31.01.2022

2G in Bayern, Niedersachsen und dem Saarland außer Vollzug

Einen Flickenteppich von Entscheidungen zu der Frage, ob 2G im Einzelhandel zulässig ist oder nicht haben die Verwaltungsgerichte der Länder geschaffen. Wir geben einen Überblick.

2G Einzelhandel

VGH Mannheim bestätigt 2G im Einzelhandel

Die Antragstellerin hatte geltend gemacht, eine Auswertung der Luca-App für den Monat Oktober 2021 habe ergeben, dass die Warnungen, die von den Gesundheitsämtern an Nutzer herausgegeben worden seien, nur zu 1% aus dem Einzelhandel herrührten. Die 2G-Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO sei daher nicht erforderlich.

Das Infektionsgeschehen ist immer noch sehr stark ausgeprägt und derzeit von stark ansteigenden Infektionszahlen gekennzeichnet, antwortete der VGH. Das RKI empfiehlt in seiner ControlCOVID-Strategie vom 21.12.2021 für den Zugang zu Ladengeschäften die 2G-Regelung, für den Zugang zu Geschäften des täglichen Bedarfs die 3G-Regelung. Das Argument, im Einzelhandel komme es nur in geringem Umfang zu Infektionen, ist unbegründet, da das Infektionsgeschehen nach seinen Ursachen derzeit diffus ist und die Luca-App im Einzelhandel vielfach nicht zum Einsatz kommt.

(Beschl. vom 11.01.2022, Az. 1 S 3781/21)

2G und Prüfpflicht für Ladenbesitzer in Sachsen-Anhalt verhältnismäßig

Der Betreiber einer Textileinzelhandelskette beantragte vor dem OVG Magdeburg die Aufhebung der Prüfpflicht zur Einhaltung der 2G-Regel im Einzelhandel.

Das OVG wies den Eilantrag ab. Das 2G-Zugangsmodell ist durch das IfSG hinreichend gedeckt; die damit verbundene Kontrollpflicht ist nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber darf zutreffend die Zugangsbeschränkung zu Geschäften des Einzelhandels und deren Kontrolle durch die Betreiber zur Eindämmung der Pandemie als notwendig ansehen. Die Zugangsbeschränkungen dienen der Erfüllung des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden staatlichen Schutzauftrags und damit verfassungsrechtlich legitimen Zwecken. Denn sie zielen darauf ab, die weitere Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verlangsamen sowie das exponentielle Wachstum von Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems insgesamt zu vermeiden und die medizinische Versorgung sicherzustellen.

Etwas anderes ergibt sich, schloss das OVG, auch nicht in Bezug auf die Ausbreitung der Omikron-Variante, bei der das RKI davon ausgeht, dass sich auch (zweifach) immunisierte Personen mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit infizieren werden, als dies noch bei der Delta-Variante der Fall gewesen war.

(Beschl. vom 11.01.2022, Az. 3 R 216/21)

>>> Lesen Sie dazu auch Wie werden 3G und 2G geprüft?

OVG Greifswald bestätigt 2G im Einzelhandel von Mecklenburg-Vorpommern

Die das 2G-Modell betreffenden Regelungen der Corona-LVO M-V sowie die deren weiteren Maßnahmen sind rechtmäßig. Die Vorschriften sind verhältnismäßig und verstoßen auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, urteilte das OVG.

Im Rahmen des Gesamtkonzeptes der Corona-VO sind die Kontaktbeschränkungen insbesondere für Ungeimpfte geeignet, das legitime Ziel zu verfolgen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und insbesondere eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Die Beschränkungen durch 2G sind auch erforderlich, so das Gericht weiter, weil keine milderen Mittel erkennbar sind. Insbesondere würden das Tragen von medizinischen Atemschutzmasken und die Erfordernisse von Tests nicht ausreichen, weil diese Maßnahmen nicht gleich wirksam sind.

Das 2G-Modell mit den Ausnahmen zum Zugang zu lebenswichtigen und unaufschiebbaren Angeboten ist auch angemessen, weil die ungeimpften Personen nicht völlig von lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen ausgeschlossen werden.

(Beschl. vom 07.01.2022, Az. 1 KM 661/21 OVG)

2G in Hessen weiterhin in Schwimmbädern, gedeckten Sportstätten und in der Gastronomie

Für Innenbereiche von Schwimmbädern, gedeckte Sportstätten und für die Gastronomie gilt in Hessen auch weiterhin die 2G-Regelung, entschied der VGH Kassel und lehnte den Antrag ab, die entsprechende Regelung in der Coronavirus-Schutzverordnung außer Vollzug zu setzten.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Zugangsverbote nicht offensichtlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Sie sollen die Infektionsdynamik brechen, das Ansteckungsrisiko senken und das Gesundheitssystem vor Überlastung schützen. Es ist nicht ersichtlich, dass die 3G- oder 3G-Plus-Regelungen ein gleich wirksames Mittel zum Erreichen dieser Ziele sind.

Mit Blick auf die Einschätzung der aktuellen epidemiologischen Entwicklung durch das RKI durfte das Land davon ausgehen, dass den Grundrechtseingriffen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber stehen, zu deren Wahrung dringlicher Handlungsbedarf besteht. Zudem tragen immunisierte Personen weniger zum Infektionsgeschehen bei.

(Beschl. vom 04.01.2022, Az. 8 B 2448/21.N).

OVG Berlin-Brandenburg bestätigt 2G Regelung im Einzelhandel

Das OVG wies die Klage einer Textilhandelskette gegen die 2G-Regelung mit ähnlichen Argumenten wie die zuvor zitierten Gerichte zurück. In der Privilegierung einzelner für die Deckung des Grundbedarfs bedeutsam eingestufter Geschäfte sieht das Gericht keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

Dies gelte auch, soweit Einzelhandelsgeschäfte mit einem Mischsortiment privilegiert würden, sofern das Sortiment des täglichen Bedarfs überwiege. Denn in diesem Fall beschränkten sich der Kundenstrom und damit die Gefahr einer Übertragung des Virus auf diejenigen Verkaufsstellen, die zur Deckung des täglichen Bedarfs, etwa mit Lebensmitteln, ohnehin aufgesucht würden.

(Beschl. vom 30.12.2021, Az. OVG 11 S 109/21)

OVG Saarlouis: Mischsortimentsklausel verstößt gegen den Gleichheitssatz

Die saarländische 2G-Regelung im Einzelhandel ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, entschied das OVG Saarlouis. Die Begrenzung der Privilegierung von Mischsortimentern auf solche, in deren Warenangebot Grundbedarfsartikel wesentlich überwiegen, wurde allerdings für die Handelskette Woolworth außer Vollzug gesetzt. Somit gilt 2G speziell bei Woolworth vorerst nicht.

Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Einzelhandel mit Gütern des täglichen Bedarfs von der 2G-Regelung auszunehmen, begründete das Gericht seinen Beschluss. Die konkrete Umsetzung des Ziels von 2G in der Verordnung ist aber verfassungsrechtlich bedenklich. Denn der Privilegierungskatalog umfasst zahlreiche Geschäfte des Einzelhandels, darunter auch Blumengeschäfte, Gärtnereien, Gartenmärkte und Baumschulen. Deren Warensortiment darf in den privilegierten Märkten und Einkaufszentren ohne Zugangsbeschränkungen an alle verkauft werden. Dies stellt nach Auffassung des OVG eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar.

(Beschl. vom 20.12.2021, Az. 2 B 278/21 und 2 B 280/21)

In Bayern dienen auch Bekleidungsgeschäfte der Deckung des täglichen Bedarfs

Bekleidungsgeschäfte fallen nicht unter die 2G-Regelung, obwohl sie nicht in der Corona-Verordnung als Ausnahme aufgeführt sind. Sie decken mit ihrem Sortiment aber auch den täglichen Bedarf. Ihre Bedeutung für die Allgemeinheit kann daher nicht hinter die von Schuhen, Büchern, Schnittblumen oder Gartengeräten zurücktreten. Denn der Bedarf an Kleidung kann täglich eintreten.

Mit dieser Entscheidung bliebt der VGH seiner Linie treu, die er vor Weihnachten mit der Entscheidung eingeschlagen hatte, dass auch Spielzeugläden den täglichen Bedarf decken, sodass in diesen ebenfalls 2G nicht anwendbar ist.

(Beschl. vom 29.12.2021, Az. 20 NE 21.3037)

Kontrollpflichten des Einzelhandels bei 2G nicht zu beanstanden

Die Kontrollpflichten des Einzelhandels zu 2G sind eine Maßnahme der Beschränkung i. S. von § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 IfSG, entschied das OVG Bautzen. Der Bundestag hat die epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 IfSG nicht über den 25. November 2021 hinaus verlängert. Nach § 28a Abs. 9 Satz 1 IfSG konnte § 28a Abs. 1 Nr. 2a und Nr. 14 IfSG noch als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da die Rechtsgrundlage der Kontrollpflicht (§ 8 Abs. 1 SächsCoronaNotVO) am 22. November 2021 und damit vor dem 25. November 2021 in Kraft getreten ist.

Bei der angeordneten Pflicht zur Kontrolle der Impf- oder Genesenennachweise durch den Betreiber handelt es sich auch um eine notwendige Schutzmaßnahme i. S. v. § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 IfSG.

(Beschl. vom 06.01.2022, Az. 3 B 454/21)

Bayern: 2G-Regel für Einzelhandelsgeschäfte außer Vollzug

Nach Auffassung des VGH München dürfte eine Zugangsbeschränkung für Betriebe des Einzelhandels im IfSG für geimpfte und genesene (2G) eine ausreichende gesetzliche Grundlage finden. Die Voraussetzungen hierfür sind auch grundsätzlich erfüllt.

Dennoch fand das Gericht ein Haar in der Suppe: Das IfSG gibt vor, dass sich die Reichweite von Ausnahmeregelungen wie für die Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs mit hinreichender Klarheit aus der Verordnung selbst ergeben muss und nicht auf die Ebene des Normenvollzugs und dessen gerichtliche Kontrolle verlagert werden darf. Insbesondere im Hinblick auf die ausdrücklich nicht abschließende Aufzählung von Ausnahmen und die uneinheitliche Behandlung von sogenannten Mischsortimentern lasse sich der Verordnung nicht mit hinreichender Gewissheit entnehmen, welche Ladengeschäfte von der Zugangsbeschränkung erfasst werden.

(Beschl. vom 19.01.2022, Az. 20 NE 21.3119)

Saarland: 2G für Einzelhandel außer Vollzug gesetzt

Auch im Saarland ist 2G im Einzelhandel bis auf Weiteres nicht mehr anzuwenden, urteilte das OVG Saarlouis. Nichtimmunisierten Personen war der Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften verwehrt. Ausgenomen waren Ladenlokale, deren Angebot der Deckung des täglichen Bedarfes dient.

Das Gericht hält die Ausnahmen für zu unbestimmt, denn diese werden durch eine nicht abschließende beispielhafte Aufzählung von Ladengeschäften und Einrichtungen konkretisiert. Nach welchen konkreten Kriterien sonstige nicht grundbedarfsdeckende Einzelhandelsbetriebe von der Ausnahmeregelung erfasst werden sollen, bleibt unklar. Denn weder aus dem Ausnahmekatalog noch aus der amtlichen Begründung ergeben sich einheitliche, objektivierbare Kriterien für den erweiterten Geltungsbereich der Regelung.

Außerdem ergeben sich weitere durchgreifende Bedenken im Hinblick auf 2G, weil der Verordnungstext selbst keine Regelung enthält, wie die Mischbetriebe einzuordnen sind. Die konkrete Einordnung obliegt den zuständigen Behörden. Dies führt, so das OVG, letztlich zu einer uneinheitlichen Vollzugspraxis.

(Beschl. vom 21.01.2021, Az. 2 B 295/21)

Kontrollpflichten in Berlin haben Bestand

Die Kontrollpflichten des Einzelhandels zum Umsetzen von 2G im Land Berlin sind rechtmäßig, entschied das VG Berlin. Der nichtprivilegierte Einzelhandel ist verpflichtet, beim Zutritt zu Verkaufsstellen zu prüfen, ob die Kunden immunisiert sind, Nachweise mit einem amtlichen Lichtbildausweis abzugleichen und Personen, welche 2G nicht einhalten, den Zutritt zu verweigern.

2G dient dem legitimen Ziel, das Infektionsgeschehen zu verlangsamen und damit die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zu reduzieren. Die dem Einzelhandel auferlegten Kontrollpflichten sind zur Förderung dieses Ziels geeignet, weil sie die auch dort bestehende Infektionsgefahr verringerten. Mildere, gleich geeignete Mittel stehen derzeit nicht zur Verfügung, denn Hygienemaßnahmen mindern zwar die Virusübertragung, reichen jedoch an das Ergebnis einer Kontaktvermeidung mit nicht immunisierten Personen nicht heran.

Auch stichprobenartige Kontrollen seien nicht gleich geeignet. Die Kontrollpflichten seien schließlich derzeit auch noch angemessen, auch wenn sie einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen. Den Nachteilen für die Ladeninhaber steht ein schwerwiegendes öffentliches Interesse gegenüber.

(Beschl. vom 24.01.2022, Az. 14 L 650/21)

Thüringen: 2G keine Ungleichbehandlung

In Thüringen ist die Unterscheidung zwischen geimpften und genesenen Personen einerseits und ungeimpften Personen andererseits rechtmäßig, entschied das OVG Weimar.

Auch wenn die vom Bundestag festgestellte epidemische Lage von nationaler Tragweite mittlerweile ausgelaufen ist, begründete das Gericht seinen Beschluss, ist weiterhin von einem hohen Gefährdungspotential der Pandemie auszugehen. Vor dem Hintergrund der Ausbreitung der Omikron-Variante kann nicht zweifelhaft werden, dass 2G legitime Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt.

Insofern ist die Entscheidung, die Kontaktmöglichkeiten im privaten und öffentlichen Bereich für ungeimpfte Personen enger zu fassen als für geimpfte und genesene Personen, verhältnismäßig. Die Maßnahmen tragen dem Umstand Rechnung, dass von den unterschiedlichen Gruppen hinsichtlich der Verbreitung des Virus verschiedene Gefährdungslagen ausgehen.

(Beschl. vom 13.01.2022, Az. 3 EN 764/21)

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)