-on-new-rules-for-a-more-efficient-treatment-of-urban-wastewater/ 

  • Hier finden Sie die Position des EU-Parlaments zum Entwurf der EU-Abwasserrichtlinie: 

www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20230929IPR06133/parlament-fordert-bessere-behandlung-und-wiederverwendung-kommunaler-abwasser 

 

Vorschriftendienst Bodenschutz- und Wasserrecht

Der Vorschriftendienst informiert Sie täglich über die gültigen neuen und geänderten Rechtsvorschriften und gewährleistet Ihnen damit eine komplette Vorschriftenüberwachung und Dokumentation des Bodenschutz- und Wasserrechts.

€ 519.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

Autor*in: Martin Buttenmüller