09.01.2023

Urteile zu Corona-Regeln in Bayern und Sachsen

Das Team „Vorsicht“ musste vor dem obersten Verwaltungsgericht der Republik eine herbe Niederlage einstecken, weil die Ausgangssperre im Jahr 2020 nicht verhältnismäßig war. Dagegen sah das BVerwG die Kontaktverbote und das Schließen von Gaststätten in Sachsen als rechtmäßig an (Urteil vom 22.11.2022, Az. 3 CN 1.21 und 3 CN 2.21).

Corona-Regeln Bayern Sachsen

Ausgangssperre in Bayern im Jahr 2020 nicht gerechtfertigt

Die Bayerische Landesregierung untersagte mit der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom März 2020 das Verlassen der eigenen Wohnung. Nur im Fall triftiger Gründe wie insbesondere Sport und Bewegung an der frischen Luft ausschließlich allein oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung, war dies erlaubt. Der VGH München hatte festgestellt, dass diese Regelungen unwirksam waren und damit einem Normenkontrollantrag von zwei Privatpersonen stattgegeben.

Das BVerwG hat nun die Revision des Freistaats Bayern zurückgewiesen und entschieden:

Mildere Beschränkungen

Erforderlich ist eine Maßnahme nur dann, wenn kein gleich wirksames, die Grundrechtsträger weniger belastendes Mittel zum Erreichen eines Ziels zur Verfügung steht. Milder sind Beschränkungen des Kontakts im öffentlichen und privaten Raum, die das Verweilen im Freien allein oder ausschließlich mit Angehörigen des eigenen Hausstandes nicht untersagen. Dies hätte die Adressaten weniger belastet als die Ausgangsbeschränkung, welche zwar das Verlassen der Wohnung für Sport und Bewegung erlaubt hat, aber nicht ein bloßes Verweilen an der frischen Luft, um z. B. auf einer Parkbank ein Buch zu lesen.

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Kontakte zu anderen Menschen

Das Beschränken des Ausgangs ohne Kontakt zu Personen anderer Haushalte setzt auch voraus, dass sie einen relevanten Beitrag leisten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Das Ziel des Freistaates, physische Kontakte zu Menschen außerhalb des eigenen Hausstandes auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren, konnte durch die Ausgangsbeschränkung nicht vollständig erreicht werden, weil bei dem Vorliegen triftiger Gründe das Verlassen der eigenen Wohnung erlaubt war, sodass es zu Kontakten zu anderen Menschen kam.

Erheblicher Beitrag zum Erreichen des Ziels nicht dargelegt

Zudem konnte der Freistaat nicht plausibel darlegen, dass dieser schwere Eingriff in die Grundrechte der Adressaten einen erheblichen Beitrag zum Erreichen des Ziels leisten konnte, physische Kontakte zu reduzieren und dadurch die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern.

Kontaktbeschränkungen Sachsens waren verhältnismäßig

Auf dem Prüfstand des BVerwG standen auch die Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom April 2020 über die Kontaktbeschränkung für den Aufenthalt im öffentlichen Raum, die Untersagung von Gastronomiebetrieben und die Schließung von Sportstätten einschließlich Golfplätzen.

Diese Eingriffe in die Grundrechte waren dagegen rechtmäßig, weil sie im IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hatten und auch verhältnismäßig waren. Darüber hinaus nahm das Gericht auch zu der Frage Stellung, ob die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a.F. eine tragfähige Grundlage für Eingriffe in die Grundrechte sein kann:

Generalklausel im Infektionsschutzrecht sachgerecht

Der Grad der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit hängt u. a. von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs ab. Im Infektionsschutzrecht ist eine Generalklausel, wie sie § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a.F. enthält, sachgerecht. Der Gesetzgeber kann nicht voraussehen, welche übertragbaren Krankheiten neu auftreten und welche Schutzmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung erforderlich sein werden.

Hat sich der Erkenntnisstand in Bezug auf einen neuen Krankheitserreger verbessert und haben sich geeignete Parameter herausgebildet, um die Gefahrenlage zu beschreiben und zu bewerten, kann der allerdings gehalten sein, für die jeweilige Krankheit zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Dies war im Zeitraum von Mitte April bis Anfang Mai 2020 hinsichtlich COVID-19 noch nicht der Fall.

Gefährdungsanalyse auf Risikobewertung des RKI gestützt

Das Ziel der Verordnung, physische Kontakte zu vermeiden, um die Ausbreitung des Virus und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen, stand im Einklang mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung. Die Annahme des Freistaates, dass dieses Ziel ohne die erlassenen Ge- und Verbote gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, beruhte auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. Das Land konnte sich für seine Gefährdungsanalyse insbesondere auf die Risikobewertung des RKI stützen.

Ge- und Verbote geeignet und erforderlich

Die Ge- und Verbote der SächsCoronaSchVO waren für den Schutz der Bevölkerung geeignet und auch erforderlich. Gleich wirksame, aber weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreifenden Maßnahmen standen nicht zur Verfügung.

Gastronomie und Golfplätze

Gleich wirksame, aber weniger belastende Mittel wie Kontaktbeschränkungen waren nicht ersichtlich.

In gastronomische Einrichtungen bestand wegen der besonderen Nähe und fehlender Ausweichmöglichkeiten von Gästen und Personal ein besonders hohes Ansteckungsrisiko durch eine Tröpfcheninfektion. Zudem ist besonders in Szene-Vierteln die Gefahr von größeren Menschenansammlungen groß. Es ist plausibel, dass selbst ein anspruchsvolles Hygienekonzept nicht so wirksam war wie das Schließen der Gaststätten.

Auf Golfplätzen gab es auch Bereiche, die von einer Vielzahl von Spielern aufgesucht wurden und in denen die Gefahr einer Ansteckung bestand.

Kontaktbeschränkungen und Schließen von Gaststätten verhältnismäßig

Der mit den Maßnahmen verfolgte Zweck und die zu erwartende Erreichung des Zwecks stand weder bezogen auf die einzelnen Maßnahmen noch insgesamt außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs.

Das Beschränken der Kontakte im öffentlichen Raum sowie das Schließen von Gaststätten war somit auch verhältnismäßig im engeren Sinn.

 

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)