16.11.2016

CE-Richtlinien-Tête-à-Tête

Das Zusammenspiel der verschiedenen CE-Richtlinien stellt auch erfahrene CE-Verantwortliche immer wieder vor Herausforderungen. Relativ klar ist dabei z.B., dass die Maschinenrichtlinie und die Niederspannungsrichtlinie sich gegenseitig ausschließen, EMV und Maschinenrichtlinie sich aber ergänzen können. Doch wie ist es, wenn in eine Anlage eine ATEX-Komponente eingebaut wird? Müssen dann auf der Konformitätserklärung der Anlage beide Richtlinien genannt werden? Und wie verhält es sich bei eher exotischen Richtlinien wie RoHS?

Die Europäische Union

Warum ist das wichtig?

Weil technische Produkte in der Regel nicht nur einer einzigen CE-Richtlinie unterfallen. Und weil die Abgrenzung zwischen den CE-Richtlinien manchmal gar nicht so einfach und eindeutig ist.

Als Hersteller von technischen Produkten standen Sie oder Ihre Mitarbeiter vielleicht auch schon vor der Frage: „Was muss auf eine CE-konforme Konformitätserklärung?“ Im Prinzip ist das eigentlich ganz einfach: Jede CE-Richtlinie hat einen Anhang, in dem genau definiert ist, was die jeweilige Konformitätserklärung enthalten muss.

Klingt einfach, erweist sich aber bei genauerem Hinsehen als schwierig. Welche EU-Richtlinien und welche Normen aber tatsächlich auf die Konformitätserklärung sollen, hängt davon ab, um welches Produkt es sich grundsätzlich handelt, und sehr oft auch davon, welche Komponenten das Produkt enthält.

So steht und fällt mit einer korrekten Recherche der anwendbaren EU-Richtlinien letztlich der gesamte CE-Prozess. Und eng damit verbunden ist natürlich auch Ihr Haftungsrisiko als Hersteller. – Es lohnt sich also, sich mit dem Verhältnis der einzelnen EU-Richtlinien zueinander gründlich zu beschäftigen und Klarheit zu gewinnen.

Blue Guide

Der Blue Guide der Europäischen Kommission sagt hierzu im Abschnitt 2.6. „Gleichzeitige Anwendung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union“:

Die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union festgelegten wesentlichen und sonstigen Anforderungen können sich in Abhängigkeit von den durch diese Anforderungen abgedeckten Gefahren, die mit dem betreffenden Produkt verbunden sind, überschneiden oder einander ergänzen.

Das Produkt darf nur bereitgestellt und in Betrieb genommen werden, wenn es zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens den Bestimmungen sämtlicher anzuwendender Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entspricht.

Kommen für dasselbe Produkt oder denselben Zweck zwei oder mehrere Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in Betracht, kann nach einem Verfahren, das eine Risikoanalyse des Produkts im Hinblick auf die durch den Hersteller definierte beabsichtigte Nutzung einschließt, die Anwendung mancher dieser Vorschriften mitunter entfallen.

Der Blue Guide führt hierzu weiter aus:

Die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union überschneiden sich und ergänzen einander, da sie eine breite Palette von Produkten, Gefahren und Auswirkungen abdecken. Infolgedessen müssen für ein einziges Produkt möglicherweise mehrere Rechtsakte berücksichtigt werden, weil es nur bereitgestellt und in Betrieb genommen werden darf, wenn es alle anzuwendenden Bestimmungen erfüllt und die Konformitätsbewertung gemäß den anzuwendenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union durchgeführt wurde.

Die Gefahren, die durch die Anforderungen der verschiedenen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union ausgeschaltet werden sollen, betreffen verschiedene Aspekte, die einander in vielen Fällen ergänzen (z.B. geht es in der EU-Richtlinie über die elektromagnetische Verträglichkeit und in der EU-Richtlinie über Druckgeräte um andere Gefahren als in der Niederspannungsrichtlinie und der Maschinenrichtlinie), sodass die gleichzeitige Anwendung mehrerer Rechtsvorschriften erforderlich ist. Somit müssen beim Entwurf und bei der Herstellung des Produkts alle anzuwendenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union berücksichtigt werden, und das Produkt ist den Konformitätsbewertungsverfahren sämtlicher anzuwendender Rechtsvorschriften zu unterziehen, sofern keine anderslautenden Bestimmungen vorliegen.

Was bedeutet das im Klartext?

Hersteller müssen bei der Recherche der CE-Richtlinien, denen ihr Produkt unterfällt, nicht nur die Anwendungsbereiche der infrage kommenden CE-Richtlinien sehr genau prüfen. Nein, auch die Ausschlüsse von den Anwendungsbereichen müssen sorgfältigst studiert und ausgewertet werden.

Nur dann ist sichergestellt, dass man nicht versehentlich eine CE-Richtlinie zu viel oder eine CE-Richtlinie zu wenig erwischt. Dies könnte fatal sein, regeln CE-Richtlinien doch direkt oder indirekt immer Anforderungen an die Sicherheit von Menschen. Aber auch unter wirtschaftlichen Aspekten wäre es angesichts teilweise angespannter Wettbewerbslagen bitter, wenn ein Hersteller unter Umständen kostspielige Anforderungen erfüllte, die er nicht erfüllen müsste.

Wer mit wem oder auch nicht?

Eine detaillierte Übersicht über den Zusammenhang zwischen ausgewählten EU-Richtlinien finden Sie in unserem „WEKA Manager CE“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)