08.12.2017

Polizeirecht kein Mittel zur dauerhaften Bekämpfung von Obdachlosigkeit

Obdachlose können ihre Unterbringung nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin wegen des Vorrangs des Sozialrechts nicht dauerhaft auf der Grundlage des Polizeirechts beanspruchen. Dies stellt das Verwaltungsgericht Berlin klar (Beschluss vom 18.10.2017, Az. VG 23 L 747.17).

Obdachlosigkeit Polizeirecht Berlin

Die Antragsteller, eine Familie mit vier minderjährigen Kindern, sind rumänische Staatsangehörige. Sie begehren ihre Unterbringung nach Maßgabe des Polizeirechts wegen ansonsten eintretender Obdachlosigkeit. Im April 2016 hatten sie vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine einstweilige Anordnung erwirkt, mit der das Bezirksamt Mitte von Berlin verpflichtet wurde, sie vorläufig für drei Monate in eine Obdachloseneinrichtung oder in eine sonstige Wohnung einzuweisen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sprach den Antragstellern im Mai 2016 Leistungen nach dem SGB II zu, die sie auch aktuell beziehen.

Im Eilbeschluss wies das Verwaltungsgericht das Klagebegehren ab.

Entscheidungsgründe

  • Der Eilantrag wird zurückgewiesen, weil der geltend gemachte polizeirechtliche Anspruch nicht mehr besteht.
  • Obdachlosigkeit stellt zwar eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, zu deren Abwendung die Ordnungsbehörden verpflichtet sein können. Allerdings sind ordnungspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit gegenüber dem Sozialrecht nachrangig.
  • Ein vorübergehender gefahrenabwehrrechtlicher Unterbringungsanspruch besteht daher nur in akuten Notlagen, wenn die drohende Obdachlosigkeit nicht mit Hilfe des Sozialleistungsträgers in zumutbarer Weise und Zeit behoben werden kann.
  • Hier ist die ordnungsbehördliche Unterbringung der Antragsteller inzwischen in ein Dauerwohnen „umgeschlagen“, das aber wegen des Vorrangs des Sozialrechts von der Obdachloseneinweisung nicht gedeckt ist.
  • Die Antragsteller hätten sich zwischenzeitlich zumutbarer Weise um die Anmietung einer Wohnung bemühen können, dies aber nicht getan. Eine Verlängerung dieses Zustands läuft aber dem Obdachlosenrecht wegen der vorübergehenden Natur des gefahrenabwehrrechtlichen Unterbringungsanspruchs zuwider.

Hinweis

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)