29.09.2016

Ausschlussfrist: Sie als Betriebsrat informieren Ihre Kollegen über Auswege

Bei einer Ausschlussfrist erlöschen Ansprüche oder Rechte komplett, wenn die entsprechende Frist abgelaufen ist. Im Arbeitsrecht wird beispielsweise die Möglichkeit der Geltendmachung von Lohnansprüchen, der Urlaubsabgeltung, der Entgeltfortzahlung, der Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder die Erteilung von schriftlichen Zeugnissen durch Ausschlussklauseln befristet. Nach Ablauf der jeweiligen Frist ist das entsprechende Recht verfallen.

Ausschlussfrist Arbeitsrecht

Ausschlussfristen finden sich vor allem in Tarifverträgen, aber auch in Betriebsvereinbarungen und Individualarbeitsverträgen. Tarifliche Ausschlussfristen unterliegen kaum einer gerichtlichen Kontrolle. Das liegt am besonderen Schutz der Tariffreiheit durch das Grundgesetz. Deutlich strenger ist die Rechtslage bei einzelvertraglichen Fristen, also etwa dann, wenn ein Arbeitsvertrag vorsieht, dass ein Arbeitnehmer eine Prämie innerhalb von vier Wochen auf ihre Richtigkeit überprüfen muss und die Prämie danach als richtig anerkannt gilt.

Weit verbreitet: Zweistufige Ausschlussfristen

Zweistufige Ausschlussfristen verlangen, dass nach erfolgloser schriftlicher oder mündlicher Geltendmachung der streitige Anspruch binnen einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss. Ist eine einzelvertragliche zweistufige Ausschlussfrist vereinbart, so unterliegt sie aber – wie die einstufige Ausschlussfrist – neben dem Verbot der überraschenden Klausel der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB. Insoweit gilt hier dasselbe wie für die einstufige Ausschlussfrist.

Hinweis

Die vertragliche Mindestfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche muss drei Monate betragen. Das ist so zu verstehen, dass bei einer Kombination von ein- und zweistufiger Ausschlussfrist die Mindestfrist in jeder Stufe jeweils drei Monate betragen muss.

 

Übersicht: Schutz nach AGB-Recht

Die Ausschlussfristen von Arbeitsverträgen unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dem sogenannten AGB-Recht. Danach sind insbesondere diese Formulierungsarten unzulässig:

  • überraschende Klauseln: Dies sind Fristen, mit denen der Arbeitnehmer so nicht zu rechnen brauchte. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich eine Ausschlussfrist an versteckter Stelle oder unter einer irreführenden Überschrift in einem Vertragsformular befindet. Dies wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn die Klausel unter vielen weiteren Regelungen unter dem Punkt „Abschließende Regelungen“ oder „Schlussbestimmung“ enthalten ist und dabei keine optische Hervorhebung erfolgt.
  • intransparente Klauseln: Auf die Frist und darauf, dass die Ansprüche bei verspäteter Geltendmachung verfallen, muss der Arbeitgeber klar und deutlich hinweisen. Tut er das nicht, ist die Klausel ungültig.
  • Ausschluss „sämtlicher“ Ansprüche: Werden „sämtliche“ oder „alle“ Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von einer Ausschlussfrist umfasst, ist das problematisch. Damit wären auch Ansprüche aus einer Haftung wegen Vorsatzes mit erfasst, was nicht geht. Auch Ansprüche wegen einer Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit sowie bei grobem Verschulden müssen ausdrücklich von der Ausschlussfrist ausgenommen werden.
  • Klauseln, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen: Eine unangemessene Benachteiligung kann sich vor allem aus der Kürze der Frist ergeben. Nach der Rechtsprechung des BAG muss die Ausschlussfrist mindestens drei Monate betragen.

Hinsichtlich der Unwirksamkeit ist zu unterscheiden

Erweist sich eine einzelvertragliche Ausschlussfrist aufgrund der AGB-Kontrolle als unwirksam, kann der Arbeitnehmer Ansprüche unabhängig von der unwirksamen Ausschlussfrist geltend machen. Er muss allerdings trotzdem die Verjährung beachten (meist drei Jahre). Für Ansprüche des Arbeitgebers gilt das allerdings nicht. Das kann dazu führen, dass ein und dieselbe Vertragsklausel wirksam oder unwirksam ist. Benachteiligt die Vertragsklausel den Arbeitnehmer unangemessen, ist sie gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Wirkt dieselbe Vertragsklausel zugunsten des Arbeitnehmers, ist sie zulasten des Arbeitgebers wirksam. Ist etwa eine Ausschlussfrist zu kurz bemessen, ist die Klausel unwirksam, soweit es um Ansprüche des Arbeitnehmers geht. Macht der Arbeitgeber hingegen Ansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend (z. B. Schadensersatzansprüche), muss dieser die – von ihm selbst formulierte – kurze Ausschlussfrist einhalten, ansonsten verfällt sein Anspruch.

Komplizierte Rechtslage bei zweistufigen Ausschlussfristen

Bei der Wirksamkeit von zweistufigen Ausschlussfristen ist zu klären, ob die Klausel teilbar ist. Dies entscheidet darüber, wie die Formulierung zu werten ist:

  • Ist die einzelvertragliche Ausschlussklausel hinsichtlich der ersten Stufe unwirksam, ist sie insgesamt unwirksam, selbst wenn die zweite Stufe wirksam wäre, weil die zweite auf der ersten Stufe aufbaut.
  • Ist die einzelvertragliche Ausschlussfrist hinsichtlich der ersten Stufe wirksam, wird sie nicht dadurch unwirksam, dass zur Wahrung der Ausschlussfrist zusätzlich noch in der zweiten Stufe die gerichtliche Geltendmachung verlangt wird und die Frist hier gegebenenfalls zu kurz bemessen ist.

Beispiele: Teilbarkeit zweistufiger Ausschlussfristen

  • Die Ausschlussfrist beträgt in der ersten Stufe zwei Monate und in der zweiten Stufe zwei Monate: Die Klausel ist, weil die Fristen jeweils zu kurz sind, insgesamt unwirksam.
  • Die Ausschlussfrist beträgt in der ersten Stufe zwei Monate und in der zweiten Stufe drei Monate: Die Klausel ist insgesamt unwirksam, weil die Frist in der ersten Stufe zu kurz ist, und die zweite Stufe auf der Wirksamkeit der ersten Stufe aufbaut.
  • Die Ausschlussfrist beträgt in der ersten Stufe drei Monate und in der zweiten Stufe zwei Monate: Die Klausel ist teilbar. Die erste Stufe ist wirksam, die zweite Stufe unwirksam.
  • Die Ausschlussfrist beträgt in der ersten Stufe drei Monate und in der zweiten Stufe drei Monate: Die Klausel ist insgesamt wirksam.

Ihre Aufgaben beziehen sich auf zwei Schwerpunkte

Im Bereich der Ausschlussfristen sollten Sie sich hauptsächlich auf folgende zwei Schwerpunkte konzentrieren:

  • Prüfung der Geltung von Ausschlussfristen
  • Unterstützung bei der rechtlichen Begründung und konkreten Berechnung von Arbeitnehmeransprüchen

Prüfen Sie die Rechtslage

Arbeitnehmern, die bestimmte Ansprüche durchsetzen wollen, sollten Sie als Betriebsrat bei der stets erforderlichen Prüfung, ob Ausschlussfristen vorhanden sind bzw. welchen Inhalts diese Ausschlussfristen sind, tatkräftig zur Seite stehen. Sollten in dem Zusammenhang kompliziertere Rechtsprobleme auftreten oder sollte die Rechtslage auch für Sie als Betriebsrat unklar sein, wäre den Arbeitnehmern anzuraten, einen Rechtsanwalt zurate zu ziehen.

Ihre Hilfe ist gefordert

Insgesamt ist dies ein schwieriges Rechtsgebiet. Hier sind Sie ein wichtiger Ratgeber für die Kollegen. Deshalb sollte sich wenigstens ein BR-Mitglied hier einarbeiten. Sie sollten zur Unterstützung des Beschäftigten beim Arbeitgeber nachfragen, ob tarifliche Ausschlussfristen aufgrund der Anwendung eines Tarifvertrags, kraft Verweisung in der Betriebsvereinbarung oder wegen betrieblicher Übung der Anwendbarkeit eines Tarifvertrags gelten. Zugleich sollte der Arbeitgeber im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu der Zusicherung aufgefordert werden, er werde den einschlägigen Anspruch des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist erfüllen, wenn er bestehe (s. Musterschreiben).

Unterstützung bei Begründung und Berechnung

Es gehört es zu den notwendigen inhaltlichen Voraussetzungen der wirksamen Geltendmachung eines Anspruchs innerhalb einer bestehenden Verfallsfrist, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber dem Grunde nach detailliert und konkret und der Höhe nach möglichst genau beziffert geltend macht. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen sollten Sie daher die Arbeitnehmer stets dazu anhalten, deren Forderungen nach Grund und Höhe genau zu beschreiben und sie auch nach Zeit und Gegenstand zu begründen. Im Rahmen der rechtlichen Begründung von Ansprüchen und bei der Berechnung der konkreten Anspruchshöhe ist es häufig erforderlich, die Arbeitnehmer zu unterstützen.

Hinweis

Nach Auffassung des BAG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf die in der Ausschlussklausel vorgeschriebene Geltendmachung eines Anspruchs hinzuweisen. Auch wenn der Arbeitgeber falsche Auskünfte über das Bestehen eines Anspruchs gibt, bleibt die Ausschlussfrist wirksam. Eine Ausschlussfrist kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer von der entsprechenden Verfallsklausel keine Kenntnis hatte.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)