18.06.2015

Darf’s ein bisschen weniger sein?

„Downshifting“ ist ein Trend, an dem man momentan nicht vorbeikommt: weniger Eigentum, weniger Aufgaben, weniger Geld, weniger Konsum … All das soll unser Leben vereinfachen. Ich habe die Renovierung meines Büros für ein ganz spezielles Downshifting genutzt, habe es allerdings lieber etwas bodenständiger als „Ausmisten“ bezeichnet: 80 % weniger Stauraum in meinem Büro. Und tatsächlich, es stimmt: mein Berufsalltag ist deutlich vereinfacht!

Kiste mit Büromaterial

Wie soll das denn funktionieren?

Ende des vergangenen Jahres haben wir entschieden, die Aufteilung der Büros ein wenig zu verändern und bei der Gelegenheit auch gleich zu renovieren. Üblicherweise nutze ich die ersten beiden Jahreswochen, um mein Büro ein wenig auszumisten, das Jahr zu planen und Projekte zu priorisieren und einzutakten. Dieses Jahr lag mein Fokus auf dem Ausmisten: Ich habe im Januar sehr intensiv und dann bis Anfang Mai regelmäßig meine Schränke durchkämmt. Jede Akte wurde in die Hand genommen und durchgeblättert, aller Krimskrams, der sich über die Jahre angesammelt hat, kritisch beäugt und bewertet.

Scheiden tut gar nicht weh

Stets habe ich mir folgende Fragen gestellt: Brauche ich persönlich das noch? Reicht es nicht eventuell auch, es im Archiv aufzubewahren oder es an den zuständigen Mitarbeiter zdA („zu den Akten“) weiterzuleiten? Kann man es nicht vielleicht sogar wegwerfen, ohne nachkommenden Generationen einen erheblichen Schaden zuzufügen?

Ich verstehe mich als Bürgermeister nicht als oberster Sachbearbeiter. Zu beinahe jedem Thema gibt es daher einen Mitarbeiter, dem ich den jeweiligen Hut aufgesetzt habe. Bei komplexen Projekten führe ich Handakten, um alles Notwendige griffbereit zu haben. Nach Abschluss des Projekts bleibt die Akte meist bei mir. Warum eigentlich? Doppelte Aktenführung ist Ressourcenverschwendung! Meine Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten gestöhnt, denn regelmäßig kamen ganze Akten auf ihren Tisch mit dem Hinweis „Durchsehen, Relevantes zu den Akten, Irrelevantes in den Müll“. Auch meine Reinigungskräfte haben über die Altpapierberge gestöhnt, die sich Woche für Woche in meinem Büro aufgetürmt haben. Ich war in einem regelrechten Aussortier-Wahn. Es hat Spaß gemacht und eine befreiende Wirkung gehabt. Nach dem Ausmisten habe ich den Rest in Umzugskisten gepackt und bin drei Wochen in den Urlaub gefahren. Währenddessen wurde das Büro renoviert und ich konnte neu einziehen.

Was ist das Ergebnis?

Ich habe meine Schränke um 80 % reduzieren können, mein Büro wirkt deutlich geräumiger und ist wesentlich besser sortiert und strukturiert. Alle wirklich notwendigen Unterlagen habe ich in Reichweite. Wenn ich nun jedoch eine Information zu einem abgeschlossenen Projekt suche oder eine Detailfrage zu einem laufenden Vorhaben habe, dann frage ich den zuständigen Mitarbeiter. Das spart mir Arbeit und Zeit.
Es ist klar, dass man eine solche Aktion nicht spontan und kurzfristig machen kann. Wenn man es jedoch im Jahresplan berücksichtigt und sich sogar mit einer Renovierung „belohnt“, dann kann es richtiggehend Spaß machen, und das Resultat kann sich sehen lassen. Probieren Sie es aus …!

Autor*in: Rouven Kötter (Rouven Kötter ist Autor des WEKA-Newsletters "Bürgermeister aktuell".)