14.03.2023

Besteht eine Verkehrssicherungspflicht für Schleichwege?

Eine Pflegekraft benutzte einen regennassen und verschmutzten Schleichweg und stürzte. Sie klagte auf Ersatz der Behandlungskosten sowie 20.000 Euro Schmerzensgeld (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.09.2022, Az. 17 W 17/22).

Verkehrssicherungspflicht Schleichwege

Sturz auf einem regennassen, verschmutzten steinigen Weg

Eine Pflegekraft stürzte auf einem steinigen und unbeleuchteten Weg, den sie als Abkürzung nutzte. Er war mit Blättern, Ästen und Moos bedeckt, regennass und schmierig. Bei dem Sturz hatte sie sich eine Scham-, Sitz- und Kreuzbeinfraktur zugezogen, die operativ versorgt werden musste.

Die gestürzte Pflegekraft klagte auf Ersatz der Behandlungskosten und Schmerzensgeld.

Inhalt der Verkehrssicherungspflicht

Das Oberlandesgericht zitierte zunächst die ständige Rechtsprechung des BGH:

„Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“

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Nicht jeder Gefahr muss begegnet werden

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass man nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnen kann, fuhr das Oberlandesgericht fort:

  • Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
  • Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden.
  • Es sind aber nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.
  • Es reicht aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.
  • Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch zu einem Schaden, so muss der Geschädigte den Schaden selbst tragen.

Wie ist dies bei „Schleichwegen“ zu bewerten?

Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise nur diejenigen Gefahren beseitigen, die für den Nutzer, der selbst die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind, mit denen dieser nicht rechnen muss und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Der Nutzer eines Zuwegs hat grundsätzlich dessen Zustand so hinzunehmen, in dem er sich erkennbar befindet, und sich den gegebenen Verhältnissen anzupassen.

Ergebnis

Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Grundstückseigentümers, einen untergeordneten Zuweg völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen von dem Weg ausgehenden Risiken für mögliche Nutzer zu halten. Kann ein Nutzer dieses Zuwegs bei zweckgerichteter Benutzung unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt etwaige Sturzgefahren selbst abwenden, bestehen für den Grundstückseigentümer keine weitergehenden Pflichten.

Das Oberlandesgericht wies folgerichtig die Klage ab.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)