17.05.2022

Rechtsprechung in Kürze: wichtige Entscheidungen (Mai 2022)

Die Rechtmäßigkeit der aufgrund von Corona angeordneten häuslichen Absonderung kann grundsätzlich nicht nachträglich überprüft werden. Außerdem: Anbringen von Wahlplakaten, Unterbringung einer obdachlosen Person, Corona Hot-Spot Regelung.

Rechtsprechung Corona Wahlplakat

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Gericht Datum Aktenzeichen
VG Minden 06.04.2022 7 K 2624/20 u.a

Rechtmäßigkeit der angeordneten häuslichen Absonderung

Personen, die sich aufgrund eines positiven PCR-Tests oder als Kontaktpersonen in häusliche Absonderung begeben mussten, können diese Maßnahme grundsätzlich nicht nachträglich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen.

Hinweis: Strittig waren verfügte Absonderungen im Jahr 2020. Wegen der zwischenzeitlich geänderten Rechts- und Tatsachengrundlage sind gleichartige Entscheidungen heute nicht mehr zu erwarten, begründete das Gericht sein Urteil.

VG Schleswig 30.03.2022 3 B 24/22

Anbringen von Wahlplakaten

Werden Wahlplakate vor dem in der Sondernutzungserlaubnis genannten Termin angebracht (hier am 25.03. statt am 26.03.) und verlangt die Stadt deren Entfernung, ist die Verfügung rechtswidrig.

Das Gericht entschied: Ähnlich wie bei einem Schwarzbau, der nach einer Baugenehmigung legalisiert wurde, könne nicht allein aufgrund der Rechtswidrigkeit bei Begründung des Zustands die Beseitigung zu einem Zeitpunkt gefordert werden, an dem der Zustand rechtmäßig sei. Die Stadt könne stattdessen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten.

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OVG Bautzen 27.10.2021 5 A 237/21

Gültigkeit eines elektronischen Empfangsbekenntnisses

Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der § 371a Abs. 1 und § 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme der in ihm bezeichneten Schriftstücke als auch für den Zeitpunkt von deren Empfang. Der Gegenbeweis, dass der in einem elektronisch zurückgesandten Empfangsbekenntnis ausgewiesene Zustellungsinhalt unrichtig ist, ist möglich, setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses zur Überzeugung des Gerichts vollständig entkräftet wird.

OVG Bautzen 06.10.2021 6 C 26/21

Ladenöffnung während Weihnachtsmarkt

Ein Weihnachtsmarkt in der Innenstadt prägt nur diesen Stadtbezirk, nicht das gesamte Stadtgebiet. Deshalb ist auch nur die Öffnung der Läden an Adventssonntagen in dem Stadtbezirk gerechtfertigt, in dem der Weihnachtsmarkt stattfindet.

OVG Schleswig 19.10.2021 4 MB 51/21

Unterbringung von obdachlosen Personen

Die Ordnungsbehörde muss in der Regel nur die obdachlose Person unterbringen, nicht aber ihren Besitz. Daher muss es für die materielle Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Räumung nicht zugewiesener Kellerräume (von dem Besitz des Obdachlosen) ausreichen, wenn es hierfür sachlich einleuchtende Gründe gibt, die Entscheidung demzufolge nicht willkürlich erscheint und dem Betroffenen zumutbar ist (hier als rechtmäßig angesehen).

OVG Hamburg 23.09.2021 4 Bs 140/21

Anhörung vor Fahrtenbuchauflage

Die Behörde trägt die materielle Beweislast für die rechtzeitige Anhörung des Fahrzeughalters vor dem Anordnen einer Fahrtenbuchauflage. Es obliegt ihr, den vollen Beweis über den Zugang eines Schriftstücks zu erbringen, da dessen Nichterhalt eine sogenannte negative Tatsache darstellt, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist. Dies ergibt sich für ein Schreiben aus den allgemeinen Beweislastregelungen über den Zugang von Willenserklärungen. Der Zugang eines mit einfachem Brief bei der Post aufgegebenen Schriftstücks kann nicht im Wege der Beweiserleichterung des Prima-Facie-Beweises nachgewiesen werden. Das Gericht kann aber im Wege der Würdigung der Umstände des Einzelfalls nach § 108 Abs. 1 VwGO zu der Überzeugung gelangen, dass ein abgesandtes Schriftstück den Adressaten erreicht hat.

OLG Koblenz 07.12.2021 12 U 101/21

Beschädigung von nicht alltagstauglichen“ Fahrzeugen

Der Fahrer eines (hier serienmäßig) tiefergelegten Ferrari F40 muss eine erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Wird das Fahrzeug aufgrund einer erkennbaren Fahrbahnunebenheit beschädigt, haftet der Straßenbaulastträger nicht dafür. Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet nicht die Pflicht, mit erheblichen Kosten für die Allgemeinheit dafür Sorge zu tragen, dass die Straße auch für „nicht alltagstaugliche“ Fahrzeuge wie den streitgegenständlichen Ferrari gefahrlos nutzbar ist. Die Zulassung eines Sportfahrzeugs mit entsprechend geringer Bodenfreiheit beinhaltet nicht die Zusicherung, dass alle öffentlichen Straßen gefahrlos benutzt werden können.

VG Hamburg 13.04.2022 5 E 1581/22

Hot-Spot Regelung rechtmäßig

Die seit dem 31.03.2022 geltenden Coronavirus-Eindämmungsverordnung in Hamburg (Hot-Spot Regelung aufgrund § 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG) mit einer erweiterten Maskenpflicht für Einrichtungen und Angebote mit Publikumsverkehr sowie Veranstaltungen und Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie einem 2Gplus-Zugangsmodell für Clubs und Diskotheken ist rechtmäßig, weil die Bürgerschaft zu Recht eine konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage nach § 28a Abs. 8 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 IfSG angenommen hat.

BVerwG 07.04.2022 3 C 9.21

Medizinisch-psychologisches Gutachten

Die Fahrerlaubnisbehörde darf auch dann wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung nicht geahndet worden ist. Die Fahrerlaubnisentziehung ist rechtens, wenn mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Fahrer betrunken war.

Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch die Rechtsprechungsübersicht des Vormonats.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)