09.05.2023

Wie ist die Bissigkeit eines Hundes festzustellen?

Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Hunden und Menschen. In dem vom OVG Saarlouis (Beschl. vom 19.01.2023, Az. 2 B 233/22) zu entscheidenden Fall war eine Briefträgerin das Opfer. Der Halter stellte seinen Hundes auch nach drei Beißvorfällen als unschuldig dar.

ärztliches Attest Hundebiss

Anordnung einer Begutachtung eines Hundes nach drei Beißvorfällen

Wegen zweier Beißvorfälle, bei denen der Hund „Jessy“ im Jahr 2021 eine Postzustellerin zunächst in die Hose, dann in das linke Bein und ein Jahr später eine dritte Person in die rechte Wade gebissen hat, ordnete die Ordnungsbehörde auf der Grundlage der Polizeiverordnung über den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden im Saarland (im Folgenden HuV SL) die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten tierärztlichen Sachverständigen zu der Frage an, ob es sich bei „Jessy“ um einen gefährlichen Hund i.S.v. § 1 Abs. 1 HuV SL handelt.

Bis zur Vorlage des Gutachtens sollte der Halter „Jessy“ außerhalb seines befriedeten Besitztums nur an einer Leine und mit einem Maulkorb ausführen. Zugleich drohte die Ordnungsbehörde ein Zwangsgeld an und versah die Verfügung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Der Halter erhob Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung und beantragte beim VG Saarlouis erfolglos einstweiligen Rechtsschutz.

OVG definiert den „Gefahrenverdacht“

Besteht der Verdacht, dass aufgrund objektiver Umstände das Vorhandensein einer Gefahr möglich, jedoch nicht hinreichend sicher ist, können auf Grundlage der Befugnisklausel nach dem Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetz des Bundeslands (hier: § 8 Abs. 1 SPolG) Gefahrerforschungsmaßnahmen getroffen werden. Liegen nachweisbar Angaben der an den Ereignissen beteiligten Personen vor, rechtfertigen diese die Annahme, dass von dem Hund eine Gefahr für geschützte Rechtsgüter ausgehen könnte.

Insofern ist die Anordnung zum Beibringen eines Gutachtens eines amtlich anerkannten tierärztlichen Sachverständigen zu der Frage, ob es sich bei „Jessy“ um einen gefährlichen Hund handelt, angebracht und rechtmäßig, entschied das OVG.

Setzt die Bissigkeit des Hundes eine Körperverletzung voraus?

Für die Feststellung der Bissigkeit eines Hundes ist nicht allein ausschlaggebend, so das OVG weiter, ob durch die Attacke des Hundes eine Körperverletzung verursacht wurde. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände Hinweise für ein Aggressionsverhalten des Hundes gegenüber Menschen festzustellen sind. Ein solches aggressives Verhalten kann sich durch ein „Knappen“ oder „Zuschnappen“ des Hundes in bestimmten Situationen manifestieren, auch wenn dabei lediglich Sachen beschädigt werden. Hiervon abgesehen wurde bei einem weiteren Beißvorfall das Bein verletzt und musste ärztlich versorgt werden.

Wie ist der Beweis der Bissigkeit zu führen?

Auch wenn es keinen einzigen Beweis für eine Verletzung, kein Lichtbild und kein ärztliches Attest gibt, wird die Bissigkeit des Hundes durch eine glaubhafte und im Einzelnen ausführliche schriftliche Darstellung des Geschehens durch den Geschädigten bewiesen.

Ergebnis

In Fällen des Gefahrenverdachts, in denen aufgrund objektiver Umstände das Vorhandensein einer Gefahr möglich, jedoch nicht hinreichend sicher ist, können auf Grundlage der Befugnisklausel (hier: § 8 Abs. 1. SPolG) Gefahrerforschungsmaßnahmen getroffen werden.

Für die Feststellung der Bissigkeit eines Hundes ist nicht allein ausschlaggebend, ob durch die Attacke des Hundes eine Körperverletzung verursacht wurde. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände Hinweise für ein Aggressionsverhalten des Hundes gegenüber Menschen festzustellen sind.

Weil dies nach Ansicht des OVG der Fall war, wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)