24.09.2019

BAG: Arbeitgeber muss Reisezeiten für Fortbildungen vergüten

Gute Nachrichten aus Erfurt: Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber einem Beschäftigten die An- und Abreisezeit für die Teilnahme an einer im betrieblichen Interesse liegenden Fortbildung bezahlen muss. Die Reisezeiten zählten wie die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung als vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Betriebsrat Reisezeit

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein Arbeitnehmer ist in einem Unternehmen als ärztlicher Gutachter angestellt. Im Auftrag und im Interesse seines Arbeitgebers nahm er an einem verpflichtenden Gutachtertreffen und mehreren Seminaren teil. Einschließlich der An- und Abreise bedeutete dies für ihn einen Zeitaufwand von insgesamt rund 65 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis findet ein Tarifvertrag Anwendung, der vorsieht, dass die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme, einschließlich An- und Abreise (Dienstreise), als Arbeitszeit zu berücksichtigen ist. Der Arbeitgeber meinte, dem Tarifvertrag sei zu entnehmen, dass Reisen im Zusammenhang mit Fortbildungsmaßnahmen Reisen aus besonderem Anlass und damit keine vergütungspflichtigen Dienstreisen seien. Anderenfalls bedürfe es dieser Sonderregelung nicht. Der Arbeitnehmer war anderer Auffassung als sein Arbeitgeber und zog vor Gericht. Er klagte auf Gutschrift der Fortbildungszeiten einschließlich An- und Abreise auf sein Arbeitszeitkonto.

Das sagt das Gericht

Die Erfurter Bundesrichter gaben dem Arbeitnehmer Recht. Bei den Fortbildungsveranstaltungen habe es sich um Dienstreisen gehandelt. Dies ergebe die Auslegung des Tarifvertrages. Eine Dienstreise sei gemeinhin die Fahrt an einen Ort, an dem ein Dienstgeschäft zu erledigen sei. Hier habe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen beauftragt. Die Teilnahme sei für die Fortsetzung seiner Gutachtertätigkeit im dienstlichen Interesse des Arbeitgebers erforderlich gewesen. Es habe deshalb kein Zweifel bestanden, dass es sich um ein Dienstgeschäft gehandelt habe. Anknüpfungspunkt für eine Vergütungspflicht sei demnach stets das dienstliche Interesse des Arbeitgebers an der Reise und ob eine entsprechende Weisung von ihm vorliege. Dann sei es letztlich unerheblich, ob die Reise zur Teilnahme an einer Fortbildung oder zur Erbringung der Arbeitsleistung am Zielort durchgeführt werde. BAG, Urteil vom 15.11.2018, Az.: 6 AZR 294/17

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Wer vom Arbeitgeber zu einer Fortbildung geschickt wird, hat Anspruch auf Bezahlung der kompletten Reisezeiten (An- und Abreise), wenn es sich bei dem Besuch der Fortbildung um eine Dienstreise handelt. Denn auch die An- und Abreise im Rahmen einer Dienstreise dient der Erbringung der Arbeitsleistung am vom Arbeitgeber gewünschten Ort.

Das ist der Unterschied zwischen Fort- und Weiterbildung

Die Begriffe Fort- und Weiterbildung werden oft synonym verwendet, obwohl sie zwei unterschiedliche Formen der weiterführenden Qualifizierung darstellen. Das Ziel einer Fortbildung ist eine konkrete Weiterqualifizierung, die sich auf die derzeit ausgeübte Tätigkeit bezieht. Es geht hierbei um den gezielten Erwerb weiterführender Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf die Ausübung neuer, bevorstehender Aufgaben im Job ausgerichtet sind. Eine Weiterbildung muss demgegenüber nicht in einem unmittelbaren Bezug zur aktuell ausgeübten Tätigkeit stehen. Mit ihr wird kein konkreter betrieblicher Zweck verfolgt. Es geht vielmehr darum, das eigene Qualifikationsprofil auszubauen. Der Erwerb von Zusatzqualifikationen in den unterschiedlichsten Bereichen ist möglich.

Hinweis: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fortbildung

Bei der Anordnung von Fortbildungsmaßnahmen muss der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß § 98 BetrVG beteiligen.

Gibt es eine Fortbildungspflicht für Arbeitnehmer?

Grundsätzlich sind Fortbildungsmaßnahmen für Beschäftigte freiwillig. Eine Pflicht zur Fortbildung besteht nur, wenn dies – wie im Eingangsfall – zur Ausübung der Tätigkeit notwendig und unabdingbar ist und in der regulären Arbeitszeit stattfindet. In diesen Fällen sind Fortbildungsmaßnahmen häufig Bestandteil des Arbeitsvertrages.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)