20.09.2017

Erfolgreiche Anfechtung einer Personalratswahl

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat am 23.3.2017 entschieden, dass bei einer Personalratswahl die Wahl der Gruppe der Beamten ungültig war. Wegen der Bedeutung dieser Entscheidung über den Verwaltungsbereich hinaus geben wir zusammengefasst den Sachverhalt und die Leitsätze des VGH wieder. Die Entscheidung hat das Az. 22 A 2145/16.PV.

Personalratswahl

Sachverhalt zur Anfechtung

Eine Gruppe von Beamten reichte beim Wahlvorstand einen Wahlvorschlag ein, der zurückgewiesen wurde, weil er keine gültige Urkunde darstelle. Es fehle die Verbindung des Wahlbewerbervorschlags mit den Unterschriftenlisten. Der Vorschlag wurde nachgebessert. An je zwei Blätter mit der vollständigen Listenbezeichnung und darunter stehender Aufführung der Listenplatzkandidatinnen und -kandidaten waren ein oder mehrere Blätter mit gelisteten Unterstützerunterschriften geheftet. Deren Kopfzeile lautete: „Unterschriftenliste für den Wahlvorschlag der wahlberechtigten Beschäftigten, für die PR-Wahl beim PP …, Gruppe Beamte, gemäß § 16 (3) HPVG, §§ 7, 8 WO zum HPVG der Freien Liste ‚Wir für A-Stadt – Unsere Stimme in Hessen‘“. Darunter sind die Rubriken für Name, Vorname, Dienststelle und die Unterschriftsleistung aufgeführt.

Der Wahlvorstand wies den so eingereichten Wahlvorschlag erneut als ungültig zurück wegen Zweifeln an der Urkundeneigenschaft, weil der Wahlvorschlag und die Zettel mit den Unterstützerunterschriften nicht zusammengeheftet waren. Außerdem handle es sich nicht um eine „Freie Liste“. Das Kennwort vermittle den Eindruck, es handle sich um eine unabhängige Liste, auf der Beschäftigte ohne Gewerkschaftshintergrund kandidierten, was jedoch bei dem Wahlvorschlag nicht der Fall sei. Bei den Bewerbern seien acht Mitglieder in einer Gewerkschaft und sechs organisationsfrei. Die Personalratswahl fand ohne diesen Wahlvorschlag statt.

Ungültige Personalratswahl

Daraufhin beantragten die unter der Listenbezeichnung zusammengeschlossenen Beamten beim Verwaltungsgericht, die Personalratswahl für ungültig zu erklären. Das Gericht stellte die Ungültigkeit fest. Es kam hiergegen zu einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.

Leitsätze des HessVGH

Der Verwaltungsgerichtshof Hessen formulierte zu der Wahlanfechtung folgende Leitsätze:

  1. Kann sich bei einer Gruppenwahl ein Verfahrensfehler nur auf den Wahlvorgang in einer bestimmten Gruppe ausgewirkt haben, so ist die Wahl aus diesem Grund nur in Bezug auf diese Gruppe für ungültig zu erklären. (Folge ist, dass die Wahl für die Gruppe der Arbeitnehmer gültig blieb.)
  2. Die gerichtliche Überprüfung einer Personalratswahl ist nicht auf die von dem Wahlvorstand im Wahlverfahren oder den Beteiligten geltend gemachten Gründe begrenzt. Vielmehr sind im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens einer Personalratswahl grundsätzlich alle Gründe einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich, die als möglicher Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens in Betracht kommen und die zur Begründetheit des Wahlanfechtungsantrags führen können. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Gerichte aber nicht dazu, ungefragt sämtlichen hypothetischen Wahlrechtsverstößen nachzugehen.
  3. Die Nichterteilung eines nach § 10 Abs. 5 WO-HPVG gebotenen Hinweises durch den Wahlvorstand kann einen wesentlichen Mangel im Wahlverfahren und damit einen durchgreifenden Wahlanfechtungsgrund nach § 22 Abs. 1 HPVG (PersVG HE) darstellen, wenn die Erteilung eines solchen Hinweises aller Voraussicht nach zur fristgerechten Behebung des Fehlers des Wahlvorschlags geführt hätte.
  4. Wahlvorschläge von Beschäftigten nach § 8 Abs. 3 WO-HPVG müssen einheitliche Urkunden sein. Dies setzt eine körperlich feste Verbindung von Bewerber- und Unterschriftenliste nicht zwingend voraus. Die Einheitlichkeit kann sich vielmehr – ebenso wie bei Vertragsurkunden – auch aus anderen den Schriftstücken anhaftenden Umständen, namentlich aus der Wiedergabe des Kennworts der Liste auf den einzelnen Blättern, ergeben.
  5. Die Benutzung eines irreführenden Kennworts für einen Wahlvorschlag ist unzulässig, weil ein solches Kennwort die Wahl in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 21 Abs. 1 S. 1 HPVG) beeinflussen kann.
  6. Das Kennwort „Freie Liste …“ eines von Beschäftigten eingereichten Wahlvorschlags ist nicht irreführend, wenn neben nicht gewerkschaftlich organisierten Wahlbewerbern (überwiegend) Angehörige von verschiedenen Gewerkschaften auf der Liste kandidieren und auch sonst keine belastbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass über diese Liste das Programm einer bestimmten Gewerkschaft oder sonstigen Vereinigung umgesetzt werden soll (keine „Tarnliste“).
Autor*in: Werner Plaggemeier (langjähriger Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“)