01.12.2021

Vulcan erhält Großbestellungen für Lithium vom Oberrhein

Die Förderung von Lithium z.B. richtet großen Umweltschaden in Übersee an. Das Metall wird u.a. benötigt für Autobatterien. Stellantis will seine nicht mehr mit Lithium aus Südamerika befüllen. Wie schon LGES will er es von Energielieferant Vulcan Energie beziehen – vom Oberrhein.

Lithium vom Oberrhein

Lithium aus Deutschland

Der Autohersteller Stellantis, eigenen Angaben zufolge der viertgrößte mit 14 Marken, darunter Opel, hat eine Großbestellung Lithium beim deutschen Tochterunternehmen von Vulcan Energy aufgegeben. Das Besondere: das Lithium kommt aus Deutschland. Vulcan Energie mit Sitz in Karlsruhe will den Rohstoff:

  • aus Thermalwasser im Oberrheingraben gewinnen,
  • darin enthaltenes Lithiumhydroxid herausfiltern und aufarbeiten.

Nutzung der Wärme der Geothermie-Sole ermöglich dabei eine CO2-neutral Lithium-Förderung. Den Aufbau der Produktion will das Unternehmen jetzt energisch vorantreiben. Der Produzent von CO2-freiem Lithium, Vulcan Energie Ressourcen, gründet hierfür eigens die Bohrgesellschaft Vercana GmbH mit rund 30 Mitarbeitern und einem Hauptsitz in Karlsruhe. Das Unternehmen sichere sich Bohrkapazitäten zur Durchführung eigener Projekte mit dem Kauf von zwei Tiefbohranlagen. Die beiden Tiefbohranlagen wurden vorher von den Traditionsunternehmen Wintershall Dea Deutschland GmbH und ITAG Tiefbohr GmbH jahrzehntelang betrieben, später durch die Aftermarket Drilling Service ITAG GmbH. Ab 2022 werden beide Anlagen überarbeitet, um für mindestens weitere zehn Jahre zum Einsatz im Oberrheingraben zu kommen.

Lithium für Opel, Renault, Peugeot, Citroën

Ein entsprechender Abnahmevertrag haben die Unternehmen jetzt unterzeichnet. Vulcan Energy soll demnach ab 2026 jährlich zwischen 81.000 und 99.000 Tonnen Lithiumhydroxid in Batteriequalität liefern. Wie Vulcan mitteilt, erweitere man damit zusätzlich zu Renault, LG Chem und Umicore seinen Kundenstamm und den Zugang zu europäischen Lithium-Quellen.

Stellantis ist im Januar aus einer Fusion des italienisch-amerikanischen Automobilherstellers Fiat Chrysler und der französischen PSA (Peugeot, Citroën) entstanden. Den Angaben zufolge plant das Unternehmen bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro in die Elektrifizierung seiner Fahrzeuge zu stecken. Der Konzern stützt sich in seiner Strategie vor allem auf fünf Batteriewerke in Europa und Nordamerika. Allein in Europa investiere Stellantis Milliarden in Gigafactories in Kaiserslautern und Italien.

Probleme mit der Genehmigung

Dabei stehen allerdings noch einige Hürden im Wege. Vulcan Energy hatte angekündigt, den Genehmigungsprozess vorerst auszusetzen. Grund seien Bedenken der Bevölkerung über mögliche, durch die Bohrungen ausgelöste Erdbeben und die Sicherheit der Trinkwasserversorgung. Bislang wurden noch keine Preise vereinbart. In der Mitteilung heißt es „die Preise richten sich nach dem Marktpreis auf Take-or-Pay-Basis“. Renault ist nach dem Opel-Mutterkonzern der zweite Autobauer, der auf Vulcan Energy setzt. Auch der koreanische Batteriehersteller LG Chem und der belgische Recycling-Spezialist Umicore gehören zu den künftigen Kunden.

„Die Dekarbonisierung der automobilen Lieferkette ist einer der wichtigsten Hebel für den Erfolg der Elektromobilität!“, kommentiert Horst Kreuter, Geschäftsführer von Vulcan.
Wichtig sei, kurze Transportwege bei- und so den Klimavorteil hochzuhalten. Mit der angestrebten Batterieproduktion in Europa bleibe das Lithium in der Region und kräftigt unseren Wirtschaftsraum. „Das war uns wichtig“, zitiert „Technik Einkauf“ Kreuter.

Deutsches Lithium für koreanische Batterien

Der südkoreanische Batteriehersteller LG Energy Solutions (LGES) bezieht laut einem Bericht von „Technik Einkauf“ ebenfalls Lithium von Vulcan Energie. Der Abnahmevertrag für Lithiumhydroxid läuft ab 2025. LGES gehört demnach zu den größten Herstellern von Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge. Seit 2020 hat der koreanische Chemieriese LG Chem das Unternehmen als vollständige Tochterfirma ausgegründet. Mit der Kooperation wollen beide Unternehmen nach eigenen Angaben die Unabhängigkeit und Wirtschaftskraft der europäischen Batterieindustrie stärken. Auch soll die Lieferkette in der Automobilindustrie auf diese Weise weiter kohlenstoffneutral werden.

Pilotanlange in Rheinland-Pfalz

Hier sei die erste Pilotanlange in Rheinland-Pfalz in Betrieb. Ab 2025 sollen insgesamt fünf Anlagen jährlich rund 40.000 Tonnen Lithium fördern. „Technik Einkauf“ schätzt, dass damit ein jährliches Produktionsvolumen von einer Million E-Autos erreichbar sei. Die Vereinbarung hat eine anfängliche Laufzeit von fünf Jahren mit der Option auf weitere fünf Jahre. Der Beginn der kommerziellen Lieferung ist für 2025 vorgesehen. LGES soll im ersten Jahr 5.000 Tonnen aufbereitetes Lithiumhydroxid in Batteriequalität abnehmen und ab dem zweiten Jahr der Vertragslaufzeit auf 10.000 Tonnen pro Jahr aufstocken.

Öko-Ballast-Rucksack herkömmlicher Lithium-Batterien

E-Autos mit herkömmlichen Batterien schleppen einen nicht geringen Rucksack der Umweltbelastung mit sich herum:

  • Die Ökobilanz der Batterieproduktion gilt als ihre Kehrseite. Das fanden 2017 schwedischen Wissenschaftler heraus. Die Produktion der Akkus erzeuge im Schnitt 150 bis 200 Kilogramm Kohlenstoffdioxid-Äquivalente pro Kilowattstunde Batteriekapazität, 2019 korrigiert auf 61 bis 106 kg.
  • Zudem kommt das für die Herstellung von Batterien notwendige Lithium in der Regel von weither nach Deutschland aus Ländern am anderen Ende der Welt wie:
    • Australien
    • Bolivien: aus dem Salzsee Salar de Uyuni mit geschätzt 5,4 Millionen Tonnen Lithium
    • Chile mit allein 2016 knapp drei Viertel der weltweiten Lithium-Fördermenge
    • China, wo meistens die Lithium-Ionen-Akku hergestellt werden
    • Argentinien
    • Afghanistan

Lithium aus Europa

Doch das könnte sich bald ändern. So will die Europäische Union eine eigene Batterieproduktion aufbauen. Zudem könnte schon bald Lithium in Europa selbst in großem Stil gefördert werden, wie in:

  • Frankreich
  • Großbritannien
  • Italien
  • Deutschland

Eine Reihe von Energieunternehmen soll daran beteiligt sein, darunter der baden-württembergische Konzern EnBW. Der Bundesverband Geothermie (BVG) berichtet von dem US-Start-up „Simbol Materials“. Es will eine Lithiumquelle nutzen, die an vielen Orten zur Verfügung steht: geothermische Kraftwerke. „Das ist eine enorme Chance, saubere erneuerbare Energie und zugleich auf nachhaltige Weise einen wichtigen Rohstoff zu gewinnen“, zitiert der BVG Simbol-CEO Luka Erceg. Er hält Förderkosten von 1500 Dollar pro Tonne für möglich – zu diesem Preis produziere der billigste chilenische Förderer derzeit. Den Anfang wolle Simbol Materials in einer 50-Megawatt-Anlage im  kalifornischen Imperial Valley machen.

Deutsches Lithium leert den Öko-Rucksack für das E-Auto

In Deutschland kommen zur Gewinnung von geothermalem Litium laut BVG besonders in Betracht:

  • der Oberrheingraben (ORG),
  • untergeordnet das norddeutsche Becken (NDB).

Im ORG sind im Thermalwasser laut BVG etwa 130 g l-1 Salze gelöst mit bis zu 120 bis 220 ppm (mg l-1) Lithium. Bei einer Förderung von 80 l s-1 Thermalwasser (1 Dublette) ließen sich demnach bei vollständiger Entziehung des Lithium mit einem Ionenaustauscher aus dem Thermalwasser in jeder geothermischen Dublette bis zu etwa eine Tonne Lithium am Tag oder 360 t pro Jahr gewinnen.

Als realistischer stuft der BVG allerdings eine Ausbeute von 80- bis 85 Prozent ein. Aus einer Dublette im ORG wären bis zu 2.000 t LCE pro Jahr gewinnbar. Abschätzungen in einem 15×15 km großen Gebiet im Oberrheingrabens hätten für den Buntsandstein-Aquifer mit einer Million Tonnen Lithium-Karbonat-Äquivalent (LCE) und Muschelkalk-Aquifer mit 1,5 Millionen LCE eine Lithium-Metall-Menge von 200.000 bis 300.000 Tonnen, je nach Parametervariation für Porosität und Mächtigkeit, ergeben.

Das aus einer einzigen geothermischen Dublette gewinnbare Lithium würde laut BVG zur Produktion von 20.000 Autobatterien pro Jahr ausreichen. Was bis 2020 fehlte, war eine industriell erprobte Technologie, um Lithium oder Li-Salze aus dem Thermalwasserstrom zu extrahieren. Man darf gespannt sein, wie schnell es Vulcan Energie gelingen wird, in Zusammenarbeit mit den Behörden und den Menschen vor Ort diese Lücke zu schließen. Fünf Jahre vergehen heute schneller als bisher angenommen.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)