07.05.2019

BAG verneint Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen

Hält sich ein Vertragspartner beim Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages nicht an das Gebot fairen Verhandelns, kann der Vertrag unwirksam sein. Ein Widerrufsrecht nach dem Vorbild des Verbraucherwiderrufs kommt bei Aufhebungsverträgen laut BAG jedoch nicht in Betracht.

Betriebsrat Aufhebungsvertrag

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Eine angestellte Reinigungskraft schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsah. Der Anlass sowie der Ablauf der Vertragsverhandlungen waren zwischen den Vertragsparteien umstritten. Die Arbeitnehmerin behauptete, sie sei am Tag des Vertragsschlusses krank gewesen. Deshalb habe sie den Aufhebungsvertrag später wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten, hilfsweise widerrufen. Nachdem das zuständige LAG Niedersachsen ihre Klage abgewiesen hatte, zog sie bis vor das BAG.

Das sagt das Gericht

Die Bundesrichter hoben das Urteil auf und verwiesen den Rechtsstreit zurück an das LAG Niedersachsen. Zwar hätten die Hannoveraner Kolleginnen und Kollegen rechtsfehlerfrei erkannt, dass dem Vorbringen der Arbeitnehmerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden könne und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich sei. Sie hätten allerdings nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrages beachtet worden sei. Bei diesem Gebot handele es sich um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese werde verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schaffe, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwere. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Arbeitnehmerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Deshalb sei das LAG Niedersachsen nun gefordert, die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages erneut zu beurteilen. BAG, Urteil vom 07.02.2019, Az.: 6 AZR 75/18

Das bedeutet für Sie

Wer als Verbraucher einen Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen schließt (z. B. auf der Straße, in der eigenen Wohnung, im Rahmen einer „Kaffeefahrt“), kann diesen gemäß §§ 312g, 355 BGB innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Auch Arbeitnehmer sind Verbraucher. Dennoch können sie das Widerrufsrecht nicht für sich in Anspruch nehmen, weil der Gesetzgeber arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechts ausgenommen hat. Vor diesem Hintergrund gilt es, Ihre Kolleginnen und Kollegen davor zu warnen, einen vom Arbeitgeber vorgelegten Aufhebungsvertrag an Ort und Stelle ungeprüft zu unterschreiben. Raten Sie betroffenen Beschäftigten, den Vertrag zunächst dem Betriebsrat und – sofern erforderlich – in der Folge einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder einem Gewerkschaftssekretär zur sorgfältigen Prüfung vorzulegen. Erst wenn alle Fragen geklärt sind (z. B. Resturlaub, Überstunden usw.) und der Beschäftigte den gesamten Inhalt sowie die Rechtsfolgen des Aufhebungsvertrages versteht, kann er den Vertrag unterzeichnen.

Verstoß gegen faires Verhandeln löst Schadenersatzanspruch aus

Was wäre die konkrete Folge eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns vonseiten des Arbeitgebers? Nutzt ein Arbeitgeber z. B. eine krankheitsbedingte Schwäche eines Beschäftigten bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag bewusst aus, macht er sich schadenersatzpflichtig. D. h., er muss den Zustand wiederherstellen, der bestehen würde, wenn der Aufhebungsvertrag nie abgeschlossen worden wäre (also Auszahlung des rückständigen Lohnes).

Praxistipp

Sorgen Sie in Ihrer Funktion als Betriebsrat dafür, dass die Beschäftigten über die etwaigen sozialrechtlichen Konsequenzen eines Aufhebungsvertrages, z. B. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, Bescheid wissen. Denn wer einen Aufhebungsvertrag schließt, verursacht (freiwillig) seine Arbeitslosigkeit. Gibt es dafür keinen wichtigen Grund, kann die Arbeitsagentur nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine zwölfwöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verhängen.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)