18.06.2019

BAG bejaht Mitbestimmung bei digitaler Mitarbeiterbefragung

Plant der Arbeitgeber, die Stimmung im Betrieb auszuloten, indem er die Beschäftigten im Rahmen einer digitalen Mitarbeiterbefragung z. B. über Arbeitsbedingungen, Betriebsklima und Lohnzufriedenheit befragt, so benötigt er hierfür das Okay des Betriebsrats. Will der Arbeitgeber den Fragenkatalog ändern, gilt dies nicht.

Betriebsrat Mitarbeiterbefragung

Worum geht es?

Mitbestimmung. Ein Logistik- und Postkonzern befragt seit 2007 einmal jährlich alle Beschäftigten der konzernangehörigen Unternehmen zu mehreren Themen. Zur Gewährleistung der Anonymität wurde ein externer Dienstleister beauftragt, der die personenbezogenen Daten der Teilnehmer in von den Rückantworten getrennten Datenbanken speicherte, sodass keine Schnittstelle zwischen den persönlichen Daten und den Rückantworten bestand. Das hierfür verwendete IT-System wurde auf Basis einer mit dem Konzernbetriebsrat geschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung eingeführt. Für die Mitarbeiterbefragung 2015 änderte die Konzernleitung den Inhalt des Fragenkatalogs zur „Aktiven Führung“. Vom Konzernbetriebsrat vorgeschlagene Fragen nahm die Konzernleitung nicht in den Fragenkatalog auf. Der Konzernbetriebsrat fühlte sich übergangen und zog vor Gericht. Er pochte auf Beteiligung, weil die Änderung der Fragestellungen der Mitbestimmung unterliege, denn dadurch sei ein anderes als das von ihm mitbestimmte IT-System eingeführt worden.

Das sagt das Gericht

Das BAG war anderer Meinung und wies die Klage des Betriebsrats ab. Zwar sei die Entscheidung für eine Durchführung einer digitalen Mitarbeiterbefragung mitbestimmungspflichtig, nicht aber die Änderung des Fragenkatalogs. Die Modifikation der Fragen führe nicht zu einer Änderung dieser technischen Einrichtung, die eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslöst. Da die Änderung des Fragenkatalogs nicht auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer abziele, scheide auch eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aus. Darüber hinaus sei das Ändern der Fragen objektiv keine Gefährdungsbeurteilung, sodass auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht greife. Da aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung auch kein Personalfragebogen vorliege, scheide auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Sinne des § 94 BetrVG bei einer Änderung des Fragenkatalogs durch den Arbeitgeber aus. BAG, Beschluss vom 11.12.2018, Az.: 1 ABR 13/17

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Nehmen Sie aus diesem Beschluss folgende Erkenntnisse für Ihre Arbeit als Betriebsrat mit: Will Ihr Arbeitgeber eine digitale Mitarbeiterbefragung durchführen, bei der die Anonymität durch besondere Vorkehrungen gewährleistet ist, benötigt er hierfür Ihre Zustimmung. Denn eine vom Arbeitgeber initiierte Online-Mitarbeiterumfrage, bei der Daten elektronisch verarbeitet werden, unterliegt der Mitbestimmung, weil diese Konstellation die Voraussetzungen einer technischen Einrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfüllt.

Anonyme Befragungen in Papierform sind mitbestimmungsfrei

Befragt der Arbeitgeber die Beschäftigten anonym mithilfe eines Fragenkatalogs in Papierform nach ihrer Meinung und ist die Teilnahme freiwillig, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht, weil der Arbeitgeber aufgrund der Anonymität der Befragung keine Rückschlüsse auf einzelne Beschäftigte ziehen kann.

Auch der Betriebsrat darf die Beschäftigen fragen

Trotz des weitreichenden Informationsanspruchs des Betriebsrats – insbesondere aus § 80 Abs. 2 BetrVG – hat er darüber hinaus das Recht, jederzeit eine eigene Umfrage im Betrieb durchzuführen (anonym oder nicht anonym) und auszuwerten. Voraussetzung ist, dass sich die Fragen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats halten und die gewählte Art der Informationsbeschaffung oder des Informationsaustausches nicht zu Eingriffen in die Arbeitgebersphäre, zu Störungen des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens führt (BAG, Urteil vom 08.02.1977, Az.: 1 ABR 82/74).

Praxistipp: Beantwortung außerhalb der Arbeitszeit

Um Betriebsablaufstörungen auszuschließen, sollte der Betriebsrat die Beschäftigten dazu auffordern, die Fragen nicht während der Arbeitszeit auszufüllen.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)