10.12.2020

Einschränkungen im Teillockdown heftig umstritten

Während die Gegner unseres demokratischen Systems einen Katalysator gefunden haben, um dieses System zu untergraben und auszuhöhlen, kämpfen die von den Einschränkungen Betroffenen vor den Gerichten und auf der Straße gegen diese an. Wir geben einen Überblick über den Stand der Rechtsprechung.

Teillockdown

Umstrittener Teillockdown ab November

Der seit dem 02.11.2020 geltende Teillockdown für Betriebe im Bereich der Gastronomie, Kultur und Freizeitgestaltung sowie Beherbergungen für touristische Zwecke hat die Diskussion über den Sinn dieser Maßnahmen neu angefacht und beschäftigt in erheblichem Maß auch die Gerichte. Allein die Entscheidungen der Obergerichte hier darzustellen, würde den Umfang sprengen. Wir gehen daher nur auf einige exemplarische Gerichtsentscheidungen ein.

OVG Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Beschluss vom 04.11.2020, Az. 3 R 218/20

Teillockdown
Trotz wärmstem November aller Zeiten kein Umsatz

Das OVG in Magdeburg hat den von der Landesregierung verordneten Teillockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie als verhältnismäßig bestätigt. Bei derzeitiger (summarischer) Betrachtung sind die getroffenen Maßnahmen wie das touristische Beherbergungsverbot, das Untersagen von Veranstaltungen, das Schließen der Gastronomiebetriebe und der Sportstätten für den Amateursport eine notwendige Schutzmaßnahme. Den exponentiellen Anstieg des Infektionsgeschehens durch das Reduzieren von Kontakten zu verringern ist ein legitimes Ziel, damit das Gesundheitssystem nicht überfordert wird.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2020, Az. OVG 11 S 110/20

Mit mehreren Beschlüssen hat das OVG in Berlin Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnung gegen die Untersagung des Betriebs von Fitness- und Kosmetikstudios, Gaststätten, Solarien, Yoga-, Pilates- und Tattoostudios abgewiesen sowie die Maskenpflicht bestätigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt (vgl. dazu ausführlich OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06.11.2020, Az. 13 MN 433/20, siehe unten), weshalb die zuständigen Stellen zum Erlass notwendiger Schutzmaßnahmen verpflichtet sind.

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06.11.2020, Az. 13 MN 433/20

Auch das OVG in Lüneburg lehnte am 06.11.2020 mit zwei Beschlüssen Eilanträge gegen die Maßnahmen des Teillockdowns für Gastronomiebetriebe und Fitnessstudios nach einer Folgenabwägung im Rahmen der summarischen Prüfung ab. Es ist derzeit noch offen, ob Vorschriften der Corona-Verordnung des Landes in einem Hauptsacheverfahren für rechtmäßig oder für unwirksam zu erklären sind, so das Oberverwaltungsgericht. Mit Blick auf die gravierenden Folgen eines weiteren Anstiegs von Ansteckungen und Erkrankungen verbunden mit der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens ergibt die Folgenabwägung, dass die Schließungen gegenwärtig hinzunehmen sind.

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.11.2020, Az. 1 S 3405/20

In ebenfalls einer Reihe von Entscheidungen entschied der VGH in Mannheim über Eilanträge gegen coronabedingte Betriebsschließungen und lehnte diese ab. Insbesondere in einer Pandemielage mit diffusem Infektionsgeschehen könne es – zur Vermeidung eines vollständigen Lockdowns – sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen geben, so der Verwaltungsgerichtshof. Im Eilverfahren offen sei allerdings, ob solche Differenzierungen, für die es keine rein infektionsschutzrechtlichen Gründe gebe, vom Verordnungsgeber oder nur vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgenommen werden dürften. Diese Frage stelle sich umso dringlicher, wenn die Landesregierung Ungleichbehandlungen zu einem Zeitpunkt vornehme, zu dem die Grundrechtsträger bereits über einen längeren Zeitraum erheblichen Grundrechtseingriffen zur Bekämpfung einer Pandemie ausgesetzt gewesen seien, führte das Gericht weiter aus. Ob das neue Beherbergungsverbot für privat Reisende den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG und des Parlamentsvorbehalts genüge, sei daher offen. Ob der Antrag in der Hauptsache Erfolgsaussichten habe, stehe mithin noch nicht fest. Der Eingriff in das Grundrecht der Betriebsinhaber auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei mit Blick auf die staatlichen Maßnahmen zur Umsatzkompensation jedoch voraussichtlich verhältnismäßig.

OVG Saarland, Beschluss vom 09.11.2020, Az. 2 B 323/20 und 2 B 306/20

Die vom OVG in Saarlouis geprüften Eilanträge gegen das Betriebsverbot für Tattoostudios hatten hingegen Erfolg. Das Gericht entschied, das umfassende Verbot der Durchführung von Tätowierungen ist unter Berücksichtigung der nachgewiesenen umfangreichen Sicherungsmaßnahmen und Hygienekonzepte voraussichtlich eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen „körpernahen Dienstleistern“. Dementsprechend dürfen Tattoostudios im Saarland entgegen der Corona-Verordnung öffnen.

VGH Bayern, Beschluss vom 12.11.2020, Az. 20 NE 20.2463

Unter Verweis auf das Gleichheitsprinzip ordnete der VGH in München die Außervollzugssetzung der Betriebsbeschränkungen für Fitnessstudios an. Das Gericht geht davon aus, dass Inhaber von Fitnessstudios durch die Schließung benachteiligt werden, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt ist. Die Regelung in der 8. BayIfSMV verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, schrieb das Gericht. Zudem ist die vollständige Schließung von Fitnessstudios nicht verhältnismäßig. Der Verordnungsgeber ist bei Erlass der Einschränkungen davon ausgegangen, dass Individualsport im genannten Umfang zulässig bleiben soll. Diese Erwägung müsse auch für Fitnessstudios gelten.

Das Land kündigte daraufhin eine Änderung der 8. BayIfSMV an, um eine Gleichbehandlung durch Schließung aller Indoorsportstätten zu gewährleisten. Bis zu Redaktionsschluss wurde diese aber noch nicht umgesetzt.

Urteile zur Maskenpflicht durch Allgemeinverfügungen

Teillockdown
Heftig umstritten: Maskenpflicht in der Fußgängerzone

Nicht nur mit Betriebsverboten, sondern zunehmend auch mit kommunalen Allgemeinverfügungen müssen sich die Gerichte beschäftigen.

Das VG Düsseldorf (Beschluss vom 09.11.2020, Az. 26 L 2226/20) entschied, die Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Düsseldorf, mit der eine gesamtstädtische Pflicht zum Tragen von Alltagsmasken und eine Abstandspflicht von fünf Metern angeordnet wurden, ist rechtswidrig. Die Maskenpflicht ist zu unbestimmt und es bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festlegung einer Abstandsregelung von fünf Metern.

Der Beschluss des VG Regensburg (Beschluss vom 09.11.2020, Az. RN 14 S 20.2676) liegt auf der gleichen Linie wie der des VG Düsseldorf. Auch in diesem Fall war die Maskenpflicht im gesamten Gebiet der Innenstadt angeordnet. Dies ist unverhältnismäßig, so das VG Regensburg. Denn in diesem Fall wäre eine Mund-Nasen-Bedeckung auch in Hinterhöfen zu tragen, wenn der Betroffene dort allein ist.

Die mit Allgemeinverfügung der Stadt Krefeld angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unter freiem Himmel in bestimmten Bereichen des Stadtgebiets in der Zeit von 7.00 bis 20.00 Uhr erklärte das VG Düsseldorf (Beschluss vom 19.11.2020, Az. 24 L 2232/20) hingegen als rechtmäßig. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass in den von der Stadt bezeichneten Fußgängerzonen der Mindestabstand nicht zuverlässig eingehalten werden kann.

Das VG Frankfurt (Beschluss vom 09.11.2020, Az. 5 L 2944/20.F) hat einen Eilantrag eines Frankfurter Bürgers gegen die mit Allgemeinverfügung der Stadt angeordnete befristete Maskenpflicht für hoch frequentierte Einkaufsstraßen und zentrale Bereiche der Stadt, insbesondere attraktive Parkanlagen, abgelehnt. Das Gericht sieht es aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls als geboten an, die Maskenpflicht hinzunehmen. Die befristete Regelung ist nicht willkürlich, so das Verwaltungsgericht. Das Gericht wies darauf hin, dass Gründe der Rechtsklarheit und -bestimmtheit dafürsprechen, die Maskenpflicht für ein zusammenhängendes Gebiet anzuordnen und nicht einzelne Seitenstraßen auszunehmen.

Anders als eine Entscheidung im Normenkontrollverfahren wirkt die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nur im Verhältnis zum Antragsteller (Betroffenen). Nur seine Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske ist ausgesetzt. Alle anderen Personen, die sich auf den Straßen aufhalten, müssen die Allgemeinverfügung weiterhin beachten.

Rechtsprechungsübersicht in der Ordnungsamtspraxis

Eine Übersicht der aktuellen Rechtsprechung zu den verhaltensbedingten Einschränkungen der Corona-Verordnung finden Sie in der Onlineversion der Ordnungsamtspraxis.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)