24.09.2018

Unebenheit im Natursteinpflaster – Verletzung der Verkehrssicherungspflicht?

Die Besucherin eines Wochenmarktes stürzte über eine Unebenheit im Natursteinpflaster. Das OLG Koblenz musste entscheiden, ob und welche Unebenheiten im Straßenbelag der Gemeinde als Träger der Straßenbaulast zuzurechnen sind (Urteil vom 26.07.2018, Az. 1 U 149/18).

Unebenheit im Natursteinpflaster Verkehrssicherungspflicht

Die Besucherin eines von einer Gemeinde veranstalteten Wochenmarkts stürzte beim Gang zwischen den Marktständen und zog sich eine Fraktur der Patella (Kniescheibe) zu, die stationär behandelt werden musste. Der Straßenbelag besteht aus Natursteinpflaster. Wegen einer Unebenheit des Pflasters stürzte die Besucherin.

Die verletzte Besucherin argumentierte:

  • Stolperursache waren Unebenheiten im Straßenbelag mit einem Niveauunterschied von mehr als 2,5 cm.
  • Die Basaltplatte, über die sie gestürzt ist, war ohne Plattenabdeckung rau zerrissen und bröckelig und habe zum Unfallzeitpunkt tiefer als die benachbarten Platten gelegen.
  • Vor dem Hintergrund, dass Besucher auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe erledigten und hierdurch ihre Aufmerksamkeit auf die Auslagen und nicht auf den Straßenbelag lenkten, bestehen höhere Anforderungen an die Sicherheit des Straßenbelags.
  • Die Gemeinde war verpflichtet, die vorhandenen Gefahrenstellen zu beseitigen oder zumindest vor ihnen zu warnen.
  • Der Gemeinde ist daher eine grobe Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen.

Die Gemeinde wies den Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrssicherungspflicht von sich. Die verletzte Besucherin klagte gegen die Gemeinde.

Entscheidungsgründe

  • Gemäß den Straßen- und Wegegesetzen der Bundesländer (hier: § 48 Abs. 2 i.V.m. § 14 LStrG Rhl.-Pf.) obliegen den Gemeinden als Trägern der Straßenbaulast der Bau, die Unterhaltung und die Verwaltung der öffentlichen Straßen sowie die Überwachung der Verkehrssicherheit als Amtspflichten in Ausübung der öffentlichen Gewalt.
  • Die Straßenverkehrssicherungspflichten sind nur ein Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Verkehrsflächen. Jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, muss diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der Dritten drohenden Gefahren geboten sind (Verkehrssicherungspflicht).
  • Der Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmer aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand drohen.
  • Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Ergebnis nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen.
  • Ein Fußgänger hat in gewissem Umfang Niveauunterschiede und Unebenheiten im Bereich von Straßen und Plätzen hinzunehmen. Eine Verkehrssicherungspflicht beginnt erst dort, wo auch für den aufmerksamen Fußgänger eine Gefahrenlage völlig überraschend eintritt oder nicht ohne Weiteres erkennbar ist.
  • Welche Niveauunterschiede bei Unebenheiten im Fußgängerbereich aus Sicht des Verkehrssicherungspflichtigen noch tolerabel sind, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.
  • Nach Auffassung des OLG ist ein Niveauunterschied von ca. 2 bis 3 cm von Fußgängern regelmäßig hinzunehmen.
  • Dabei kann aber nicht allein auf die absolute Höhe des Unterschieds des Plattenbelags abgestellt werden. Vielmehr ist die durch den Höhenunterschied bedingte Gefährdung im Zusammenhang mit besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit zu sehen und im Blick auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu beurteilen.
  • Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Unfallstelle für den Verkehr (Nebenstraße, keine großstädtische Fußgängerzone) sind keine überzogenen Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit des Weges zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist die von der Basaltplatte ausgehende Gefahr als relativ gering anzusehen.
  • Zu berücksichtigen ist auch, dass ein Fußgänger auf einem Natursteinbelag mit gewissen Unebenheiten und Stolperstellen rechnen muss.
  • Zwar ist richtig, dass ein Fußgänger in einer Fußgängerzone, in der er durch Auslagen in den Geschäften abgelenkt ist, auf ein erhöhtes Maß an Verkehrssicherheit vertrauen darf. Im Bereich von Fußgängerzonen gelten erhöhte Sicherheitsanforderungen. So gelten an Tagen, an denen ein Wochenmarkt abgehalten wird, höhere Anforderungen, weil die Aufmerksamkeit des Besuches für die Straßenverhältnisse abgelenkt wird. Allerdings darf auf den Verkehrssicherungspflichtigen nicht das allgemeine Lebensrisiko abgewälzt werden.
  • Trotz der auf dem Wochenmarkt befindlichen Marktstände hätte die Besucherin die Unebenheit des Bodenbelags bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und Wahrung der Eigenverantwortung erkennen können.

Ergebnis

Die Gemeinde hat die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Das Gericht wies die Klage der verletzten Besucherin des Wochenmarkts als unbegründet zurück.

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Hinweis

Das Urteil ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Koblenz&Datum=26.07.2018&Aktenzeichen=1%20U%20149/18

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)