Protestcamp: Sondernutzung oder Versammlung?
In einer hessischen Großstadt „besetzten“ Klimaschützer einen historischen Platz. Die Ordnungsbehörde untersagte dies mit dem Hinweis auf eine fehlende Sondernutzungserlaubnis und einen Beschluss städtischer Gremien, dass der Platz nicht zur Verfügung gestellt wird.
Aktion für den Klimaschutz
Klimaschützer besetzten nach einer vorherigen Ankündigung einen historischen Platz einer hessischen Großstadt. Ihr kommuniziertes Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Defizite hinzuweisen, die dazu führen, dass die Ziele des Klimaschutzgesetzes nicht erreicht werden. Es ist geplant, von einer Bühne aus Vorträge zu halten und Diskussionen zu führen. Das Camp sollte sich mit aufgestellten Photovoltaik-Modulen selbst mit Strom versorgen.
Dezentrale Orte als Alternative?
Die Ordnungsbehörde untersagte das Protestcamp mit der Begründung, dass sie den historische Platz gemäß einer städtischen Beschlusslage grundsätzlich nicht zur Verfügung stelle. Dabei vergaß die Stadt aber zu erwähnen, dass auf dem gleichen Platz der Zircus „Flic-Flac“ jährlich im Dezember gastiert. Das ruiniert die Rasenfläche derart gründlich , dass diese im Frühjahr neu eingesät werden muss.
In Telefonaten und Briefen schlug man den Organisatoren alternativ weniger zentrale Orte vor, z.B. einen nur schwach frequentierten Park am Rand der Stadt. Die Organisatoren des Protestcamps riefen das VG Kassel an.
Das VG Kassel musste entscheiden
Die Versammlungsfreiheit verbürge die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Dies ist bei dem innerörtlichen historischen und zentralen Platz der Fall. Verwaltungsinterne Absprachen oder Zuständigkeiten ändern daran nichts, belehrte das VG die Stadt. Ob und inwiefern der historische Platz nach entsprechender Beschlusslage der Stadt und ihren Fachämtern daher generell für Versammlungen zur Verfügung gestellt werden soll, ist demnach unerheblich. Das Verbot der Benutzung des Platzes ist auch deshalb rechtswidrig, so das Gericht weiter, weil mildere Maßnahmen in Gestalt von versammlungsrechtlichen Auflagen grundsätzlich möglich sind bzw. die Stadt diese nicht mit einer tragfähigen Begründung ausgeschlossen hat, entschied das VG (Beschl. vom 10.09.2021, Az. 6 L 1583/21.KS).
Ergebnis
Ähnlich wie schon zuvor das VG Oldenburg im Falle eines „Camps für Agrarwende 2021“ (Beschl. vom 08.07.2021, Az. 7 B 2527/21) gab das VG Kassel dem Antrag der Organisatoren des Camps auf Wiederherstellen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung statt. Ein Protestcamp ist keine Sondernutzung, sondern eine Versammlung und unterliegt damit der durch das Grundgesetz geschützten Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation bestehen.