10.12.2021

Vorstellungsgespräch: Schwerbehinderter erhält keine Einladung

Warten schwerbehinderte Stellenbewerber vergeblich auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bei einem öffentlichen Arbeitgeber, so liegt nicht zwingend eine Diskriminierung vor. Wenn der Arbeitgeber alles ihm Mögliche für einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang des Schreibens unternommen hat, muss er auch keinen Anspruch auf eine Diskriminierungsentschädigung befürchten. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem Urteil vom 19. November 2021 (Az.: 8 AZR 297/20).

Vorstellungsgespräch

Schwerbehinderter Bewerber klagt eine Kommune an

Im konkreten Fall handelt es sich um eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen auf die Stelle eines Kämmerers in einer Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, die im Januar 2018 ausgeschrieben war. Den Erhalt der Absage empfand er als Diskriminierung wegen seiner Behinderung. Obwohl er fachliche Eignung gezeigt habe, sei er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Tatsächlich sei eine Einladung an den Kläger verschickt worden, wie der Arbeitgeber, die Kommune, berichtete, der Bewerber sei aber nicht zum Gespräch erschienen. Daraufhin bestritt der Bewerber den ordnungsgemäßen Versand. Um den Zugang des Schreibens belegen zu können, hätte der Arbeitgeber ein Einschreiben mit Rückschein versenden müssen.

Arbeitgeber im öffentlichen Dienst müssen Schwerbehinderte einladen

Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sind laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet, fachlich geeignete schwerbehinderte Stellenbewerberinnen und -bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Unterbleibt eine Einladung, so kann dies als Indiz für eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung gedeutet werden, die entschädigungspflichtig ist. Dem Vorwurf der unzulässigen Benachteiligung kann der Arbeitgeber jedoch entgegenwirken.

Kein Erfolg bei der Klage

Der Bewerber konnte mit seiner Klage keinen Erfolg vor dem BAG verbuchen. Generell wird das Ausbleiben einer Einladung zum Vorstellungsgespräch im Fall eines behinderten Bewerbers als dessen Diskriminierung angesehen. Aber die alleinige Tatsache, dass er keine Einladung erhalten habe, begründe noch keinen Anspruch auf Entschädigung. Denn wenn der Brief außerhalb des Arbeitgebers auf dem Postweg verloren gegangen ist, handelt es sich nicht um eine Diskriminierung des Bewerbers aufgrund seiner Behinderung.

Das Einladungsschreiben muss ordnungsgemäß verschickt werden

Arbeitgeber sollten aber generell alles Mögliche unternehmen, damit die Einladung ordnungsgemäß und fristgerecht auf den Weg gebracht wird. Im vorliegenden Fall wurde von der Kommune versichert, dass der Bürgermeister die Einladung unterschrieben und seine Sekretärin diese zur Post gebracht habe. Das Einladungsschreiben war zuvor mit dem Amtsleiter und der Personalvertretung abgestimmt worden. Ein Versand per Einschreiben mit Rückschein ist nicht erforderlich, so ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. Juli 2021.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)