20.09.2017

Sondernutzungserlaubnisse nur temporär erteilen?

Ist die Verwaltungspraxis zulässig, in der Umsetzung eines Nutzungskonzepts für den Innenstadtbereich Sondernutzungserlaubnisse nur für temporär und nicht für dauerhaft aufgestellte Verkaufsstände in einer Fußgängerzone zu erteilen? Mit dieser Frage musste sich das VG Gelsenkirchen befassen (Urteil vom 19.07.2017, Az. 14 K 2467/11).

temporäre Sondernutzungserlaubnisse

Ein eingetragener Verein, der sich die Belebung der Innenstadt zum Ziel gesetzt hat, beantragte die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von 16 Markt- und Verkaufsständen auf öffentlichen Verkehrsflächen. Vorgesehen war der Verkauf von Obst, Gemüse, Fleischwaren und Milchprodukten einschließlich Käse. Außerdem sollte eine „Gulaschkanone“ aufgestellt werden. Die Ordnungsbehörde lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei letztlich davon auszugehen, dass die Erlaubnis nicht begehrt werde für die Aufstellung von Wochenmarktständen, sondern für Verkaufsstände, die werktäglich von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr betrieben und über Nacht nicht abgebaut werden sollten.

Zur Begründung führte sie aus, es würden nur Erlaubnisse für temporär aufgestellte Verkaufsstände erteilt, damit die Innenstadt nicht den Charakter eines „Basars“ annehme. Seit Jahren würden keine Erlaubnisse für die dauerhafte Aufstellung von Verkaufsständen in der betroffenen Fußgängerzone mehr erteilt, weil sonst der öffentliche Verkehrsraum weitgehend zugestellt wäre. Hierdurch wäre zum einen die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs beeinträchtigt und zum anderen stünden diese Flächen auch nicht mehr für die ansonsten stattfindenden temporären Veranstaltungen zur Verfügung.

Der eingetragene Verein klagte gegen die Ablehnung der Erlaubnis.

Entscheidungsgründe

  • Rechtsgrundlage für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen ist das Straßen- und Wegegesetz des Landes (im Fall § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW). Danach bedarf die Benutzung öffentlicher Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, sofern eine solche nicht nach den hier nicht einschlägigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts erforderlich ist (vgl. § 21 Satz 1 StrWG NRW).
  • Die von dem Verein begehrte Aufstellung von 16 stationären Markt- und Verkaufsständen im öffentlichen Straßenraum stellt unstreitig eine Sondernutzung dar.
  • Eine Sondernutzungserlaubnis wird aufgrund einer Ermessensentscheidung erteilt (vgl. § 18 Abs. 2 StrWG NRW). Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen, insbesondere des Gebots der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) auszuüben (§ 40 VwVfG). Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung beschränkt sich hingegen auf die Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens (§ 114 Satz 1 VwGO). Dabei sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig nachgeschobene Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO vom Gericht zu berücksichtigen.
  • Im Rahmen der Ermessensausübung liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn die Behörde eine ihr Ermessen bindende ständige Verwaltungspraxis im Einzelfall unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht beachtet.
  • Entsprechend dem Zweck der Ermächtigung hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen gehören insbesondere ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d.h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße (Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraumes, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes und Ähnliches).
  • Um den gebotenen Interessenausgleich ermessensgerecht vornehmen zu können, ist eine Abwägung der gegenseitigen Belange geboten, deren Ergebnis ausschlaggebend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls und hierbei insbesondere von dem Maß der Beeinträchtigung der gegenläufigen Rechte und Interessen abhängt.
  • Das Recht der Allgemeinheit, die Straßen innerhalb des Gemeingebrauchs jederzeit nach Belieben benutzen zu können, das in seinem Kerngehalt der grundrechtlichen Gewährleistung der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG unterliegt, ist in jedem Fall zu beachten und bei der gebotenen Abwägung der gegenseitigen Belange den für die Sondernutzung angeführten Interessen gegenüberzustellen.
  • In Anwendung dieser Grundsätze ist die Ermessensentscheidung fehlerfrei ergangen. Maßgeblich ist, dass die Stadt ihre Entscheidungspraxis konsequent an dem Konzept zur Neugestaltung der Innenstadt ausgerichtet hat. Es entspricht daher ihrer Intention, sowohl zur Erhaltung des Straßenbildes als auch im Interesse des Gemeingebrauchs (Kontakt nach außen) der geschäftlich tätigen Straßenanlieger den fußläufigen Bereich der Innenstadt von dauerhaft aufgestellten Buden und Verkaufsständen freizuhalten. Demgemäß würden seit Langem Sondernutzungserlaubnisse nur noch für temporär aufgestellte Stände, nicht aber für dauerhaft genutzte Stände erteilt.
  • Die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis entspricht daher augenscheinlich der von der Stadt dargelegten Praxis und ist nicht zu beanstanden.

Ergebnis

Die Klage des Vereins gegen die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis wurde abgewiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)