16.04.2018

Ist die Angabe einer nicht existierenden Person als Fahrer strafbar?

Ist es nach § 164 Abs. 2 StGB strafbar, einen Dritten im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu veranlassen, eine nicht existierende Person als verantwortlichen Fahrer anzugeben? Zu dieser Frage musste das OLG Stuttgart eine Entscheidung treffen (Urteil vom 20.02.2018, Az. 4 Rv 25 Ss 982/17).

Autofahrer nicht existierende Person Bußgeldverfahren

Nicht existierende Person übernimmt Punkte und Fahrverbot

Ein Autofahrer war im Juni 2015 auf der B 27 in Richtung Tübingen sehr schnell unterwegs. Es wurde ihm vorgeworfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 58 km/h überschritten zu haben. Um die Regelgeldbuße von 480 Euro und das Regelfahrverbot von einem Monat abzuwenden, wandte sich der Autofahrer an eine unbekannt gebliebene Person, die auf einer Internetseite damit warb, gegen eine Geldzahlung Punkte und Fahrverbote zu übernehmen. Der Unbekannte füllte das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde für den Beschuldigten aus, gab den Verstoß zu und erklärte, er sei der verantwortliche Fahrer. Dabei gab der Unbekannte den Namen einer tatsächlich nicht existierenden Person unter einer Karlsruher Adresse an.

Verkehrsordnungswidrigkeit verjährt

Aufgrund dieser Erklärung erließ die Bußgeldbehörde gegen die nicht existierende Person einen Bußgeldbescheid und stellte zugleich das Verfahren gegen den Autofahrer ein. Als die Behörde erfuhr, dass die angegebene Person tatsächlich nicht existiert, war die Verkehrsordnungswidrigkeit bereits verjährt. Der Autofahrer konnte wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit nicht mehr belangt werden.

Das Amtsgericht Reutlingen verurteilte ihn wegen falscher Verdächtigung. Das Landgericht Tübingen sprach ihn in der Berufungsinstanz aus rechtlichen Gründen frei. Die Staatsanwaltschaft ging gegen den Freispruch in Revision.

Entscheidungsgründe

§ 164 Abs. 1 StGB

Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 164 Abs. 1 StGB).

§ 164 Abs. 2 StGB

Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen (§ 164 Abs. 2 StGB).

„Anderer“ muss tatsächlich existierende Person sein

Die Auslegung der Vorschrift ergibt nach Wortsinn, Systematik und Zweck des Gesetzes, dass „ein anderer“ eine tatsächlich existierende Person sein muss. Auch die historische Auslegung der Norm bestätigt, dass der Gesetzgeber in § 164 StGB nur die falsche Verdächtigung einer bestimmten existierenden Person unter Strafe stellen wollte. Gerade deswegen sei § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) als eine bewusste Reaktion des Normgebers auf die „Strafbarkeitslücke“ des § 164 StGB ausdrücklich auch in Bezug auf das Verdächtigen einer nicht existenten oder nicht bestimmbaren Person geschaffen worden. Aber eben nur hinsichtlich einer Straftat und nicht wie hier bezüglich einer Ordnungswidrigkeit.

Keine anderen Straftatbestände

Es seien auch keine anderen Straftatbestände verwirklicht, fuhr das OLG fort. Es liegt weder eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB vor noch eine Beteiligung an einem Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 2 StGB) oder an einer Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB).

Kein versuchte Falschbekundung

Das Herbeiführen einer falschen Eintragung der Ordnungswidrigkeit in das Fahreignungsregister erfüllt auch nicht den Tatbestand versuchter mittelbarer Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 StGB, denn das Register ist kein öffentliches Register im Sinne der Norm.

Kein Belangen wegen falscher Namensgebung

Der Autofahrer kann auch nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit der Beteiligung an einer vorsätzlichen falschen Namensangabe nach §§ 111 Abs. 1, 14 OWiG belangt werden.

Verfolgungsverjährung

Schließlich beendete das OLG seine juristischen Prüfungen mit der Feststellung, dass das von Amts wegen auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG eingetreten ist.

Ergebnis

Der Autofahrer wurde freigesprochen.

Das Urteil ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Stuttgart&Datum=20.02.2018&Aktenzeichen=4%20Rv%2025%20Ss%20982%2F17

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)