24.02.2019

Worauf der Betriebsrat beim Arbeitszeitkonto achten sollte

Flexible Regelungen zur Arbeitszeit stehen sowohl bei Unternehmen als auch bei Beschäftigten hoch im Kurs: Hierdurch ist es zum einen möglich, dass das Unternehmen auf Auslastungsschwankungen flexibel reagiert, zum anderen können Arbeitnehmer Beruf und Privatleben besser vereinbaren. Gut geeignet hierfür ist ein Jahresarbeitszeitkonto.

Jahresarbeitszeitkonto

Mitbestimmung. Viele Betriebsräte stehen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung mehr als skeptisch gegenüber. Ihnen sind feste Arbeitszeiten oft lieber. Und dafür haben sie auch gute Gründe. Denn die Flexi-Modelle können mit einigen Risiken für die Beschäftigten verbunden sein. Und Sie sind ja nicht zuletzt per Gesetz verpflichtet, zu überwachen, dass alle für die Arbeitnehmer geltenden Schutzvorschriften im Betrieb durchgeführt werden. Aber: Nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch die meisten Beschäftigten wollen flexible Arbeitszeitmodelle. Und diese Instrumente wären nicht so ein „Renner“, wenn sie nicht auch ihre guten Seiten hätten, etwas das Verleihen von Zeitsouveränität für die Kollegen. Die meisten Beschäftigten wollen außerdem (zumindest hin und wieder) Überstunden, da sie dann mehr Geld oder einen entsprechenden Freizeitausgleich bekommen. Und genau das ist der springende Punkt: Der Wunsch der Kollegen sollte Ihnen Befehl sein. Deshalb ist es ratsam, sich dem Streben nach flexibler Arbeitszeitgestaltung nicht zu versperren. Besser als eine „Geht-garnicht- Haltung“ ist ein aktives Mitwirken an der Gestaltung solcher Modelle.

Risiko Nr. 1: Die Abwälzung des Unternehmerrisikos

Gibt es einmal Leerlauf bei der Arbeit, hat der Chef den Beschäftigten weiter zu bezahlen. Denn das Risiko für eine entsprechende Arbeitsauslastung der Firma trägt der Arbeitgeber, es ist sein Unternehmerrisiko. Das ist sogar in § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gesetzlich geregelt. Die flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht einen Ausgleich dieser Auftragsschwankungen: In Zeiten, in denen es viele Aufträge gibt, wird viel gearbeitet; in Zeiten, in denen es wenige Aufträge gibt, nicht so viel. Doch genau dieses Prinzip birgt die Gefahr in sich, dass dadurch das vom Arbeitgeber zu tragende Unternehmerrisiko auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird.

Hinweis: Kollegen arbeiten eher länger

Die Tatsache, dass sich die Beschäftigten die Arbeitszeit selbst einteilen können, führt eher zu längeren Arbeitszeiten.

Risiko Nr. 2: Gesundheitliche Belastungen

Eine weitere große Gefahr bei der flexiblen Arbeitszeitgestaltung ist das Auftreten gesundheitlicher Probleme durch Arbeitsüberlastung. Zum einen müssen die beruflichen Aufgaben natürlich trotz der Flexibilität weiterhin gut erledigt werden. Außerdem ist die Arbeitsdichte oft so groß, dass die „normalen Stunden“ kaum ausreichen. Zum anderen herrscht in vielen Betrieben ein mehr oder minder offen zutage tretender Druck: Wer früher geht, verliert, heißt nicht selten das Motto.

Sensibilisieren Sie als Betriebsrat Kollegen

Am besten können Sie auf die Gefahren in Gesprächen hinweisen – optimalerweise vor der Einführung des Flexi-Modells. Als Einstieg sind aber auch Rund-E-Mails oder Betriebsversammlungen geeignet. Wichtig ist, dass die Kollegen wissen, dass Zeitsouveränität auch ihre Schattenseiten hat. Natürlich sind dem Erfolg Ihrer Aufklärungsarbeit Grenzen gesetzt: Die meisten Beschäftigten werden an der Flexibilität festhalten wollen. Und manche werden auch beratungsresistent bleiben – etwa dann, wenn sie auf der Karriereleiter ganz nach oben wollen oder, viel schlimmer, Angst um ihren Arbeitsplatz haben.

Handeln Sie eine Betriebsvereinbarung aus

Neben der Beratung der Kollegen steht für Sie die Gestaltung des flexiblen Arbeitszeitmodells im Rahmen einer Betriebsvereinbarung im Mittelpunkt. Dieser geht ein Verhandlungsprozess mit dem Arbeitgeber voraus. Dabei können Betriebsräte und Arbeitgeber durchaus vom Start weg an einem Strang ziehen. Denn in der Regel werden Sie Verständnis für die Auslastungsbestrebungen des Arbeitgebers haben. Schließlich sichert eine gute Auftragslage die Arbeitsplätze im Betrieb. Andererseits sollte der Arbeitgeber ein großes Interesse daran haben, dass sich die Beschäftigten nicht überlasten. Nur wenn sie gesund und lange erwerbsfähig sind, bleiben sie – rein betriebswirtschaftlich gesprochen – produktiv und motiviert. Und beides sind Voraussetzungen für einen wettbewerbsfähigen Betrieb.

Hinweis: Arbeitszeitgesetz unbedingt einhalten!

Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) sind bei allen Aspekten der Arbeitszeitkonten zu befolgen. Mehrere Tarifverträge treffen verbindliche Regelungen zu Arbeitszeitkonten. Auch diese müssen beachtet werden. Bestimmungen zu Arbeitszeitkonten im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen sind bei Tarifgebundenheit nur im Falle tariflicher Öffnungsklauseln, bei Tarifungebundenheit uneingeschränkt möglich.

Treffen Sie verbindliche Regelungen zu Minusstunden

Wie Plusstunden abzubauen bzw. auszugleichen sind, regeln Vereinbarungen zu Arbeitszeitkonten fast immer. Doch was häufig fehlt, sind verbindliche Vorgaben für den Fall von Minusstunden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Deshalb: Treffen Sie solche Regelungen (s. mehr dazu in der Ausgabe 8/2012 von Betriebsrat kompakt im Heftarchiv unter www.betriebsrat-kompakt.de). Entscheidend ist dabei, dass der Arbeitnehmer selbst über das Entstehen und den Ausgleich eines negativen Kontostands entscheiden konnte oder nicht. Nur dann dürfen die Minusstunden verrechnet werden. Wurde das Negativsaldo allein vom Arbeitgeber verursacht, muss er dieses finanziell ausgleichen.

Expertentipp: Gestaltungspielraum als Betriebsrat nutzen

Gestalten Sie nach Möglichkeit das flexible Arbeitszeitmodell über Ihre gesetzlichen Mitbestimmungsrechte hinaus. Sie können das gut mit dem Argument untermauern, dass sich so etwaige Widerstände der Belegschaft dagegen vermeiden lassen. Denn durch Ihre Mitwirkung haben die Arbeitnehmer in der Regel das Gefühl, dass ihre Interessen gut vertreten wurden. Und von geringen bis nicht vorhandenen Widerständen gegen die Einführung profitiert auch der Arbeitgeber.

Nutzen Sie Ihr Mitbestimmungsrecht als Betriebsrat

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG haben Sie über die Lage der Arbeitszeit, also die Verteilung der vertraglich vorgegebenen Arbeitszeit auf den Tag, die Woche oder das Jahr, zwingend mitzubestimmen. Da mithilfe von Arbeitszeitkonten die tägliche Arbeitszeitdauer variabel gestaltet und der jeweiligen Auftragslage entsprechend angepasst wird, stellt dies auch eine Veränderung der Lage der Arbeitszeit dar. Deshalb ist der Betriebsrat sowohl bei der Einführung als auch bei der Ausgestaltung und Überwachung von Arbeitszeitkonten zu beteiligen. Mögliche mitbestimmungspflichtige Punkte können dann z. B. die

  • Festlegung der Schwankungszeiten,
  • denkbare Kernzeiten sowie
  • Pausen

sein.

Hinweis: Arbeitszeitkonto = Entgeltzahlung

Die Erfassung von Zeitelementen auf einem Arbeitszeitkonto ist eine Form der Entgeltzahlung. Daher finden auf Arbeitszeitkonten die Grundsätze der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Anwendung. Tarifliche Abweichungen sind nur insoweit möglich, als Berechnungsmethode und Berechnungsgrundlage betroffen sind.

Dauer der Arbeitszeit nicht mitbestimmungspflichtig

Bei der Dauer der Arbeitszeit als solcher, also etwa beim Arbeitszeitvolumen, das durchschnittlich innerhalb des Ausgleichszeitraums erreicht werden soll, können Sie als Betriebsrat nicht mitbestimmen. Zu prüfen ist außerdem jeweils, ob das Mitbestimmungsrecht durch gesetzliche oder tarifliche Regelungen ausgeschlossen ist. Gelten Tarifverträge, kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nur im Rahmen entsprechender tariflicher Öffnungsklauseln ausüben.

Autor*in: Silke Rohde (Silke Rohde ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin von "Betriebsrat kompakt".)