25.07.2016

Wann kann eine Geeignetheitsbestätigung widerrufen werden?

Ein Gewerbeamt erteilte eine offensichtlich rechtswidrige Geeignetheitsbestätigung. Nach Jahren kamen dem Gewerbeamt Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Gegen den Widerruf der Geeignetheitsbestätigung rief dessen Adressat das OVG Münster an (Beschl. vom 31.05.2016, Az. 4 B 1360/15).

Einarmige Banditen in einer Spielhalle

Das zuständige Gewerbeamt einer Gemeinde erteilte auf Antrag eine Geeignetheitsbestätigung zum Aufstellen von Geldspielgeräten in einem Stehcafé. Direkt neben dem Stehcafé befand sich eine Spielhalle. Erst einige Jahre nach dem Erteilen der Geeignetheitsbestätigung kamen dem Gewerbeamt aufgrund einer Kontrolle des Stehcafés am 09.06.2015 Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Im Stehcafé mit einer Fläche von 13 m2 waren drei Geldspielgeräte mit dazugehörigen Sesseln aufgestellt. Im Café gab es keine Bedienung und keine weiteren Sitzgelegenheiten. Gäste der Spielhalle wurden durch eine Luke mit Speisen und Getränken versorgt. Die Automatenspieler im Stehcafé erhielten kostenlos Getränke.

Das Gewerbeamt ging davon aus, dass in dem Stehcafé das Glücksspielangebot im Vordergrund steht, und widerrief die Geeignetheitsbestätigung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Entscheidungsgründe

  • Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV dürfen Geldspielgeräte u.a. in Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, aufgestellt werden.
  • Ein Gaststättenbetrieb im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann gegeben, wenn die gewerblichen Räume durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt sind und nicht überwiegend einem anderen Zweck dienen.

Regelungen des § 1 SpielV

  • Die Regelungen des § 1 SpielV dienen der Eindämmung der Betätigung des Spieltriebs, dem Schutz der Allgemeinheit und der Spieler sowie dem Interesse des Jugendschutzes.
  • Das Stehcafé würde bei einem Fortbestand der Geeignetheitsbestätigung weiterhin in erster Linie zur Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses aufgesucht, ohne dass die hierfür erforderlichen Zulässigkeitsanforderungen nach der SpielV erfüllt werden. Dies ist angesichts des vorgenannten Schutzzwecks nicht hinnehmbar.
  • Mit Blick darauf hat das Gewerbeamt zutreffend angenommen, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Aufstellung von Geldspielgeräten einschlägigen Bestimmungen das Vertrauen der Antragstellerin in den Fortbestand des rechtswidrigen Zustands überwiege.

Schank- und Speiseangebot steht nicht im Vordergrund

  • Entscheidend ist, dass im Café nicht das Schank- und Speiseangebot im Vordergrund steht und dass es im Übrigen auch nicht „cafétypisch“ ist, dass Cafébesucher von der Aufsicht einer Spielhalle bedient werden, die (erst) über eine Videoüberwachung auf ihre Wünsche aufmerksam wird und servierte Getränke nicht berechnet, wenn an in den Räumlichkeiten aufgestellten Spielautomaten gespielt wird.
  • Mithin kommt es nicht darauf an, ob eine gemeinsame Beaufsichtigung der (benachbarten) Spielhalle und des Cafés aufgrund entsprechender Videoüberwachungen „unproblematisch“ und „zulässig“ ist.

Rechtsirrtum erst mit Kenntnis des Rechtsfehlers

  • Fraglich ist aber, ob der Widerruf innerhalb der Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ausgesprochen wurde. Dem Gewerbeamt waren die tatsächlichen Verhältnisse im Stehcafé aufgrund der in den Jahren 2005 bis 2007 sowie am 18.12.2013 und 09.06.2015 durchgeführten Kontrollen bekannt. Diese wiesen eindeutig darauf hin, dass der Raum des Stehcafés nicht durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt war.
  • Bis zum 09.06.2015 befand sich das Gewerbeamt in einem Rechtsirrtum. Erst ab diesem Zeitpunkt war sich das Gewerbeamt über die ihm zustehende Aufhebungsbefugnis im Klaren.
  • Mit Blick darauf, dass auch bei einem vollständig ermittelten Sachverhalt die Jahresfrist im Fall eines Rechtsirrtums erst mit Kenntnis des Rechtsfehlers zu laufen beginnt, kann sich der Betreiber des Stehcafés nicht darauf berufen, dass sich die zugrunde liegenden Tatsachen seit 2004 nicht geändert hätten und das Gewerbeamt (auch) die Gaststätte seit deren Konzessionierung regelmäßig überprüft habe.

Ergebnis

Die Geeignetheitsbestätigung wurde rechtmäßig widerrufen.

Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis

Wer arbeitet, macht Fehler. Sollten Sie in ihren Akten auf einen vergleichbaren Fall stoßen, dokumentieren Sie klar und nachvollziehbar, warum Sie sich in einem Rechtsirrtum befunden haben. Dieser Aktenvermerk rettet Ihnen vor Gericht die Jahresfrist für den Widerruf der vorhergehenden Entscheidung.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)