04.05.2022

Mehr Einfluss für den Betriebsrat über den ASA

Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) ist für Betriebsräte eine gute Möglichkeit, bei einer Vielzahl von betrieblichen Entscheidungen und Entwicklungen mitzureden und mitzugestalten. Doch in der Praxis geschieht oft wenig, weil die Materie zu komplex ist, um als Betriebsrat einen relevanten Beitrag zu leisten. Hier hilft es, sich auf eines oder zwei Themen zu fokussieren. So hat der neu gewählte Betriebsrat die Chance, bei den Akteuren des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Mitgestalter auf Augenhöhe zu werden.

Der erste Schritt zu einem innovativeren und wirksameren ASA ist das Einvernehmen mit den Akteuren des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Nur wenn Einigkeit besteht, dass man den ASA weiterentwickeln will, gibt es eine Aussicht auf Erfolg. Dazu muss definiert werden, dass der ASA weitaus mehr ist als die vierteljährliche zweistündige Sitzung. Vielmehr handelt es sich um ein handlungsfähiges Gremium, das ganzjährig arbeitet. Überlegen Sie deshalb im zweiten Schritt, wie die wertvollen Sitzungstage für wichtige Themen reserviert werden können. Routinethemen wie die Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung oder die Beauftragung von Ersthelfern können zwischendurch auf dem „kleinen Dienstweg“ bearbeitet werden.

Analysen für neuartige Arbeitsplätze

Wenn im Betrieb z.B. im Rahmen der Digitalisierung und Automatisierung neuartige Arbeitsplätze eingerichtet wurden, ist häufig unklar, welchen Belastungen und Gefährdungen die Beschäftigten ausgesetzt sind. Schlagen Sie vor, für diese Arbeitsplätze systematische Analysen durchzuführen. Die Arbeitsplatzanalyse teilt sich im Wesentlichen in vier Themenfelder:

  • Die Aufgabenanalyse beschreibt den Ablauf und die Gliederung der Arbeitsgänge.
  • Die Bedingungsanalyse untersucht die Arbeitsmittel und deren Ergonomie und Erreichbarkeit.
  • Die Rollenanalyse formuliert die Rolle, die Beschäftigte in der Interaktion mit anderen einnehmen.
  • Die Anforderungsanalyse beschreibt, welche Qualifikationen eine beschäftigte Person benötigt.
  • Ziel ist es, die physischen und psychischen Belastungen zu erfassen und auf dieser Basis eine fundierte Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.

Prinzipien gesunder Führung

Beim Thema gesunde Führung stoßen Betriebsräte nicht selten offene Tore auf. Denn auch die Akteure des ASA treffen beim mittleren Management häufig auf Widerstände oder Gleichgültigkeit. Zusammen mit dem Betriebsrat kann es gelingen, Leitlinien zur gesunden Führung zu formulieren und als Standard im Betrieb zu etablieren. Anhaltspunkte für mögliche Inhalte bietet die DGUV-Broschüre „Führung: Führungsleitlinien erstellen und umsetzen“.

Kooperativ und konfrontativ

Bei einigen Punkten wie dem BEM oder der Betrieblichen Sozialarbeit sind die Interessen von Betriebsrat und Arbeitgeber eher kompatibel. Betonen Sie deshalb bei entsprechenden Vorschlägen die gemeinsamen Ziele und die Vorteile für den Arbeitgeber. Bei anderen Themen wie Arbeitsplatzanalysen kommt es häufig zu Widerstand. Oft haben Arbeitgeber kein Interesse daran, dass gesundheitliche Risiken von neuartigen Arbeitsplätzen offengelegt werden, denn das macht Maßnahmen notwendig. Hier sollte der Betriebsrat klar auf die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte verweisen und versuchen, sich gegen Widerstand durchzusetzen.

Betriebliche Sozialarbeit

Um die psychosoziale Gesundheit und die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten zu fördern, setzen immer mehr Unternehmen auf die betriebliche Sozialarbeit. Der Betriebsrat kann die Einführung im ASA initiieren und dem Arbeitgeber ggf. gemeinsam mit den Akteuren des Arbeitsschutzes entsprechende Vorschläge machen. Um die Akzeptanz zu fördern, sollten die Maßnahmen „schlank“ (= kostengünstig) und zielorientiert (= nachvollziehbar) gehalten werden. Beispiele für Inhalte einer psychosozialen Beratung sind z.B.:

  • Überschuldung,
  • Pflegeberatung,
  • Elternberatung,
  • Familiäre Themen,

Das Konzept kann im ersten Schritt den Einsatz bereits vorhandener Ressourcen vorsehen. Das können Beschäftigte sein, die sich bereits in sozialen betrieblichen Belangen engagieren, z.B. den Betriebssport leiten. Möglich sind außerdem die Einstellung weiterer Beschäftigter oder der Einsatz externer EAP-Dienstleister (Employee Assistance Program).

Fokus auf ältere Beschäftigte

Ein Querschnittsthema ist die älter werdende Belegschaft, die veränderte Ansprüche an eine gesunde Gestaltung der Arbeitsplätze stellt. Diese Themenbreite ist zunächst positiv, weil sie dem Betriebsrat und dem ASA viele Ansatzpunkte für Ideen und Konzepte bietet. Allerdings empfiehlt sich innerhalb dieses Querschnittsthemas eine Fokussierung (z.B. Wiedereingliederung von älteren Beschäftigten); ansonsten besteht die Gefahr, dass viel geredet und wenig getan wird.

5 Schritte zu sicherem Arbeitnehmerverhalten

Eine oft ernüchternde Erkenntnis: Alle guten Absichten und Regeln nützen wenig, solange die Beschäftigten sie aufgrund von Leistungsdruck, Desinteresse oder Bequemlichkeit nicht einhalten. Hier kann der ASA ein Konzept entwickeln, um die Beschäftigten zu integrieren. Dazu gehören unter anderem fünf Schritte:

  • Sicheres Verhalten definieren: Häufig lässt sich riskantes Verhalten darauf zurückführen, dass niemand genau beschreibt, wie sicheres Verhalten konkret aussieht. Prüfen Sie hier auch die Betriebsanweisungen und halten Sie diese aktuell.
  • Verhalten beobachten: Ermitteln Sie in Begehungen und mit Analysen, wo und wie sich Beschäftigte riskant verhalten.
  • Rückmeldung: Geben Sie den Beschäftigten ein Feedback, das ihnen aufzeigt, welche Risiken durch ihr Verhalten entstehen.
  • Ziele setzen: Informieren Sie die Beschäftigten, wie sich ihr Verhalten ändern soll.
  • Verstärkung: Beschäftigte, die sich sicher verhalten, werden darin bestärkt.

Wichtig sind Unterweisungen, die den Beschäftigten den Sinn von sicherem Verhalten und von Schutzmaßnahmen vermitteln. Nur wenn dieser Sinn erkannt wird, können Sie auf sicheres eigenverantwortliches Verhalten hoffen.

Wirksame Wiedereingliederung

Auch wenn Arbeitgeber schon lange dazu verpflichtet sind, steckt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in vielen Betrieben noch in den Kinderschuhen bzw. wird nachlässig behandelt. Der ASA kann sich zum Ziel setzen, das BEM zu etablieren bzw. zu optimieren. Dazu gehört neben dem Betriebsrat und den Akteuren des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch die Schwerbehindertenvertretung mit ins Boot. Bei der Entwicklung bzw. Optimierung des BEM gilt es sich am Einzelfall zu orientieren: Kein Krankheitsfall ist wie der andere. Deshalb muss jeweils auf die individuellen Gegebenheiten reagiert und das BEM-Konzept möglichst flexibel gehandhabt werden:

  • Was löst den BEM-Fall aus (ab welcher Krankheitsdauer bzw. -häufigkeit muss ein BEM angeboten werden)?
  • Wie wird auf die betroffenen Beschäftigten zugegangen (Prinzip der Freiwilligkeit)?
  • Wer ist für das Fallmanagement zuständig?
  • Wer ist am Wiedereingliederungsprozess beteiligt (z.B. Führungskraft, Eingliederungspaten)?
  • Wie werden Handlungspläne erstellt?
  • Wie verläuft die Koordination zwischen den Beteiligten?
  • Wie kann der Ablauf dokumentiert und die Nachhaltigkeit geprüft werden?

Achten Sie bei der Entwicklung bzw. Optimierung des BEM-Konzepts darauf, dass die notwendigen Ressourcen (z.B. Berater, interne personelle Ressourcen) bei Bedarf zur Verfügung stehen.

ASA-Arbeit innovativ gestalten

Oft verlaufen ASA-Sitzungen nach dem immergleichen Muster: Im Vorfeld wird abgefragt, wer Themen beizutragen hat. Diese werden dann in rund zwei Stunden abgearbeitet, womit die aus Sicht vieler Arbeitsschutzakteure eher lästige Pflichtübung erledigt ist. Doch ist dieser Ablauf keineswegs in Stein gemeißelt. Man könnte auch:

  • Referenten zu Spezialthemen einladen.
  • Wirkliche ASA-Projekte definieren, für die von Sitzung zu Sitzung Meilensteine vereinbart werden.
  • Im Betriebsrat ASA-Themen „besetzen“ und vorantreiben, damit Tempo und Richtung nicht allein von den Arbeitsschutzakteuren bestimmt werden.
  • Den ASA gemeinsam mit den Arbeitsschutzakteuren als „Think-Tank“ für gesundes Arbeiten etablieren.
  • Neben den offiziellen (oft zeitlich limitierten) Sitzungen informelle Arbeitsgruppen einrichten.

Wichtig dafür ist das Einvernehmen mit den Arbeitsschutzakteuren. Dem steht in der Regel nichts entgegen, denn sie haben mit dem Betriebsrat ein gemeinsames Interesse: Dass die Arbeit im Betrieb gesund ist.

Autor*in: Martin Buttenmüller