30.11.2017

Wärmepumpe muss weg! Zu nah am Nachbarn!

Grundstücksnachbar verlangt Beseitigung der Wärmepumpe unter Zugrundelegung nachbarrechtlicher Vorschriften innerhalb der bayerischen Bauordnung nach OLG Nürnberg (14 U 2612/15).

Wärmepumpe

Sachverhalt

Die Parteien sind Nachbarn und streiten über eine von der Beklagten auf ihrem Grundstück errichtete und zur Beheizung ihres Einfamilienhauses betriebene Luftwärmepumpe. Die Luftwärmepumpe befindet sich im Garten des Grundstücks der Beklagten in einem Abstand von zwei Metern zu dem von den Klägern bewohnten Nachbargrundstück.

Grundstücksnachbar verlangt Beseitigung der Luftwärmepumpe unter Zugrundelegung nachbarrechtlicher Vorschriften innerhalb der bayerischen Bauordnung.

Der beklagte Betreiber der Wärmepumpe behauptet, eine Versetzung der Luftwärmepumpe unter Einhaltung einer Abstandsfläche von drei Metern zur Grundstücksgrenze sei nur unter unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich.

Mit der Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg macht die Beklagte geltend, die Einordnung der Luftwärmepumpe als Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung im Sinne des Artikels 6

Abs. 1 Satz 2 BayBO sei rechtsfehlerhaft.

Die Beklagte hatte ihrem Energieberater den Streit verkündet und ihn aufgefordert, dem Rechtsstreit als Streithelfer beizutreten. Der angerufene Senat hatte keinen Beweis erhoben, also insbesondere keinen Lärmgutachter vernommen.

Entscheidung

Das OLG Nürnberg hat in der Berufung entschieden, das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth habe die Beklagte zu Recht zur Entfernung der Luftwärmepumpe verurteilt.

Anspruchsgrundlage des Nachbarn ist ein Sammelsurium aus verschiedenen Beseitigungsansprüchen sowohl des BGB als auch der Bauordnung, nämlich § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 2 BGB und Artikel 6 BayBO.

Den Nachbarn steht als Grundstückseigentümern aus diesen Vorschriften ein sog. quasinegatorischer Beseitigungsanspruch gegen all diejenigen zu, die die entsprechenden Schutzgesetze objektiv verletzen. Es handelt sich also um einen dinglichen Anspruch, der sich gegen jedermann richtet. Zu den von dieser Ansammlung von Beseitigungsvorschriften geschützten Gesetzen gehören auch, so der Senat, die Vorschriften des Bauordnungsrechts über den Grenzabstand, weil auch sie dem Interesse des Nachbarn an ausreichender Belichtung und Belüftung seines Grundstücks, an einem freien Ausblick und an der Vermeidung von Lärmimmissionen dienen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Einzelentscheidung des OLG Nürnberg, sondern der Senat verweist auf höchstrichterliche Rechtsprechung wie folgt:

BGH, Urteil vom 29.04.2011 – Az: 5 ZR 174/10 –; BGH, Urteil vom 11.10.1996 – Az: 5 ZR 3/96 –; OLG Frankfurt, Urteil vom 26.02.2013 – Az: 25 U 162/12 –; BayObLG, Beschluss vom 23.01.2001 – Az: 2Z BR 116/00 –.

Der Senat stellt fest, dass mit der Platzierung der Luftwärmepumpe in einem Abstand von 2 m zum angrenzenden Nachbargrundstück die bauordnungsrechtlich erforderliche Abstandsfläche nicht gewahrt ist.

Gemäß Artikel 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO beträgt die Abstandsfläche, die auf dem Grundstück des Betreibers der Wärmepumpe selbst liegen muss, mindestens 3 m.

Ähnliche oder sogar gleichlautende Vorschriften gibt es auch in allen anderen Bauordnungen der Länder.

Grundsätzlich stellt der Senat aber in diesem Urteil erstmalig fest, dass es sich bei der Luftwärmepumpe um eine sog. „andere Anlage“ i.S.v. Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO handelt, von der „Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen“. Der Umstand, dass es sich bei der Luftwärmepumpe möglicherweise nicht um eine bauliche Anlage handelt, braucht für den Senat daher nicht bestritten zu werden.

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Hinweis für die Praxis

Die Wahrung von Abstandsflächen gilt, so der Senat, über Artikel 57 BayBO auch für alle Anlagen, die keiner besonderen bauordnungsrechtlichen Genehmigung bedürfen. Neben ihrer Größe sind für den Nürnberger Senat unter Zugrundelegung höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVGH, Urteil vom 28.07.2009 – Az: 22 BV 08.3427 –) auch die Auswirkungen der Nutzung der Anlage zu berücksichtigen.

Auch eine bestimmte Mindestgröße oder Mindesthöhe der von Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO erfassten Anlagen hat der Gesetzgeber nach Ansicht des Senats nicht vorgesehen.

Nach der vom Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung sind die Abstandsflächen von Gebäuden und von Anlagen freizuhalten, die, ohne selbst Gebäude zu sein, auf das Nachbargrundstück einwirken wie ein Gebäude.

Funktionaler Anknüpfungspunkt der Regelung ist damit für den Senat nicht das bauliche Ausmaß der Anlage, sondern das Ausmaß der von ihr ausgehenden Wirkung.

Für den Senat ist es unstreitig, und ohne dass er diesbezüglich Beweise erhebt, dass eine Luftwärmepumpe Geräuschimmissionen verursacht. Hierbei konstatiert der Senat, dass deren Ausmaß umstritten ist, die jedoch, wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt, schon als solche geeignet sind, den Nachbarfrieden zu gefährden, dessen Schutz die Vorschriften über die Abstandsflächen dienen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der klagende Nachbar auch wegen der angeblich unerträglichen Geräuschimmissionen von dem Grundstückseigentümer auch Schmerzensgeld verlangt hat.

Autor*in: Frank Thiele (Selbständiger Rechtsanwalt, Zusatzausbildung im Steuerrecht. L eitender Justiziar bei dem Herbert Hillebrand Konzern (Bau und Immobilen) und bei der Deutschen Industrieholdung (DIH). Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Köln, viele Vorträge und Seminare. Umfangreichte Tätigkeit als Fachautor.)