11.08.2023

Müssen Gullydeckel gegen Vandalismus gesichert werden?

Es kommt immer wieder vor, dass Gullydeckel in Schaufensterscheiben geworfen oder als Verkehrshindernisse auf die Straße gelegt werden. Ein Geschädigter, dessen Klage abgewiesen wurde, begründete seine Berufung mit dem Argument, Gullydeckel müssten vor Vandalismus gesichert werden (OLG Hamm, Hinweisbeschl. vom 26.10.2022, Az. 11 U 5/22).

Gullydeckel als Verkehrshindernis

Unbekannte hoben einen Gullydeckel aus der Fassung und legten ihn auf die Straße. Ein Autofahrer fuhr gegen den Gullydeckel. Von der Gemeinde verlangte er Schadensersatz für den dadurch entstandenen Schaden an seinem Fahrzeug.

Vorinstanz verneint Amtspflichtverletzung

Das LG lehnte einen Schadensersatzanspruch des Autofahrers wegen Amtspflichtverletzung gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit Art. 34 GG und dem Straßengesetz des Bundeslandes (hier: §§ 9, 9a, 47 NRWStrWG) ab.

Berufung stützt sich auf Verpflichtung zum Sichern von Gullydeckeln

Nach ständiger Rechtsprechung müssen zur Verkehrssicherung zwar die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die Verkehrssicherung umfasst jedoch nur jene Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten muss, um andere vor Schäden zu bewahren. Im praktischen Leben ist es nicht erreichbar, jede Schädigung auszuschließen. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.

Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so realisiert sich ein allgemeines Lebensrisiko. Der Geschädigte muss dann den Schaden selbst tragen.

Wann sind Sicherungsmaßnahmen erforderlich?

Sicherheitsvorkehrungen sind hingegen umso mehr erforderlich, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die Pflicht zu Sicherungsmaßnahmen auch solche Gefährdungen umfassen, die sich erst aus dem vorsätzlichen Eingreifen eines Dritten ergeben.

Daher müssen Schachtabdeckungen, die nicht versehentlich, sondern bewusst aus ihrer Auflage gelöst werden können, nur dann durch besondere Vorkehrungen gegen ein Abheben gesichert werden, wenn dies naheliegt, wenn deshalb für die Rechtsgüter anderer Personen eine konkrete erhebliche Gefahrenlage besteht und wenn dem Verkehrssicherungspflichtigen eine Beseitigung dieser Gefahrenlage durch zumutbare Maßnahmen möglich ist. Die von dem Inhaber einer solchen Anlage zu fordernden Vorkehrungen müssen nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlich tragbar sein.

War dies hier der Fall?

Es war zwar nicht völlig auszuschließen, lag aber auch nicht nahe, dass Dritte den Gullydeckel sinnlos und in straßenverkehrsgefährdender Weise auf der Straße ablegen. Der Gemeinde ist es insofern wirtschaftlich nicht zuzumuten, sämtliche Gullys und sonstigen Abdeckungen der im Gemeindegebiet befindlichen Kanalisationsschächte mit Schlössern oder sonstigen Sicherungsvorrichtungen zu versehen, um sie vor einem unbefugten Herausheben zu sichern.

Demgegenüber ist das Ausmaß der Gefährdung durch von Unbefugten abgehobenen Gullydeckeln aufgrund der Seltenheit derartiger Handlungsweisen in der Regel nicht als übermäßig groß anzusehen.

Ergebnis

Die Berufung mit dem Argument, dass es die Gemeinde versäumt habe, den Gullydeckel durch eine geeignete Vorrichtung gegen das Herausheben aus dem Sinkkasten zu sichern, war erfolglos.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)