11.08.2023

In welchen Fällen ist die Hühnerhaltung ortsüblich?

Den Spruch „Kräht der Hahn auf dem Mist …“ fanden die Nachbarn eines Hühnerhalters überhaupt nicht lustig. Schon vor 6 Uhr riss der Hahn sie aus dem Schlaf. Das LG Mosbach, Urteil vom 31.05.2023, Az. 5 S 47/22, hatte zu entscheiden, ob das Krähen des Hahns ortsüblich und von den Nachbarn hinzunehmen ist.

Beschwerden über nächtliches Hahnenkrähen

Anwohner in einem ländlich geprägten Gebiet, das als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist, beklagten sich über das Krähen eines Hahns, vor allem in den Morgenstunden vor 6:00 Uhr. Der Halter des Hahns konnte darin keine Beeinträchtigung des Wohlbefindens seiner Nachbarn erkennen. Die Anwohner beschritten den Klageweg.

Ein Sachverständiger stellte fest, dass in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr vor dem Kinderzimmerfenster der Anwohner ein Maximalpegel von 65 dB (A) und vor der Balkontür zum Schlafzimmer ein Pegel von maximal 64 dB (A) erreicht wird.

Hahnenkrähen löst gesundheitliche Gefahren aus

Das Hahnenkrähen, entschied das LG, ist von kurzzeitigen Impulsen mit hoher Frequenz gekennzeichnet, die im Vergleich zu Dauergeräuschen als wesentlich lästiger empfunden werden. Regelmäßig sind dauerhafte Lärmstörungen durch häufiges nächtliches Hahnenkrähen geeignet, bei den Betroffenen unmittelbar gesundheitliche Gefahren wie Schlafstörungen herbeizuführen, da sich durch das periodische Krähen des Hahns bei dem Gestörten eine Erwartungshaltung (ein Erwartungseffekt) einstellt.

Was ist eine wesentliche Beeinträchtigung?

Eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung eines Grundstücks liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des BImSchG erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

Ergebnis

  • In der Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr darf durch Hahnenkrähen in einem allgemeinen Wohngebiet auch in ländlich geprägten Gebieten der nach TA-Lärm für Geräuschspitzen zulässige Maximalpegel von 60 dB (A) nicht überschritten werden; ein darüber liegender Geräuschpegel stellt nachts für benachbarte Grundstücke eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB dar.
  • Überschreiten die Geräusche den von der TA-Lärm vorgegebenen Maximalgeräuschpegel, so ist es für den Störer wirtschaftlich zumutbar (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB), einen Betrag von 3.000 bis 4.000 Euro zur Beseitigung der unzulässigen Lärmemissionen, die von seinem Grundstück ausgehen, aufzuwenden; dies gilt auch in ländlich geprägten Gebieten und bei einer hobbymäßigen Hühnerzucht mit einem oder mehreren Hähnen.
  • Sind die Schallschutzmaßnahmen zum Verhindern der durch Hühner- und Hahnhaltung verursachten wesentlichen Lärmbelästigungen der Nachbarn für den Störer i.S. von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB wirtschaftlich zumutbar, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Hühnerhaltung in dem betroffenen Wohngebiet ortsüblich ist.

Das Gericht verurteilte den Hühnerhalter, es zu unterlassen, auf seinem Grundstück Geflügel in der Weise zu halten, dass durch Hahnenkrähen im Zeitraum von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr ein Lärmpegel von maximal 60 dB (A) überschritten wird.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)