17.11.2017

Sperrzeitverlängerung wegen Beschwerden von Nachbarn?

Kann sich die Gaststättenbehörde bei zahlreichen Nachbarbeschwerden über den von einer Gaststätte ausgehenden Lärm auf diese Beschwerden stützen, ohne ein Lärmgutachten einzuholen (OVG Münster, Beschl. vom 28.09.2017, Az. 4 B 885/17)?

Sperrzeitverlängerung

Mehrere Nachbarn hatten sich wiederholt bei der Gaststättenbehörde über vielfache Störungen der Nachtruhe insbesondere durch Gäste einer Gastwirtschaft beklagt. Gegenstand der Beschwerden ist permanenter Lärm, insbesondere durch an- und abfahrende Fahrzeuge, durch im Freien geführte lautstarke Unterhaltungen, Telefonate sowie Geschrei von Gästen sowohl vor dem Haupteingang der Gaststätte als auch vor der als Notausgang deklarierten Tür zum rückwärtigen Innenhof, die tatsächlich als zweite Eingangstür genutzt würde.

Die Gaststättenbehörde vefügte zum Schutz der Anwohner eine Sperrzeitverlängerung. Der Gastwirt klagte bis zum OVG Münster.

Entscheidungsgründe

  • Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG des Bundes i.V.m. § 3 Abs. 6 GewRV kann u.a. die in § 3 Abs. 3 Satz 1 GewRV NRW geregelte, von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr dauernde allgemeine Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden.
  • Hierbei ist insbesondere der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG des Bundes normierte Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG und gegen sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit von Bedeutung.
  • Schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG sind Immissionen, insbesondere einwirkende Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 und 2 BImSchG).
  • Zu den hierbei zu berücksichtigenden Immissionen gehören nicht nur unmittelbar durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb hervorgerufene Geräusche, sondern auch solche durch das Verhalten von Gästen vor der Gaststätte oder auf dem Weg zu und von ihr, sofern noch ein erkennbarer Bezug zu dem Betrieb besteht.
  • Ein Gastwirt hat sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch seinen Betrieb und insbesondere durch Lärm aufgrund des Verhaltens seiner Gäste kommt.
  • Die Beurteilung nächtlicher Geräuschimmissionen als schädliche Umwelteinwirkungen muss nicht zwingend auf Lärmmessungen beruhen. Grundlage einer rechtlich nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Überzeugungsbildung können unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten örtlichen Verhältnisse auch wiederholte Nachbarbeschwerden sowie behördliche und polizeiliche Feststellungen sein.
  • Ausgehend davon durfte die Gaststättenbehörde aufgrund der Vielzahl der Beschwerden zahlreicher Nachbarn davon ausgehen, dass die von dem Gaststättenbetrieb hervorgerufenen nächtlichen Geräusche das Maß dessen überschreiten, was der in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Wohnbevölkerung unter Berücksichtigung der Bedeutung eines störungsfreien Nachtschlafs für die menschliche Gesundheit zumutbar ist.

Ergebnis

Die Sperrzeitverlängerung wurde von der Gaststättenbehörde rechtmäßig verfügt.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)