11.08.2023

Ist ein Bettelverbot durch eine Allgemeinverfügung zulässig?

Eine Stadt in NRW war sich anscheinend nicht bewusst, wie eine abstrakte Gefahr von einer konkreten abzugrenzen ist. Das VG Düsseldorf grenzte die Begrifflichkeiten zutreffend ab (Beschl. vom 05.06.2023, Az. 18 L 896/23).

Bettelverbot durch eine Ordnungsbehördliche Verordnung

Um den mit dem aggressiven Betteln einhergehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu begegnen, erließ eine Stadt in NRW eine Allgemeinverfügung auf der Grundlage des VwVfG (hier: § 35 Satz 2 Var. 1 VwVfG NRW). Es besteht bereits eine „Ordnungsbehördliche Verordnung über die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf den Verkehrsflächen und Anlagen“ (OBV) der Stadt. Danach ist im gesamten Stadtgebiet das aggressive, bandenmäßige bzw. organisierte und verkehrsbehindernde Betteln ebenso untersagt wie das Betteln durch Kinder oder Jugendliche oder in Begleitung von Kindern oder Jugendlichen und unter Zuhilfenahme von Tieren.

Ein Betroffener erhob gegen die Allgemeinverfügung Widerspruch und stellte danach einen Antrag auf Widerherstellen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim VG Düsseldorf.

Abgrenzung Allgemeinverfügung und Ordnungsbehördliche Verordnung

Der Erlass einer Allgemeinverfügung setzt voraus, dass inhaltlich mit ihr einer Gefahr im Einzelfall, also einer konkreten Gefahr, begegnet werden soll, die einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis betrifft. Mit einer Ordnungsbehördlichen Verordnung nach dem Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetz des Bundeslandes (hier: § 14 Abs. 1 OBG NRW) wird demgegenüber inhaltlich eine abstrakt-generelle Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Gefahrenlagen und Personen getroffen.

Welche Rechtsform hätte gewählt werden müssen?

Entscheidend für das Beantworten der Frage, ob eine Allgemeinverfügung oder eine Ordnungsbehördliche Verordnung infrage kommt, ist somit, welche Art der Gefahr bekämpft werden soll: Besteht eine konkrete oder eine abstrakte Gefahr?

Zur Abgrenzung, so das VG, ist der Bezugspunkt der Gefahrenprognose maßgeblich.

  • Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.
  • Demgegenüber ist eine abstrakte Gefahr gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass ein bestimmter Handlungsablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führt. Dieser Gefahr ist mit einer Rechtsnorm zu begegnen, also einer Ordnungsbehördliche Verordnung.

Es bedarf jedoch einer in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose, d.h. es müssen hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen.

Ergebnis

  • Eine Regelung, die lediglich aus Anlass eines konkreten Sachverhalts zur Gefahrenabwehr getroffen wird und die eine unbestimmte Anzahl von künftigen Sachverhalten betrifft, ist eine Rechtsnorm, für die die Handlungsform der Ordnungsbehördlichen Verordnung vorgesehen ist.
  • Somit hätte das Verbot nicht als Allgemeinverfügung, sondern in der Rechtsform der Ordnungsbehördlichen Verordnung (hier: §§ 25 ff. OBG NRW) erlassen werden müssen.
  • Das VG hat daher ernstliche Zweifel, ob die gewählte Handlungsform der Allgemeinverfügung zutreffend gewählt wurde.

Das Gericht stellte daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung wieder her.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)