06.06.2011

Wirt ist für Störungen außerhalb seiner Gaststätte verantwortlich

Der Gastwirt ist für Störungen verantwortlich, die mit dem Betrieb der Gaststätte verbunden sind. Dies gilt auch für den Lärm, der von vor der Gaststätte stehenden Gästen ausgeht (VG Wiesbaden, Beschluss vom 28.01.2011, Az. 5 L 1344/10), aber: drei Monate auf „Bewährung“).

Bilder Akten

Die Antragstellerin wandte sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte gaststättenrechtliche Verfügung, mit der die Sperrzeit für ihr Lokal auf täglich 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr verlängert wurde. Grund waren wiederholte Beschwerden der Anwohner wegen Lärmbelästigung und Ruhestörung durch den Betrieb der Gaststätte der Antragstellerin, insbesondere durch Gäste, die sich im Lokal aufhielten.

Auch der Vermieter der Gaststätte beschwerte sich. Ortstermine und Aufforderungen der Behörde waren nicht erfolgreich. Ein geschlossener Vergleich der Anwohnerinitiative und der Antragstellerin führte nicht zum Erfolg, da es weiterhin zu Anwohnerbeschwerden kam. Die Beschwerden richteten sich auch gegen Lärmbelästigungen der Personen auf der Straße, belegt durch Lärmmessungen. Auch die Behörde stellte Lärmbelästigungen vor dem Lokal fest, auch Schlägereien und Alkoholmissbrauch wurden aktenkundig, ferner Verunreinigungen im Bereich des Lokals.

Die Behörde sah danach ein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverlängerung in diesem besonderen Wohngebiet, da die Grenze des Zumutbaren überschritten sei. Die Behörde sah mildere Mittel als eine Sperrzeitverlängerung nicht als gegeben. Bußgelder waren bis dato erfolglos. Die Behörde verwies im Bescheid auch auf einzelne Vorfälle.

Entscheidungsgründe

  • Der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung gegen den Bescheid der Behörde ist teilweise begründet. Die Sperrzeit ist auf 1:00 Uhr, nicht auf 0:00 Uhr festzusetzen (dies begründet auf die Sperrzeitregelungen vor der Liberalisierung der Sperrzeiten).
  • Das Gericht setzt hierbei nach Interessenabwägung Auflagen, die auf drei Monate befristet werden. (Diese beinhalten z.B. die Justierung der Musikanlagen, die Einstellung zuverlässiger Türvorsteher mit entsprechenden Kontrollen, Ansprechpartner während der Betriebszeiten müssen im Lokal anwesend sein, Gäste mit Getränken dürfen keine Gläser oder Flaschen mit auf die Straße nehmen, Gäste dürfen sich nur kurzfristig, z.B. zum Rauchen, vor dem Lokal aufhalten und keinen Lärm verursachen, der die Nachtruhe der Anwohner stört.)
  • Sollte es der Antragstellerin gelingen, in den folgenden drei Monaten ihr Betriebskonzept dauerhaft umzustellen und die Auflagen einzuhalten, so besteht die Möglichkeit, die Sperrzeitverlängerung erneut zu diskutieren. Wenn nicht, muss der angefochtene Bescheid der Behörde umgehend umgesetzt werden.
  • Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Störerin ist im Übrigen rechtmäßig. Sie hat für einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf zu sorgen. Dazu gehört auch das Unterbinden des Fehlverhaltens ihrer Gäste. Eine Betriebszeitverkürzung ist als Lärmschutzmittel geeignet, dies auch bezüglich des Lärms von Gästen vor der Gaststätte, wenn hierzu ein Bezug besteht.
  • Qualifizierte Lärmmessungen waren im Eilverfahren nicht erforderlich. Ein objektiver Maßstab, nämlich das Empfinden eines Durchschnittsmenschen, konnte zugrunde gelegt werden. Dabei ist natürlich der Gebietscharakter zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichts bestehen keine Zweifel, dass die Lärmbelästigungen der Antragstellerin zuzurechnen sind, auch wenn sich andere Lokale in dieser Straße befinden. Dies ergeben die Dokumentationen von Ordnungsamt und Polizei.
  • Das Einschreiten der Behörde war verhältnismäßig.
  • Gleichzeitig hat aber auch der Hausbesitzer eine Pflicht, seinerseits zivilrechtlich vorzugehen.

Hinweis

Diese Entscheidung ist einerseits begrüßenswert, andererseits ist es unverständlich, weshalb einem Störer, hier der Antragstellerin, nach mehrmaligen Gesprächen und einem privaten Vergleich sowie nach allen festgestellten Vorfällen nochmals eine Frist zur Einhaltung der gesetzlichen Regelungen gegeben wurde. In diesem Fall wurden genügend Kompromisse eingegangen. Von einem Gericht erwartet man danach eine klare Entscheidung. So wurde „der Ball zurückgegeben“, und die Behörde darf weiter Monate beobachten und Beschwerden der Anwohnerschaft entgegennehmen. Wir erwarten als Bürger und Behörden doch klare und eindeutige Entscheidungen der Gerichte.

Praxistipp:

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Autor*in: WEKA Redaktion