08.08.2016

Schließung einer Gaststätte wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht rechtmäßig

Mangelnde Deutschkenntnisse zur Begründung gaststättenrechtlicher Unzuverlässigkeit sind unzureichend (VG Neustadt, Beschluss vom 14.06.2016, Az. 4 L 403/16.NW).

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Im Mai 2015 und Januar 2016 erteilte die Behörde der Antragstellerin jeweils eine vorläufige Erlaubnis zum Betreiben einer Gaststätte. Zuletzt bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin, ihre deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern. Die Antragstellerin legte sodann eine Bescheinigung der Volkshochschule vor.

Mit Bescheid lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab und verfügte die Schließung der Gaststätte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung, die Antragstellerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne ausschließlich durch Hinzuziehen von Freunden kommunizieren. Sie besitze damit nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit.

Dagegen wehrt sich die Antragstellerin. Die Behörde nehme zu Unrecht an, dass sie, die Antragstellerin, die erforderliche gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Bisher habe es keinerlei Beanstandungen gegeben, weder aus Behörden- noch aus Kundensicht. Es sei nicht plausibel, dass die Allgemeinheit vor ihren unzureichenden Deutschkenntnissen geschützt werde solle. Sie bediene sich in ihrem Betrieb der Hilfe ihrer Arbeitskräfte. Die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.

Im Eilverfahren entschied das Verwaltungsgericht zugunsten der Antragstellerin.

Entscheidungsgründe 

  • Die Anordnung der Betriebsschließung ist ermessensfehlerhaft ergangen. Ausschließliches Kriterium für die angeordnete Schließung der Gaststätte sind für die Antragsgegnerin die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin gewesen, die die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zur Folge hätten. Diese Auffassung teilt das Gericht jedoch nicht.
  • Das Gaststättenrecht stellt ebenso wie das allgemeine Gewerberecht grundsätzlich keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse. § 1 der Gewerbeordnung gestattet Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ebenso wie deutschen Staatsangehörigen und EU-Bürgern den Betrieb eines Gewerbes in Deutschland. Ob die Betreffenden dazu einer ausländerrechtlichen Erlaubnis bedürften, bestimmt sich nach der Art der unternehmerischen Aktivität in Deutschland. Die Antragstellerin verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit und muss daher den selbstständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes der zuständigen Behörde grundsätzlich nur anzeigen.
  • Zwar sieht die Gewerbeordnung für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten eine Erlaubnispflicht vor. Das Gaststättengesetz verlangt demgegenüber in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis.
  • Zwar muss der Gewerbetreibende vor Aufnahme des Gaststättenbetriebs über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden sein. Die Unterrichtung erfolgte auch hier mündlich mit entsprechender Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer. Allerdings ist die Zuziehung eines Dolmetschers zulässig. Dies unterstreicht, dass mangelnde Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind, um die Ausstellung einer Gaststättenerlaubnis zu versagen.
  • Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin kann auch nicht damit begründet werden, diese sei wegen ihrer nicht ausreichenden Deutschkenntnisse nicht in der Lage, ihr Geschäft selbst zu betreiben und auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig zu werden. Weder Steuerrückstände noch lebensmittelrechtliche Verstöße sind aktenkundig. Es steht der Antragstellerin auch frei, als selbstständig Gewerbetreibende sich der Hilfe Dritter z.B. beim Einkauf, beim Kochen oder bei der Bestellung in der Gaststätte zu bedienen.
  • Soweit die Behörde auf mögliche Verständigungsprobleme mit Kunden etwa bei der Bestellung von Speisen in ihrer Gaststätte hingewiesen hat, rechtfertige dies ebenfalls nicht die Annahme einer Unzuverlässigkeit. Die Antragstellerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.
  • Die Behörde kann diesbezüglich die Gaststättenerlaubnis der Antragstellerin gegebenenfalls mit einer Auflage versehen, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass jederzeit deutsch sprechendes Personal anwesend zu sein hat.
  • Es ist aber gewerberechtlich unverhältnismäßig, von der Antragstellerin zu verlangen, als für die Gaststätte Verantwortliche selbst über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen, um eine erlaubnispflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

Hinweis

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum OVG Koblenz zulässig.

Autor*in: Georg Huttner / Uwe Schmidt