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Sonntagsöffnung von Geschäften wegen Firmenjubiläums?

Das OVG Lüneburg (Beschl. vom 19.12.2024, Az. 7 ME 76/24) las sich anders als das Gewerbeamt eine Firmenchronik genau durch.

100-jähriges Jubiläum

Die Firmeninhaberin I. beantragte eine Ausnahmegenehmigung für eine Sonntagsöffnung für die Firmengruppe I., bestehend aus mehreren Unternehmen. Ihrem Antrag fügte sie eine Firmenchronik bei. Aus dieser ergibt sich, dass die Familie I. seit 1924 unternehmerisch tätig ist, die einzelnen Unternehmen der Firmengruppe aber erst deutlich später gegründet wurden, einige Unternehmen nicht mehr bestehen und andere veräußert wurden. Das Gewerbeamt erteilte die begehrte Ausnahmegenehmigung und ordnete deren sofortige Vollziehung an.

Eine Dienstleistungsgewerkschaft erhob Klage gegen die Sonntagsöffnung und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Die Rechtslage, …

Das Ladenöffnungsrecht (hier § 5 Abs. 4 Nr. 1 NLöffVZG) sieht vor, dass die zuständige Behörde, wenn dafür ein herausragender Anlass besteht, auf Antrag einer Verkaufsstelle zulassen kann, dass diese an einem Sonntag im Kalenderjahr geöffnet werden darf, ohne dass die Sonntagsöffnung auf die Höchstzahlen der zulässigen Sonntagsöffnungen in der Gemeinde angerechnet wird. Ein herausragender, auf die Verkaufsstelle abgestellter Anlass kann bei einem klassischen Firmenjubiläum (etwa 25-, 50-, 75- oder 100-jähriges Bestehen) gegeben sein, steckte das OVG zunächst den Parcours ab, auf dem anschließend herumgeritten werden sollte.

… die Auslegung …

Ob ein herausragender Anlass in Gestalt eines Unternehmensjubiläums vorliegt, hängt zwar nicht davon ab, dass ein Unternehmen für die Dauer des Betriebszeitraums, dessen Zurücklegung im Rahmen des Jubiläums feierlich begangen werden soll, in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht vollkommen unverändert Bestand gehabt hat. Selbst bei tiefgreifenden gesellschaftsrechtlichen Änderungen des Rechtsträgers des Unternehmens kann ein herausragender Anlass wegen eines Unternehmensjubiläums gegeben sein, wenn (mindestens) ein identitätsprägendes Merkmal des Unternehmens unverändert und in einer für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Weise fortgeführt wird. Ihre Grenze findet die Möglichkeit der Begehung eines Jubiläums indes in der Einstellung des Unternehmens ohne jede Form seiner Fortsetzung.

… und die Gerichtsentscheidung

Die Familie der Firmeninhaberin ist zwar seit (mindestens) 100 Jahren unternehmerisch tätig, entnahm das OVG der Firmenchronik. Das Unternehmen als solches besteht aber nicht 100 Jahre, weil Teile des Unternehmens veräußert und eingestellt wurden. Daher, subsumierte das OVG zum Leidwesen der Firmeninhaberin, wird kein identitätsprägendes Merkmal des Unternehmens unverändert und in einer für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Weise fortgeführt.

Ergebnis

Die Ausnahmegenehmigung wurde rechtswidrig erteilt. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde vom Gericht wiederhergestellt.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)

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