28.05.2020

4. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Bayern bleibt im Vollzug

Mehrere Antragsteller forderten den Bayerischen Verfassungsgerichtshof auf, die 4. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Freistaates außer Kraft zu setzen. Das Gericht wertete den Schutz des Lebens aber höher als die Freiheitsrechte und lehnte die Anträge ab.

Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Bayern

Verletzung von Grundrechten gerügt

Die Antragsteller begründeten ihre Verfassungsbeschwerde mit dem Argument, die Verordnung sei bereits aus formellen Gründen insgesamt verfassungswidrig. Aber auch inhaltlich verletzten die angeordneten Maßnahmen zahlreiche Grundrechte der Bayerischen Verfassung.

Strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit

Mit der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sowie deren Änderungen hat der Verordnungsgeber die bisherigen Eindämmungsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 fortgeführt und bereichsweise weiter – nicht unerheblich – gelockert. Es ist wie bisher jedenfalls nicht offensichtlich, dass der Verordnungsgeber seine verfassungsrechtliche Pflicht zur strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei Fortschreibung der – immer noch gravierenden – Grundrechtseingriffe verletzt hat (vgl. auch BVerfG vom 13.5.2020, Az. 1 BvR 102/20). Das Infektionsgeschehen in Bayern hat sich nicht in einer Weise verbessert, dass nunmehr weitergehende Lockerungen oder gar das vollständige Absehen von Eindämmungsmaßnahmen offenkundig zwingend erforderlich wären.

Güterabwägung

Die fortgeschriebenen und inzwischen – jedenfalls in Teilbereichen – zunehmend gelockerten Grundrechtsbeschränkungen müssen trotz ihrer andauernden erheblich nachteiligen Folgen insbesondere persönlicher, wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Art gegenüber der fortbestehenden Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen bei einer Überforderung der personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems zurücktreten.

Ergebnis

Der Verfassungsgerichtshof konnte keine Gründe zuerkennen, die im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen und eine vollständige oder teilweise Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen rechtfertigen. Die Verfassungsbeschwerden wurden abgewiesen.

Aktueller Hinweis

Wie der Deutsche Richterbund mitteilt, sind bei den deutschen Verfassungs- und Verwaltungsgerichten seit Beginn der Einschränkungen durch Allgemeinverfügungen und Verordnungen wegen der Corona Pandemie rund 1.000 Eilanträge eingegangen. Die Gerichtsverfahren betreffen etwa die Maskenpflicht, Versammlungsverbote, Reisebeschränkungen, Auflagen für Gottesdienste oder Regelungen zum Schließen von Verkaufsstellen, Spielhallen, Campingplätzen, Tattoo-, Nagel- und Fitnessstudios u.v.m sowie die anschließenden teilweisen Geschäftsöffnungen. Die Flut von Klagen stellt nicht nur die Gerichte vor großer Herausforderungen, sondern auch die Redaktion.

Wir haben hierzu rund 100 veröffentlichte Gerichtsentscheidungen ausgewertet. Aus der Fülle der Gerichtsentscheidungen haben wir für die Veröffentlichung nur wenige heraussuchen können.

Weitere Informationen (Rechtsgrundlagen und Fallbeispiele) zum Thema Corona, die stetig erweitert werden, finden Sie im Produkt Gewerbeamtspraxis von A-Z online.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)