27.09.2020

Tipps für die Gefährdungsbeurteilung physische Belastung

Die Gefährdungsbeurteilung kann helfen, Rückenbeschwerden im Betrieb zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Besonders Belastungen durch Heben und Tragen, Zwangshaltungen, erhöhte Kraftanstrengung und sich ständig wiederholende Tätigkeiten sollten Sie genauer unter die Lupe nehmen.

Rückenschmerzen

Mehr als zwei Drittel der Deutschen leiden früher oder später unter Rückenschmerzen. Häufig treten die Schmerzen nur akut und vorübergehend auf, bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind sie jedoch chronisch. Verspannungen der Rückenmuskulatur und Bandscheibenvorfälle sind typische Beispiele. Vorbeugen kann hier eine Gefährdungsbeurteilung physische Belastung, die natürlich auch entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zur Folge hat.

Übrigens: Übertragen Arbeitgeber Aufgaben an Beschäftigte, die mit der manuellen Handhabung von Lasten zu tun haben und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gefährden können, muss er die körperliche Eignung der Beschäftigten berücksichtigen. ( vgl. auch § 3 LastenhandhabV)

Berücksichtigen Sie bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung physische Belastung:

Folgende Aspekte sollten Sie bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung physischer Belastungen berücksichtigen:

  • Werden Belastungen beim Heben und Tragen von Lasten, Ziehen und Schieben erfasst und dokumentiert sowie vermieden und verringert (Leitmerkmalmethode)?
  • Werden Belastungen durch Tätigkeiten mit erzwungenen Körperhaltungen (Zwangshaltungen) erfasst und dokumentiert sowie vermieden oder verringert?
  • Werden Belastungen durch Tätigkeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder Krafteinwirkung erfasst und dokumentiert sowie vermieden oder verringert?
  • Werden Belastungen durch sich ständig wiederholenden Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen (mehr als 10 pro Minute) erfasst und dokumentiert sowie vermieden oder verringert?

Belastungen beim Heben und Tragen von Lasten, Ziehen und Schieben

Manuelle Lastenhandhabungen, also Heben, Halten, Tragen, und Absetzen von Lasten, Ziehen und Schieben von Lasten, ohne technische Hilfsmittel können – bei entsprechend hoher Belastung – zu Erkrankungen des Rückens und der Gelenke führen.

Mögliche Maßnahmen, um Überlastungen des Rückens und der Gelenke zu vermeiden oder zu verringern sind beispielsweise:

  • Hilfsmittel zur Entlastung: Tragegriffe und -gurte, Plattenheber, Vakuumheber, Sackkarre, Gabelhubwagen
  • Bauliche und technische Arbeitsplatzbedingungen: Anpassen der Arbeitshöhen, technische Ausstattung
  • Betriebliche Regelungen für den Umgang mit Lasten: schwere Lasten immer zu zweit tragen, Transportwege verkürzen
  • Einsatzplanung von Beschäftigten: nur körperlich geeignete Personen einsetzen
  • Unterweisen der Beschäftigten über das richtige Tragen und Heben: Lasten niemals ruckartig anheben, etc.
  • Betriebliche Gesundheitsförderung und arbeitsmedizinische Beratung

Eine Gefährdung der Wirbelsäule und der Rückenmuskulatur durch zu schweres Heben oder Tragen muss vermieden werden. Dazu müssen die entsprechenden Tätigkeiten ermittelt, beurteilt und dokumentiert werden.

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Belastungen durch Tätigkeiten mit erzwungenen Körperhaltungen (Zwangshaltungen)

Die am häufigsten in der Arbeitswelt vorkommenden Zwangshaltungen sind:

  • Arbeiten in starker Rumpfbeuge, z. B. Maurer, Eisenflechter,
  • Hocken, Knien, Fersensitz, Kriechen, Liegen, z. B. Bodenleger, Estrichleger, Pflasterer, Installateure,
  • Arbeiten über Schulterniveau, z. B. Maler, Putzer, Automobilmontagetätigkeiten,
  • über längere Zeitabschnitte erzwungene Sitzhaltung aufgrund der   Arbeitsaufgabe bzw. Arbeitsgestaltung, z.B. Mikroskopiertätigkeiten,  Uhrmacher, Qualitätskontrolle,
  • Dauerhaftes Stehen ohne wirksame Bewegungsmöglichkeit, z. B. Friseurtätigkeiten, Arbeiten im Operationssaal.

Mögliche Maßnahmen, um Überlastungen des Rückens und der Gelenke zu vermeiden oder zu verringern sind beispielsweise:

  • starke Rumpfbeuge oder häufiges Bücken durch Anpassen der Arbeitshöhe oder   Bereitstellen von Hilfsmitteln vermeiden, z. B. Hubtisch oder   Vakuumheber,
  • häufiges Hocken oder Knien vermeiden oder ergonomisch günstige Knieschützer zur   Reduzierung der Belastung der Kniegelenke bereitstellen und benutzen,
  • Wechsel der Körperhaltung ermöglichen, z. B. Wechsel zwischen Sitzen und   Stehen, Sitzgelegenheit vorsehen, Pausen, Tätigkeitswechsel).
  • Arbeitsplatz umgestalten, z. B. Bewegungsraum, Greifraum, Beinfreiraum, Sehraum, Arbeitshöhe)
  • Armstützen, Fußstützen, geeignete Arbeitssitze (auch Stehhilfen) bereitstellen,
  • Beschäftigte unterweisen, z. B. Stuhleinstellung, richtiges Sitzen

Belastungen durch Tätigkeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder Krafteinwirkung

Tätigkeiten mit erhöhter Kraftanstrengung treten oft in Verbindung mit schwer zugänglichen Arbeitsstellen auf, z. B. beim Besteigen von Kränen, Windenergieanlagen oder Freileitungsmasten. Sie belasten den gesamten Körper und erfordern eine gute körperliche Leistungsfähigkeit.

Tätigkeiten mit hoher Krafteinwirkung können in unterschiedlichen Formen auftreten:

  • Der direkte Einsatz der Hand als Werkzeug, etwa beim Klopfen, Hämmern, Drehen oder Drücken, kann zu Beschwerden und Schäden des Handskeletts führen.
  • Bei der Bedienung von Arbeitsmitteln, etwa dem Halten und Drücken einer Zange o. ä., können gegebenenfalls Beschwerden im gesamten Arm bis zur Schulter entstehen.

Mögliche Maßnahmen zur Verringerung der körperlichen Überlastung durch Tätigkeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder Krafteinwirkung sind:

  • montage- und wartungsfreundliche Konstruktion: ergonomisch günstige Griffgestaltung, Anschlagpunkte für Krafteinleitung, Berücksichtigung von Montage- und Wartungsflächen
  • Vermeidung von Aktionskräften, die die Belastbarkeit überfordern: Nutzung von Spezialwerkzeugen, Gewichtsreduzierung von Werkzeugen
  • sichere Arbeitsbedingungen: ausreichender Bewegungsraum, ebener, rutschfester und stabiler Boden, geeignete Arbeitsschuhe, gute Sichtverhältnisse
  • extreme Temperaturen und Feuchtigkeit vermeiden: Einhausungen, spezielle Körperschutzmittel
  • angemessenes Arbeitspensum: Verringerung des Arbeitstempos, Wechsel zwischen be- und entlastenden Tätigkeiten, ausreichende Erholungszeiten
  • Unterweisung der Beschäftigten: vor Aufnahme der Tätigkeit, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie
  • tätigkeitsbezogenes  Training: Strategien zur Verringerung der körperlichen Belastungen bei  hohen Kraftanstrengungen, korrekte und sichere Nutzung von Werkzeugen  und Hilfsmitteln sowie persönlicher Schutzausrüstung, vernünftige  Arbeitseinteilung usw.

Belastungen durch sich ständig wiederholende Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen

Bei  sich ständig wiederholenden Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen (mehr als 10 pro Minute)  werden gleiche oder ähnliche Arbeitsvorgänge immer wieder durchgeführt.  Dabei können Muskeln und Sehnen durch die gleichförmigen Bewegungen  überlastet werden. Besonders häufig beansprucht sind die Schulter-,  Ellenbogen- und Handgelenke.

Die  Beanspruchung verstärkt sich erheblich bei gleichzeitig hoher  Kraftanstrengung und durch extreme Gelenkbewegungen. Typischerweise  treten repetitive Tätigkeiten an Bandarbeitsplätzen auf.

Wenn Arbeiten sich ständig wiederholen, können Muskeln und Sehnen überfordert werden. Dies tritt häufig im Bereich der Hände, Arme und Schultern auf. Es kommt zu Schmerzen und Überlastungserscheinungen. Eine solche Gefährdung der Muskeln und Sehen durch sich ständig wiederholende Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen muss vermieden werden. Dazu müssen die entsprechenden Tätigkeiten ermittelt, beurteilt und dokumentiert werden.

Mögliche  Maßnahmen zur Verringerung der körperlichen Überlastung durch sich  ständig wiederholende Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen sind:

  • montagegerechte Konstruktion: leichte Zugänglichkeit der Arbeitsstellen, Vermeidung von hohen Fügekräften, Vermeidung von unnötigen Bewegungen
  • Verwendung geeigneter Hilfsmittel: ergonomische Werkzeuge, Halte- und Fügevorrichtungen, Armabstützungen, Sehhilfen
  • gute Arbeitsumweltbedingungen: Anordnung der Bedienelemente, Arbeitsdrehstühle, ausreichender Bewegungsraum, gute Luft- und Beleuchtungsverhältnisse
  • gute Gestaltung psychischer Anforderungen: Vermeidung der Überforderungen durch Dauerkonzentration, Vermeidung von Monotonie
  • gute Arbeitsorganisation: angemessenes Arbeitspensum, ausreichende Erholungszeiten, Wechsel zwischen  be- und entlastenden Tätigkeiten, Vermeidung von Zeitdruck
  • Unterweisung  der Beschäftigten: vor Aufnahme der Tätigkeit, bei Veränderungen im  Aufgabenbereich, Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen  Technologie
  • tätigkeitsbezogenes Training: Auswahl geeigneter Hilfsmittel, richtige Körperhaltung, Ausgleichsübungen
  • individuelle Beratung der Beschäftigten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge (G 46).

Für eine genauere Aussage über das Ausmaß der Belastungen ist die jeweilige Leitmerkmalmethode fachkundig durchzuführen.

Autor*in: Stefan Johannsen