19.11.2018

Sonntagsöffnung: Neue Rechtsprechung in Minden und Lüneburg

Das VG Minden (Beschl. vom 09.10.2018, Az. 3 L 1207/18) und das OVG Lüneburg (Beschl. vom 05.10.2018, Az. 7 ME 75/18) haben über die Sonntagsöffnung anlässlich eines Heimatfests und einer Charity-Meile entschieden.

Sonntagsöffnung Heimatfest Charity

Heimatfest und Ladenöffnung im gesamten Stadtgebiet

Im gesamten Stadtgebiet sollte die Ladenöffnung an einem Sonntag  gestattet werden. Anlass war ein Heimatfest mit 17 Imbissständen, zwei Getränkeständen und acht Verkaufs- bzw. Infoständen im Bereich der gesamten Fußgängerzone. Das geschätzte Besucheraufkommen lag bei 15.000, von denen gleichzeitig maximal 4.000 anwesend sind.

Die Entscheidung des VG Minden

  • Für eine Ladenöffnung im gesamten Kernstadtgebiet fehlt es an dem erforderlichen räumlichen Bezug zum Heimatfest.
  • Die in der Ordnungsbehördlichen Verordnung zugelassene Öffnung von Verkaufsstellen am Sonntag reicht von ihrem Umfang so weit, dass kein Zusammenhang zwischen dem Heimatfest und der Ladenöffnung besteht.
  • Die Ordnungsbehördliche Verordnung wird in diesem räumlichen Umfang dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV, der ein Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewährleistet und für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert, nicht ansatzweise gerecht.
  • Rechtlich zulässig wäre nur die Öffnung der in räumlicher Nähe zum Heimatfest liegenden Verkaufsstellen im Bereich der zentralen Innenstadt.

Hinweis: Der Beschluss vom vom 09.10.2018, Az. 3 L 1207/18 VG Minden ist abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2018/3_L_1207_18_Beschluss_20181009.html

Charity-Meile „Osnabrück tut Gutes“ und Ladenöffnung in der Innenstadt

Die Charity-Meile, der regionale Markt an der Katharinenkirche und das Street-Food-Angebot auf dem Marktplatz würden maximal jährlich durchgeführt, argumentierte die Stadt. Diese Veranstaltung stehe daher im überwiegenden Interesse der Kaufmannschaft. Aufgrund der Jährlichkeit der Veranstaltung liege die Durchführung der Sonntagsöffnung auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Die Liste von 23 teilnehmenden karitativen und gemeinnützigen Einrichtungen zeige deutlich, dass ein Rahmen für eine öffentliche Präsentation der Einrichtungen gegeben werde, um die vielen zum Teil ehrenamtlich Tätigen – bspw. der Freiwilligen Feuerwehr, der Polizei, des DRK, des MHD und des Sozialdienstes Katholischer Frauen – in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. An den einzelnen Standorten werde über die Arbeit der Organisation informiert, es würden vielfältige Aktionen – auch für Kinder – angeboten. Die Stadt erlaubte aus diesen Gründen die Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen im Bereich der Innenstadt mit 26 verschiedenen Straßenzügen.

Die Entscheidung des OVG Lüneburg

  • Als Grundvoraussetzung für jede Öffnungsmöglichkeit von Ladengeschäften an Sonntagen muss ein für den jeweils festgelegten Öffnungsumfang angemessener Anlass vorliegen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 01.12.2009 (Az. 1 BvR 2857/07 und 2858/07) zum Berliner Ladenöffnungsgesetz die Sonntagsöffnung grundsätzlich nur dann für zulässig erklärt, wenn dafür ein Anlass besteht.
  • Nach den Gesamtumständen stellt sich die sonntägliche Ladenöffnung nicht als bloßer Annex zur anlassgebenden Charity-Meile dar. Es ist nicht erkennbar, dass diese Veranstaltung gegenüber der sonntäglichen Ladenöffnung von ihrem Umfang und ihrer Attraktivität her eine eigenständige Ausstrahlungswirkung besitzt.
  • Die eigentliche Charity-Meile soll nur aus 23 bzw. 29 Ständen bestehen. Sie kann damit gegenüber der Vielzahl der Ladengeschäfte in den zur Sonntagsöffnung freigegebenen 26 Straßenzügen keinen eigenständig dominierenden Umfang erreichen.
  • Dies gilt auch, wenn die Charity-Meile noch um einen zum Erntedankfest veranstalteten regionalen Markt und um ein Street-Food-Angebot auf dem Markplatz mit weiteren circa 25 Ständen ergänzt werden soll.
  • Auch die Prognose hinsichtlich der für die Charity-Meile zu erwartenden Besucherzahl ist nicht plausibel. Aus den Vergleichszahlen von 26.000 Besuchern an einem normalen Sonntag ohne verkaufsoffene Geschäfte und 72.000 Besuchern bei der letztjährigen Charity-Meile mit verkaufsoffenen Geschäften lässt sich lediglich ableiten, dass 46.000 zusätzliche Besucher den Kernbereich der Innenstadt aufgesucht haben. Die zu erwartende Besucherzahl der Charity-Meile ohne verkaufsoffene Geschäfte lässt sich daraus nicht ableiten.
  • Das Gericht stellte aus diesen Gründen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die sonntägliche Ladenöffnung wieder her.

Hinweis: Der Beschluss vom 05.10.2018, Az.7 ME 75/18 OVG Niedersachsen ist abrufbar unter https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/7e4f7995-487b-44f4-9d1d-c55dc67e9a21

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)