24.03.2016

Die Anforderungen des GEG sind immer einzuhalten

Auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung gehören die Anforderungen des GEG zur Sollbeschaffenheit einer Werkleistung. Blower-Door-Tests sind grundsätzlich bereits nach Fertigstellung der Gebäudehülle durchzuführen, da durch eine Luftdichtigkeitsmessung zu diesem Zeitpunkt Undichtigkeiten regelmäßig einfacher nachgebessert werden können als nach Fertigstellung des Gebäudes.

Anforderungen der EnEV

Streitfrage

Die Kläger (nachfolgend: Auftraggeber/AG) sind Bauherren eines Einfamilienhauses. Durch einen Blower-Door-Test (BDT) wurde festgestellt, dass das Gebäude nicht den Dichtigkeitsvorschriften der für dieses Bauvorhaben geltenden EnEV 2007 entsprach. Verschiedene Gewerke mussten nachbessern. Das wiederholte sich mehrmals. Erst mit dem sechsten BDT konnte eine Dichtigkeit entsprechend der EnEV nachgewiesen werden.

Die Kläger verlangen nun von den betroffenen Gewerken Schadensersatz, u.a. die Kosten für die ersten fünf vergeblichen BDT. Außerdem verlangen die Kläger die Erstattung von Kosten, die in einzelnen Gewerken wiederholt anfielen zur Nachbesserung von Schäden, die durch die Mangelbeseitigungsarbeiten zur Luftdichtheit dann an schon fertiggestellten Leistungen entstanden sind. Das gilt z.B. für Malerarbeiten, die teilweise zu wiederholen und deshalb auch wiederholt zu bezahlen waren.

Die betroffenen Gewerke wenden u.a. ein, dass die Einhaltung eines entsprechenden EnEV-Standards mit ihnen gar nicht vereinbart worden sei. Außerdem: soweit bereits fertige Ausbaugewerke durch die Nachbesserung der Luftdichtigkeit beschädigt und wiederholt werden mussten, seien die AG dies selbst schuld, da sie den BDT zu spät hätten durchführen lassen.

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Entscheidung und Begründung

Das OLG stellt klar, dass es einer Vereinbarung eines bestimmten Standards an Luftdichtigkeit in den einzelnen Werkverträgen nicht bedarf. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung gehören die Anforderungen der EnEV ohne weiteres zur vereinbarten und deshalb von den Auftragnehmern im Rahmen ihres jeweiligen Gewerks, soweit dies dafür relevant ist, geschuldeten Soll-Beschaffenheit einer Werkleistung.

Weicht die Ist-Situation der Bauausführung davon ab, liegt ein Mangel vor. Das OLG gibt den AG deshalb insoweit Recht, dass die unnötigen Kosten für die ersten fünf erfolglosen BDT als Mangelfolgeschaden zu ersetzen sind. Dabei traf die Ersatzpflicht im vorliegenden Fall gleich mehrere Gewerke und diese alle zusammen als Gesamtschuldner, da jedes dieser Gewerke (HLSE, Fenster-/Türen-/Rolladenbau, Trockenbau) einen eigenen Ursachenbeitrag lieferte, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Die AG können sich deshalb „aussuchen“, von welchem dieser Gewerke sie den gesamten Schadensbetrag verlangten; das in Anspruch genommene Gewerk hat sich dann seinerseits selbst darum zu kümmern, im wege des internen Gesamtschuldnerausgleichs entsprechende Teilbeträge – diese dann in Höhe des jeweiligen Ursachenbeitrags – von den anderen Gewerken zurück zu verlangen.

Hingegen unterliegen die AG mit dem Anspruch auf Schadensersatz für die Reparaturen der durch die Mangelbeseitigungen beschädigten, schon fertig gestellten Ausbaugewerke. Es folgt aus der Bezugnahme von § 6 EnEV auf die allgemeinen Regeln der Technik bzw. auf die DIN EN 13829, Ziff. 5.1.3, dass die Messung nach Fertigstellung der Gebäudehülle möglich ist und eine Luftdichtigkeitsmessung zu diesem Zeitpunkt Undichtigkeiten regelmäßig einfacher nachgebessert werden können als nach Fertigstellung des Gebäudes. Entsprechend den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen war der BDT jedenfalls nach Einbau von Estrich, Dämmung, Folien und GK-Platten durchzuführen. Damit hätten die hier nun geltend gemachten Schäden an den weiteren Ausbauleistungen vermieden werden können. Insoweit haben die AG gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen und können deshalb die Mehrkosten für Reparaturen an den erwähnten weiteren Ausbauleistungen nicht ersetzt verlangen.

Dass die Anforderungen der EnEV „sowieso“ einzuhalten seien, auch wenn dazu in den Werkverträgen mit den bauausführenden Unternehmen nichts erwähnt wird, ist im Ergebnis richtig. Die Begründung des Urteils dazu ist aber leider sehr dürftig. Das OLG stellt diese Aussage lediglich als Behauptung oder bereits feststehendes Ergebnis unkommentiert in den Raum. Es begnügt sich zur Begründung mit einem Verweis auf eine ähnliche Entscheidung des OLG Brandenburg v. 02.10.2008, 12 U 92/08. Auch dort wird aber lediglich pauschal ausgesagt, eine Abweichung von der EnEV sei ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik.

Anerkannte Regeln der Technik sind solche, die in der Wissenschaft anerkannt und in der Praxis bewährt sind. Es erscheint durchaus sehr diskussionswürdig wenn nicht gar fraglich, ob das auf die technischen Vorgaben und Regeln der EnEV zutrifft. Allenfalls indirekt mag eine Verbindung von EnEV und den anerkannten Regeln der Technik stimmen, denn in § 6 Abs. 1 EnEV verlangt selber eine Abdichtung „entsprechend den anerkannten Regeln der Technik“. Damit sind dann aber die anerkannten Regeln der Technik der jeweiligen Gewerke gemeint, eben nicht die EnEV-Regeln selber.

Die EnEV ist aber selber eine öffentlich-rechtliche Bauvorschrift. Insoweit mag eine vertragliche Leistungspflicht dahingehend auszulegen sein, dass es keinen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche, also bauverwaltungsrechtliche Verpflichtungen gibt.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2015; 22 U 57/15; BGB §§ 633, 634, 637; EnEV 2007 § 6 EnEV)

Hinweise für die Praxis

In der vorstehend dargestellten Entscheidung spielten die Leistungspflichten eines Architekten keine Rolle – die Bauherren hatten gar keinen Planer beauftragt, jedenfalls nicht für die Bauüberwachung. Auch so etwas gibt es tatsächlich.

Für einen überwachenden Planer ergeben sich aus dem Urteil aber dennoch einige wichtige Hinweise für seine Praxis:

Im Rahmen der Koordinierungspflicht ist es eine geschuldete Leistung, einen BDT zu dem richtigen Zeitpunkt am Ende des Rohbaus einzutakten, was inzwischen auch geübte Praxis ist. Hätte ein Planer den konkreten Bauablauf des hiesigen Urteilssachverhaltes so koordiniert und überwacht, wie er hier abgelaufen ist, dann könnten die Bauherren die Kosten für die Reparaturen der schon fertigen Ausbaugewerke als Überwachungspflichtverletzung bei ihrem Architekten geltend machen.

Gehört die Beachtung der GEG-Anforderungen auch ohne vertragliche Regelungen zum Kern der Leistungspflicht eines jeden einschlägig relevanten Gewerks, dann gehört das auch zu den entsprechenden Kernleistungspflichten bei der Überwachung der Bauausführung durch einen Planer/Bauleiter.

Autor*in: Richard Althoff (Rechtsanwalt in Dresden. Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.)