27.07.2022

Lkw verstoßen gegen Durchfahrtsverbot: Unterlassungsanspruch?

Werden Lkw-Durchfahrtsverbote für bestimmte Straßen zur Reduzierung der die dortigen Anlieger beeinträchtigenden Schadstoffkonzentrationen angeordnet, oder allgemein, um die Luftqualität zu verbessern und der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entgegenzuwirken (BGH, Urteil vom 14.06.2022, Az. VI ZR 110/21)?

Lkw Durchfahrtsverbot Unterlassungsanspruch

Anwohner klagen gegen Spedition

Die Eigentümer von Grundstücken, die innerhalb einer Durchfahrtsverbotszone für Lkw aufgrund eines Luftreinhalteplans liegen, wehrten sich dagegen, dass eine Spedition mehrmals täglich gegen das Durchfahrtsverbot verstößt und die Lkw die betreffenden Straßen befahren. Sie verklagten die Spedition auf Unterlassung des Befahrens der Straße und beriefen sich auf die mit der Feinstaub- und Stickoxidbelastung verbundene Gesundheitsgefährdung.

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Der BGH entschied

Unterlassungsbegehren und Gesundheitsverletzung

Das Unterlassungsbegehren lässt sich nicht auf § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund einer Gesundheitsverletzung stützen.

Der Spedition ist keine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung der Grundstücke der Anwohner i. S. des § 906 BGB zuzurechnen. Damit scheidet ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 906 BGB aus.

Rechtsnorm i. S. des § 823 Abs. 2 BGB

Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen.

Dafür komme es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat.

Lkw-Durchfahrtsverbot für gesamtes Stadtgebiet angeordnet

Das Lkw-Durchfahrtsverbot wird nicht für bestimmte Straßen zur Reduzierung der die dortigen Anlieger beeinträchtigenden Schadstoffkonzentrationen angeordnet, sondern grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet, um allgemein die Luftqualität zu verbessern und der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entgegenzuwirken. Die Anwohner sind insoweit nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt.

Kein Schutzgesetz zugunsten der einzelnen Anwohner

Das auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG in Verbindung mit dem Luftreinehalteplan angeordnete Durchfahrtsverbot ist kein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der einzelnen Anwohner innerhalb der Durchfahrtsverbotszone.

Ein Unterlassungsanspruch analog § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB steht wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes den Nachbarn auch bei einem unterstellten Verstoß von Mitarbeitern der Spedition gegen das Lkw-Durchfahrtsverbot nicht zu.

Ergebnis

Anwohnern steht kein Unterlassungsanspruch bei Verstößen gegen das nach einem Luftreinhalteplan angeordnete Lkw-Durchfahrtsverbot zu. Die Klage wurde abgewiesen.

Hinweis

Wir empfehlen, die Durchfahrtsverbote mit Mitteln des Ordnungsrechts durchzusetzen, wenn sie nicht befolgt werden. Es ist nicht vermittelbar, dass die Ordnungsbehörden den bekannten Rechtsverstößen tatenlos zusehen.

Das Urteil können Sie hier nachlesen.

>>> Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch „Anlieger frei bedeutet Bußgeld für Durchgangsverkehr“

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)