15.12.2015

Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO) – das sind die Änderungen 2014

Die Regelungen zu Verkaufsstätten unterliegen besonderen sicherheitstechnischen Anforderungen. Das zur Verfügung stehende Regelwerk der Muster-Verkaufsstättenverordnung aus dem Jahr 1995 wurde von der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz nun überarbeitet. Dabei sind wichtige Änderungen aufgetreten.

Muster-Verkaufsstättenverordnung

Regelungen zu Verkaufsstätten sind nicht erst seit dem Aufkommen großflächiger Einkaufszentren von Bedeutung. Ihre Eigenschaft als Sonderbauten resultiert aus dem Umstand, dass durch ihre besondere Art und Nutzung ihre Benutzer in anderer Weise als etwa bei „normalen“ Wohngebäuden gefährdet werden können. Daher unterliegen sie auch besonderen sicherheitstechnischen Anforderungen.

Die Fachkommission „Bauaufsicht“ der Bauministerkonferenz hat das dafür grundlegend zur Verfügung stehende Regelwerk der Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO) aus dem Jahr 1995 nun überarbeitet (07/2014). Wichtige Änderungen betreffen die:

  • Einteilung von Brandabschnitten
  • Gestaltung der Rettungswege
  • Erweiterung der Flure
  • Gestaltung der Ausgänge
  • Maßnahmen der Rauchableitung
  • Anforderungen an die Sicherheitsbeleuchtung
  • Spezifizierung von Wandhydranten
  • Anforderungen an die Brandmeldeanlagen
  • Brandschutzordnung
  • Zahl der barrierefreien Pkw-Stellplätze

 

 

Brandabschnitte

Durch Ladenstraßen gebildete Brandabschnitte dürfen in den frei zu haltenden Bereichen der Brandabschnittstrennung keine Brandlasten aufweisen. Das gilt gleichermaßen für den gesamten Bereich der Höhe. Um die Arbeit der Feuerwehr nicht zu erschweren, sind also Einbauten (Sitzgruppen, Werbestände o.Ä.) unzulässig, auch wenn diese nicht brennbar sind.

Darüber hinaus werden Maßnahmen für den Wärmeabzug nach Art, Größe und Anordnung verlangt, um eine Brandübertragung zu behindern. Infrage kommen Wärmeabzugsgeräte, ständig vorhandene Flächen von Öffnungen sowie geschlossene Öffnungen (jeweils mindestens 1 m breit, durchlaufend und mittig), die leicht geöffnet werden können, ferner geometrisch freie Flächen der Eintrittsöffnungen von Rauchabzugsgeräten nach DIN EN 12101-2.

 

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Rettungswege

Die Verlängerung des ersten Rettungswegs eines Verkaufsraums auf einer Ladenstraße ist aus brandschutztechnischer Sicht jetzt vertretbar, wenn der zweite Rettungsweg nicht über diese Ladenstraße führt.

Daneben wurde eine Ausnahme für Verkaufsräume ≤ 100 m² Grundfläche mit zwei entgegengesetzten Fluchtrichtungen über die Ladenstraße geschaffen. Erforderlich sind jedoch eine Raumtiefe von maximal 10 m sowie großflächige Sichtbeziehungen zur Ladenstraße.

 

 

Flure

In Verkaufsräumen ≤ 500 m² Grundfläche wurde die Breite der notwendigen Flure für Kunden von 1,40 m auf 1,50 m erweitert. Hintergrund sind die besonders schützenswerten Belange von behinderten und älteren Menschen sowie von Personen mit Kleinkindern (zur Barrierefreiheit, siehe DIN 18040-1, Abschnitt 4.3.2).

 

 

Ausgänge

Ergänzt wurden die Bezugsflächen zur Ermittlung der Ausgangsbreiten; nunmehr werden auch die Flächen der Ladenstraßen einbezogen. Dabei sind Ladenstraßen bezogen auf die sich aus ihrer Mindestbreite (5 m) ergebenden Flächen voll anzusetzen.

Ladenstraßen, die die Mindestbreite überschreiten, müssen berücksichtigt werden, wenn ihre arithmetische Hälfte größer als die sich aus der Mindestbreite ergebenden Fläche ist. Betroffen sind demnach erst Ladenstraßen mit einer Breite > 10 m.

 

 

Rauchableitung

Die Regelungen zur Rauchableitung (bisher: Rauchabführung) wurden grundlegend überarbeitet und erweitert. Sie bilden das zentrale Thema der neuen Muster-Verkaufsstättenverordnung.

Die Maßnahmen greifen jetzt bereits für Verkaufsräume und sonstige Aufenthaltsräume > 50 m² Grundfläche. Neu erfasst werden zudem Lagerräume > 200 m² Grundfläche. Konzentriert und abschließend geregelt sind außerdem die Anforderungen zur Rauchableitung von Ladenstraßen. Schließlich werden Rauchabzugsanlagen, Türen, Fenster, Sprinkleranlagen usw. neuen sicherheitstechnischen Anforderungen unterworfen.

Die Rauchableitung zielt allein auf die Unterstützung der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr (Schutzziel). Dabei wird nach der Art und Größe der Räume sowie nach der Art und Weise der Rauchableitung unterschieden.

Zusammengefasst genügen in Räumen ≤000 m² Grundfläche im oberen Raumdrittel angeordnete Wand-/ Dachöffnungen, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen und deren geometrische Größe insgesamt mindestens 1 % der Grundfläche des Raums ausmacht.

Bei Räumen > 1.000 m² Grundfläche mit natürlich wirkender Rauchableitung wird eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Rauchabzugsgeräten im oberen Raumdrittel und die Bildung von Auslösegruppen verlangt.

Die Rauchableitung ist somit generell über folgende Alternativen möglich:

  • Öffnungen
  • natürlich wirkende Rauchabzugsanlagen
  • maschinelle Rauchabzugsanlagen

Konkret bedeutet das im Einzelnen:

Für Verkaufsräume und sonstige Aufenthaltsräume ≤ 200 m² Grundfläche ist die Rauchableitung über Fenster mit einem Rohbaumaß von mindestens einem Achtel der Netto-Grundfläche des Raums ausreichend.

Für Verkaufsräume, sonstige Aufenthaltsräume und Lagerräume ≤1.000 m² Grundfläche kann das Schutzziel ebenfalls ohne Rauchabzugsanlage erreicht werden. Dafür ist je nach Lage der Öffnungen zur Rauchableitung eine prozentual nach der Grundfläche des Raums bestimmte Gesamtöffnungsfläche (mindestens 1 % der Grundfläche) erforderlich. Bei der Anordnung von Öffnungen zur Rauchableitung in Außenwänden wird wegen der damit verbundenen erhöhten Schwierigkeiten eine Gesamtöffnungsfläche von mindestens 2 % der Grundfläche verlangt. Die Größe der Öffnungen für die Zuluft (Zuluftflächen) hängt von der notwendigen Gesamtöffnungsfläche ab. Insgesamt genügen für einen Raum jedoch Zuluftflächen von insgesamt 12 m². Als Öffnungsflächen und Zuluftflächen gelten jeweils die freien Querschnitte von Öffnungen in Außenwänden und Dächern.

Für Verkaufsräume, sonstige Aufenthaltsräume und Lagerräume > 1.000 m² Grundfläche kann das Schutzziel über natürlich wirkende Rauchabzugsanlagen erfüllt werden. Für sie werden feste Bemessungsregeln zur Mindestgröße der aerodynamisch wirksamen Flächen der Rauchabzugsgeräte vorgegeben – bezogen auf die maximale Raumgrundfläche und damit die Verteilung der Geräte. Eine Interpolation der Größe der aerodynamisch wirksamen Rauchabzugsflächen bezogen auf die Flächen der jeweiligen Räume ist unzulässig. Es sind Rauchabzugsgeräte nach DIN EN 12101-2 zu verwenden. Die Zuluftfläche wird nur einmal in einer Gesamtgröße von 12 m² verlangt, auch wenn mehrere Auslösegruppen erforderlich werden. Die Gesamtfläche für die Zuluft kann auf verschiedene Öffnungen verteilt werden.

Schließlich wurde für Ladenstraßen ebenfalls eine Möglichkeit der Rauchableitung durch die Anordnung natürlich wirkender Rauchabzugsanlagen aufgenommen.

Neben Öffnungen und natürlich wirkenden Rauchabzugsanlagen bilden maschinelle Rauchabzugsanlagen eine dritte Alternative für die Rauchableitung. Sie müssen – je nach Größe des Raums – bestimmte Luftvolumenströme erzeugen.

Zunächst werden Mindest-Luftvolumenströme für eine maximale Raumgrundfläche und damit die flächenmäßige Verteilung von Rauchabzugsgeräten oder Absaugstellen in einem Raum festgelegt.

 

Grundfläche Raum

[m²]

Anzahl der Geräte/ Stellen im Raum

Luftvolumenstrom gesamt

[m³/h]

Luftvolumenstrom (gerundet)

je Gerät/Stelle [m³/h]

≤ 400 1 10.000 10.000
≤ 800 2 20.000 10.000
≤ 1.200 3 30.000 10.000
≤ 1.600 4 40.000 10.000
≤ 2.000 5 45.000 9.000
≤ 2.400 6 50.000 8.300
≤ 2.800 7 55.000 7.800
≤ 3.200 8 60.000 7.500
≤ 3.600

 

Eine Interpolation der Mindest-Luftvolumenströme bezogen auf die Grundflächen der jeweiligen Räume ist unzulässig.

Daneben lässt sich das Schutzziel mit einem konstanten Luftvolumenstrom von insgesamt mindestens 40.000 m³/h erreichen. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass der Bereich des Brands erkannt wird und der gesamte Luftvolumenstrom auf einer Fläche von höchstens 1.600 m² im Bereich des Brands mit entsprechend verteilten Rauchabzugsgeräten oder Absaugstellen abgeleitet werden kann.

Für beide Varianten sollte die Zuluft spätestens mit dem Anlaufen der maschinellen Rauchabzugsanlage zur Verfügung stehen, damit sich die Türen der Ausgänge des Raums problemlos öffnen lassen. Die Strömungsgeschwindigkeit der Zuluft ist dabei auf 3 m/s begrenzt, um Verwirbelungen vorzubeugen.

Schließlich wird der Einsatz maschineller Rauchabzugsanlagen auch bei sonstigen Ladenstraßen ermöglicht.

Konkretisiert wurde darüber hinaus die Rauchableitung in Verkaufsstätten mit Sprinkleranlagen. Die Sprinkleranlage selbst leistet ja bereits einen wesentlichen Beitrag zur Brandbekämpfung. Eine Entrauchung wird deshalb auch über eine Lüftungsanlage erreicht, die im Brandfall automatisch so betrieben wird, dass sie nur entlüftet und der entsprechende Volumenstrom gewährleistet ist. Die Umschaltung der Lüftungsanlage auf die Entlüftungsfunktion muss in Räumen, für die eine Brandmeldeanlage mit automatischen Brandmeldern vorgeschrieben oder vorhanden ist, bereits beim Auslösen dieser Anlage erfolgen. In sonstigen Räumen muss die Umschaltung beim Auslösen der Sprinkleranlage erfolgen.

Abschließend benannt werden auch die Maßnahmen zur Rauchableitung aus notwendigen Treppenräumen. Je nach ihrer Ausbildung (mit/ohne Fenster) erfolgt eine Neubewertung der Anforderungen. Sie gelten unabhängig von der Höhe des Treppenraums und orientieren sich an der üblichen Fluchtrichtung, h. von oben nach unten.

Sowohl natürlich wirkende als auch maschinelle Rauchabzugsanlagen müssen automatisch auslösen und von Hand von einer jederzeit zugänglichen Stelle ausgelöst werden können. Für Erstere muss die Auslösung nicht mehr zwingend durch Rauchmelder erfolgen; es genügen automatische Auslöseelemente nach DIN EN 12101-2.

Anforderung

Raum

Notwendigkeit einer Rauchableitung
  • Verkaufsräume > 50 m² Grundfläche
  • sonstige Aufenthaltsräume > 50 m² Grundfläche
  • Lagerräume > 200 m² Grundfläche
  • Ladenstraßen
  • notwendige Treppenräume
Fenster nach § 47 MBO ausreichend
  • Verkaufsräume ≤ 200 m² Grundfläche
  • sonstige Aufenthaltsräume ≤ 200 m² Grundfläche
  • kleine Räume mit Öffnungen von 1 % derGrundfläche an der obersten Stelle oder 2 % der Grundfläche im oberen Drittel der Außenwände
  • Zuluftflächen im unteren Drittel in der Größe der Rauchableitung bzw. 12 m²
  • Verkaufsräume ≤ 1.000 m² Grundfläche
  • sonstige Aufenthaltsräume ≤ 1.000 m² Grundfläche
  • Lagerräume ≤ 1.000 m² Grundfläche
  • große Räume mit 1,5 m² aerodynamisch wirksame Grundfläche je 400 m² Grundfläche
  • eigene Auslösegruppe je 1.600 m² Grundfläche
  • Zuluftfläche im unteren Drittel mit 12 m²
  • Verkaufsräume > 1.000 m² Grundfläche
  • sonstige Aufenthaltsräume > 1.000 m² Grundfläche
  • Lagerräume > 1.000 m² Grundfläche
  • alternativ maschinelle Rauchabzugsanlage mit 10.000 m³/ h je 400 m² Grundfläche; Sonderregelung bei mehr als 1.600 m² Grundfläche
  • Zuluftöffnung im unteren Drittel mit maximaler Strömungsgeschwindigkeit von 3 m/s automatisch angesteuert
  • Verkaufsräume
  • sonstige Aufenthaltsräume
  • Lagerräume
  • Ladenstraßen mit lediglich einer Ebene
  • alternativ bei Sprinklerung automatisch angesteuerte Lüftungsanlage mit 10.000 m³/h je 400 m² Grundfläche; Sonderregelung bei mehr als 1.600 m² Grundfläche
  • Zuluftöffnung im unteren Drittel mit maximaler Strömungsgeschwindigkeit von 3 m/s automatisch angesteuert
  • Verkaufsräume
  • sonstige Aufenthaltsräume
  • Lagerräume
Fenster je Geschoss und an oberster Stelle 1 m² geometrische Öffnungsfläche notwendige Treppenräume
alternativ an oberster Stelle 1 m² aerodynamisch wirksame Fläche notwendige Treppenräume
Größe der Ladenstraße mit lediglich einer Ebene nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 MVKVO, ansonsten Bemessung der Rauchableitungsöffnung oder der mechanischen Entrauchung erforderlich Ladenstraßen

 

Sicherheitsbeleuchtung

Die Anforderungen an die Sicherheitsbeleuchtung wurden aus Gründen der Einheitlichkeit an die Regelungen der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) angepasst.

 

 

Wandhydranten

Eindeutig bestimmt wurde nunmehr die Art der in Verkaufsstätten vorzuhaltenden Wandhydranten; es muss sich um solche für die Feuerwehr (Typ F) handeln.

Wegen der besonderen Anforderungen an Trinkwasser können – in Abstimmung mit der Feuerwehr – anstelle von Wandhydranten jetzt ausnahmsweise auch trockene Löschwasserleitungen treten.

 

 

Brandmeldeanlagen

Aufgrund ihrer Größe müssen Verkaufsstätten nun grundsätzlich eine automatische Brandmeldeanlage sowie eine unmittelbare Alarmierung der Feuerwehr vorhalten. Damit wird ausgeschlossen, dass auf eine andere ständig besetzte Stelle (B. Wachgesellschaft) aufgeschaltet wird, woraus naturgemäß ein Zeitverzug für den Feuerwehreinsatz resultieren würde.

Ausnahmsweise kann auf automatische Melder verzichtet werden, wenn in den Räumen während der Betriebszeiten ständig eingewiesene Betriebsangehörige in ausreichender Zahl anwesend sind.

 

Brandschutzordnung und Räumungskonzept

Die Feuerwehr allein kann die Personenrettung in Verkaufsstätten nicht sicherstellen. Sie ist darauf angewiesen, dass die Personen bei ihrem Eintreffen die Verkaufsstätte bereits weitgehend verlassen haben. Verkaufsstätten sind daher von vornherein so zu planen, dass im Rahmen der Personenrettung die Mitwirkung der Feuerwehr vom Grundsatz her entbehrlich wird.

Damit erlangt der betriebliche/organisatorische Brandschutz besondere Bedeutung, gerade mit Blick auf Personenkreise, die sich nicht oder nur eingeschränkt selbst retten können, beispielsweise Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder Kinder.

Erforderlich ist in jedem Fall eine Brandschutzordnung. Sie muss nicht nur die Aufgaben des Brandschutzbeauftragten und der Selbsthilfekräfte beinhalten, sondern auch die für eine schnelle und geordnete Räumung erforderlichen Maßnahmen festlegen.

Bei Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume eine Fläche > 5.000 m² aufweisen, tritt ein gesondertes Räumungskonzept hinzu. Es enthält regelmäßig Maßnahmen der Besucherlenkung, der abschnittsweisen Räumung, der Räumungsorganisation sowie der Räumung ins Freie.

 

Barrierefreie Stellplätze

Den besonders schützenswerten Erfordernissen barrierefreien Bauens entsprechend wurde die Mindestzahl der notwendigen barrierefreien (bisher: behindertengerechten) Stellplätze von einem Stellplatz auf zwei Stellplätze erhöht.

Autor*in: René Schütze (René Schütze, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), M.A., Stadtverwaltungsrat, ist Leiter des Bauaufsichtsamts der Stadt Brandenburg an der Havel und seit mehr als 15 Jahren mit Fragen des öffentlichen Baurechts befasst. Er lehrt u.a. öffentliches Bauordnungs- und Bauplanungsrecht an der Brandenburgischen Kommunalakademie Potsdam.)