12.07.2023

LNG durch Wilhelmshavener Pipeline bis 2043

Der Transport von Erdgas ab Wilhelmshaven ist möglich – doch umweltbelastend. In der ersten Leitung ist er bis 2043 begrenzt. Eine zweite Leitung haben die Behörden jetzt genehmigt. Weiter ungelöst ist die Einleitung von schmutzigem Chlorwasser ins Wattenmeer.

LNG Pipeline Wilhelmshaven

Keine nachträgliche Änderung der Planfeststellung

Eine LNG-Anbindungsleitung WAL1 darf bis zum 31. Dezember 2043 Erdgas transportieren. Eine Regelung in einem Planfeststellungsbeschluss, die dies schon zu einem früheren Zeitpunkt ausschließlich für sogenannten grünen Wasserstoff oder Derivate erlaubte, wäre unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden (BVerwG 7 A 9.22 – Urteil vom 22. Juni 2023).

DUH klagt gegen LBEG

Wie das Gericht mitteilt, wendet sich der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung (die Deutsche Umwelthilfe e.V., DUH), gegen einen Planfeststellungsbeschluss des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) vom 19. August 2022 für Errichtung und Betrieb der LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven zum etwa 20 km entfernten Ort Etzel. Die ca. 26 km lange Rohrleitung dient zum Transport regasifizierten Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas – LNG). Die Leitung bindet eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit (Floating Storage and Regasification Unit – FSRU) sowie künftig ein landgebundenes Gasterminal an das Gasfernleitungsnetz an. Die DUH habe auf verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Klimaschutzziele verwiesen. Sie forderte eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung, die die Leitung bereits ab 2033 für den Transport von LNG gesperrt und nur noch von grünem Wasserstoff oder Derivaten zugelassen hätte.

Fehlende Berechtigung, zwingende Vorgaben

Zu einer solchen Planergänzung fehlte es aber dem Landesamt an der Berechtigung. Ihm stünden zwingende Vorgaben des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG) entgegen. Das Gesetz sei in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ergangen. Es solle den schnellstmöglichen Aufbau einer von russischen Erdgaslieferungen unabhängigen nationalen Gasversorgung durch zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz ermöglichen.

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Hierzu enthalte das Gesetz Vorschriften:

  • zur beschleunigten Zulassung der Errichtung und Inbetriebnahme von LNG-Terminals sowie
  • zu LNG-Anbindungsleitungen
  • und zur Vorgabe, dass
    • der Betrieb der Terminals mit verflüssigtem Erdgas spätestens am 31. Dezember 2043 einzustellen ist.
    • ein späterer Weiterbetrieb nur noch mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon zulässig ist, wofür bis zum 1. Januar 2035 ein Genehmigungsantrag gestellt sein muss.

Mit diesen Regelungen will der Gesetzgeber nach Überzeugung des Gerichts absichern, dass Terminals und Anbindungsleitungen „wasserstoff-ready“ geplant werden, um in Einklang mit den Klimaschutzzielen eine möglichst frühzeitige Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen.

Planungssicherheit bei den Anlagenbetreibern

Zugleich wolle der Gesetzgeber damit für Planungssicherheit bei den Anlagenbetreibern sorgen, indem er es ihnen ermöglicht, die Befristung des fossilen Betriebs bereits im Vorhinein rechnerisch einzuplanen. Dies schließe es aus, dass eine Behörde in einem Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren eine kürzere Frist zur zwingenden Umstellung des Anlagenbetriebs ausschließlich mit grünem Wasserstoff oder Derivaten hiervon bestimme.

Vorhabenbezogene Emissionen

Einen weitergehenden Spielraum eröffne den Beklagten das fachplanerische Abwägungsgebot nicht, das auf die Berücksichtigung vorhabenbezogener Emissionen beschränkt ist. An einem Vorhabenbezug fehle es, soweit Treibhausgasemissionen beim späteren Verbrauch des transportierten Gases entstehen. Das grundgesetzliche Klimaschutzgebot aus Art. 20a GG stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, weil der Gesetzgeber unter Ausnutzung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums das Ziel der Minderung dieser Emissionen in anderer Weise verfolge, etwa durch das Emissionshandelsrecht.

Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze

Die DUH hat im September 2022 Klage beim Bundesverwaltungsgericht gegen die unbefristete Genehmigung der LNG-Anbindungsleitung WAL 1 in Wilhelmshaven eingereicht. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation wollte erreichen, dass die CO2-Minderungsziele überhaupt erreichbar bleiben. Ohne eine Begrenzung würde der Betrieb dieser einen Leitung in zehn Jahren allein 15 Prozent des CO2-Budgets aufbrauchen, heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation dazu. Ohne diese Einhaltung könne Deutschland die 1,5-Grad-Grenze nicht einhalten. DUH liest aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zwei wesentliche Aussagen zu LNG-Vorhaben in Deutschland heraus:

  • Die zeitliche Begrenzung für LNG-Terminals gilt ebenso für deren gesamte fossile Infrastruktur, also auch für Pipelines.
  • Außerdem dürften Umweltorganisationen LNG-Vorhaben gerichtlich überprüfen lassen.

DUH hatte gefordert, die Nutzung der Leitung mit fossilem Gas auf zehn Jahre zu beschränken und ab dem 1. Januar 2033 ausschließlich für grünen Wasserstoff und dessen Derivate rechtlich zuzulassen. Hilfsweise hatte die DUH zudem gefordert, dass der vom LBEG unbefristet genehmigte Betrieb der Leitung mit fossilem Erdgas immerhin auf einen bestimmten Zeitpunkt befristet werde.

Umweltorganisationen überprüfen LNG-Vorhaben

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem Urteil bestätigt, dass Umweltorganisationen LNG-Vorhaben gerichtlich überprüfen lassen können. Das werden wir selbstverständlich an jeder notwendigen Stelle tun, wo Natur und Klimaschutz gefährdet sind. Auch wenn einer Befristung auf zehn Jahre nicht stattgegeben wurde, ist bereits die Befristung für den Betrieb der Leitung mit fossiler Energie auf 2043 eine klare Ansage: Fossile Infrastruktur kann nicht unbefristet betrieben werden. Wir wünschen uns nun von den politischen Verantwortlichen die Klarheit, dass Energie- und Klimakrise nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden.“

Genehmigungen für LNG-Vorhaben

Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin, die die DUH in dem Verfahren vertritt: „Das Gericht hat wiederholt in der mündlichen Verhandlung betont, dass es für die Rechtmäßigkeit von Genehmigungen für LNG-Vorhaben auf den jeweiligen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ankomme. Das heißt, was für im Sommer 2022 genehmigte Vorhaben galt, ist für jetzt oder künftig zu genehmigende Vorhaben nicht (mehr) ebenso maßgeblich. Das dürfte selbstverständlich beziehungsweise erst recht für Vorhaben gelten, die jetzt noch neu ins LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen werden sollen. Die Faktenlage im Sommer 2022 ist eine gänzlich andere als im Sommer 2023. Das wird Auswirkungen unter anderem auf die Klärung der Bedarfsfrage für künftige Vorhaben haben.“

530 Millionen Liter ungeklärtes Chlorabwasser

Nicht berührt hatte DUH indes mit ihrer Klage einen anderen Punkt des Wilhelmshavener Großprojektes: die Verklappung von über 500 Millionen Liter dreckigen, ungeklärten Chlorabwassers. Umweltschützer von Umweltorganisationen wie BUND und Nabu kritisieren laut einem Bericht des NDR, dass als Import-Terminal für LNG ein Schiff namens „Höegh Esperanza“ vorgesehen ist. 2019 hatten australische Behörden demnach das Schiff abgelehnt. Seine Rohrleitungen müssen mithilfe von Chlor freigehalten werden. Das Chlor wird dann vom Schiff ungeklärt in die Nordsee geleitet.

Pro Jahr soll es sich um etwa 35 Tonnen der Chemikalie handeln. Die erste Vorsitzende des Nabu in Wilhelmshaven, Stefanie Eilers, gegenüber der Berliner: „Dieses Schiff ist eine besondere Dreckschleuder.“ Die australischen Behörden hätten den für die Einleitung geplanten Grenzwert von 0,1 Milligramm Chlor pro Liter (mg/l) als zu hoch eingestuft. Auf dem Schiff in Wilhelmshaven würden den Antragsunterlagen von Uniper zufolge sogar bis zu 0,2 mg/l für die Reinigung der Rohre verwendet, „also das Doppelte“, kritisiert Eilers. 530.000 Kubikmeter chlorhaltiges Abwasser täglich – fast 2,7 Millionen Badewannen, laut Eilers. Das Wattenmeer würde dadurch belastet, auch wenn das Chlor stark verdünnt werde, mahnten laut dem Sender die Umweltschützer.

LNG-Terminals in Deutschland

Derzeit befinden sich laut NDR folgende LNG-Terminals in Deutschland in Vorbereitung:

  • Die „Höegh Esperanza“ gilt als Herzstück des LNG-Terminals in Wilhelmshaven, dem ersten in Deutschland. Das 2018 gebaute Schiff ist 294 Meter lang und 46 Meter breit. Es wurde vom Energieversorger RWE im Auftrag der Bundesregierung für mindestens zehn Jahre gechartert.
  • Das Schiff der norwegischen Reederei Höegh LNG Holdings soll dauerhaft in Wilhelmshaven am Anleger bleiben und als schwimmende Plattform dienen, um von Tankern angeliefertes LNG anzulanden und in einen gasförmigen Zustand umzuwandeln.
  • Das Schiff soll nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums fünf Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr regasifizieren und einspeisen. In Deutschland wurden pro Jahr zuletzt rund 96 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht.
  • Bundesweit sollen elf LNG-Terminals entstehen. Acht dieser Terminals sind angemietete Spezialschiffe. Neben Wilhelmshaven sollen sie in Stade, Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) stationiert werden. Fünf der FSRU will der Bund chartern. Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die Kosten für die schwimmenden LNG-Terminals auf bis zu 9,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2022 bis 2038.
  • Drei feste Terminals sollen bis zum Jahr 2026 an Land gebaut werden (Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel). Die Jahreskapazität aller Anlagen soll bei 73 Milliarden Kubikmetern Erdgas liegen.

Niedersachsen verweist auf Prüfungen

Niedersachsens Umweltministerium und Bundeswirtschaftsministerium verweist auf eine intensive Prüfung der Umwelt- und Sicherheitsstandards durch die Behörden. Alle geltenden Grenzwerte würden eingehalten, sagen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (beide Grüne). Einleitungen ins Meer würden so gering wie möglich gehalten. Das gewässerökologische Monitoring werde zudem „intensiviert, um Verschlechterungen der Umweltsituation auszuschließen“, so Meyer.

Zweite Anbindungsleitung

In Niedersachsen haben die Behörden unterdessen am 23.06.2023 Bau und Betrieb einer zweiten Anbindungsleitung an das provisorische LNG-Terminal in Wilhelmshaven genehmigt. Die „WAL 2“ soll durch eine etwa zwei Kilometer lange Leitung Erdgas transportieren und könne zukünftig für den Transport von Wasserstoff genutzt werden, teilte das LBEG mit. „Das Planfeststellungsverfahren für die WAL 2 haben wir wieder in weniger als vier Monaten schnell und effektiv abgeschlossen“, sagte LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier. Damit ein zweites mobiles Terminal den Betrieb aufnehmen und auch dieses Gas in das Gastransportnetz eingespeist werden kann, wurde eine weitere Leitung benötigt. Im Vorfeld der endgültigen Entscheidung im Planfeststellungsverfahren hatte das LBEG bereits im Mai den vorzeitigen Beginn für Teile des Gesamtvorhabens zugelassen.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)