14.11.2023

Arbeit auf Abruf – Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit

Ist in einem Beschäftigungsverhältnis die Arbeit auf Abruf geregelt, ohne dass die wöchentliche Arbeitszeit dauerhaft festgelegt ist, so gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. So sieht es das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vor. Eine Abweichung davon kann im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte zeigen, dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend eine alternative Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit beabsichtigt haben.

Arbeit auf Abruf

Beschäftigte in Druckerei als Abrufkraft

Im konkreten Fall geht es um eine Beschäftigte eines Unternehmens der Druckindustrie, die dort seit 2009 als „Abrufkraft Helferin Einlage“ arbeitet und nun gegen ihren Arbeitgeber klagt. Die Klägerin wurde – wie die übrigen auf Abruf beschäftigten Arbeitnehmerinnen – nach Bedarf in wechselndem zeitlichem Umfang zur Arbeit herangezogen, wobei ihr Arbeitsvertrag keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegt. Nachdem sich der zeitliche Umfang ihrer Arbeitsleistung ab 2020 im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Jahren verringerte, hat die Klägerin sich darauf berufen, dass ihre Arbeitsleistung in den Jahren 2017 bis 2019 durchschnittlich 103,2 Stunden betragen habe. Ihrer Ansicht nach führe eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass dies die geschuldete und von der Druckerei zu vergütende Arbeitszeit sei. Soweit der Abruf ihrer Arbeitsleistung in den Jahren 2020 und 2021 diesen Umfang nicht erreichte, hat sie Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangt.

Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz

Entsprechend der gesetzlichen Regelung von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) hat das Arbeitsgericht angenommen, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Abrufarbeitsverhältnis der Parteien betrage 20 Stunden. Es hat deshalb der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nur in geringem Umfang insoweit stattgegeben, als in einzelnen Wochen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Die Klägerin ging daraufhin in Berufung, was das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen hat. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

Arbeitszeit von 20 Wochenstunden

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Wird dies unterlassen, so schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme hat die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Eine andere Dauer der Arbeitszeit ist möglich

Wird die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23).

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)