11.02.2022

Ergonomie am Arbeitsplatz: Auch kleine Änderungen lohnen sich

Denken Sie bei diesem Begriff in erster Linie an körpergerechtes Sitzen zur Rückenschonung? Ergonomie ist viel mehr, denn sie berührt alle Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung und spielt selbst bei der Beurteilung psychischer Belastungen eine Rolle.

Ergonomie

Beispiel: Ergonomie als BGM-Maßnahme

Als ein großer Werkzeughersteller vor einigen Jahren von der zuständigen Krankenkasse einen Gesundheitsbericht anfertigen ließ, fiel etwas auf: Besonders oft litten Beschäftigte des Unternehmens an Erkrankungen an Muskeln, Skelett und Bindegewebe (konkret den Sehnenscheiden). Also machte sich das Team rund um das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) daran zu erkennen, welche Bewegungen und Belastungen zu diesen Erkrankungen führten und wie sie verhindert werden könnten. Sie entdeckten vor allem im Bereich der Ergonomie Raum für Verbesserungen.

Begehungen der Arbeitsplätze und Mitarbeitergespräche zeigten auf, wo die konkreten Ursachen lagen. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse führten in der Praxis dann zu Veränderungen wie höhenverstellbaren Packtischen. Zusätzlich veranstaltete das Team regelmäßig Workshops zu verschiedenen Schwerpunkten, wie z.B. „Gewichte richtig heben“, oder zum Umgang mit speziellen Arbeitsgeräten. Dabei erklärte der Betriebsarzt, wie ein Druckluftschrauber aus arbeitsmedizinischer Sicht gehandhabt werden sollte, und zeigte an einem menschlichen Skelett, welche Folgen Fehler haben können. Auch die Experten der Krankenkasse trugen zu Lösungen bei. So empfahl eine BGM-Koordinatorin im Rahmen einer Schulung den Teilnehmern verschiedene Maßnahmen, die sie in ihren Pausen und in der Freizeit durchführen konnten, um Muskeln, Skelett und Bindegewebe zu entlasten und Erkrankungen damit auch langfristig vorzubeugen.

Dieses Best-Practice-Beispiel zeigt auf den ersten Blick nur ein physiologisches Ergonomiethema auf. Doch längst setzt sich auch im Arbeitsschutz die Erkenntnis durch, dass körperliche Belastungen wie diese oft psychische Belastungen nach sich ziehen – und andersherum.

Komplexes Zusammenspiel von Ergonomie und Psyche

So beeinträchtigt eine unvorteilhafte Arbeitshaltung auch das Gemüt, und bei Rücken- oder Nackenschmerzen finden sich oft psychische Belastungen wie Stress als Ursache. Wenn Sie sich selbst beobachten, werden Sie feststellen, dass Sie bei Anspannung oder Zeitdruck die Schultern hochziehen, was zu Verspannungen führen kann. Das machen alle Menschen, denn es ist ein Automatismus, der sich kaum unterbinden lässt. Selbst wer bewusst darauf achtet, die Schultern gezielt zu entspannen, läuft Gefahr, es in stressigen Situationen zu vergessen. Aber auch das ist ein Puzzlestein im Gefüge der Schutzmaßnahmen: Sich immer wieder bewusst zu entspannen, kann zumindest etwas Abhilfe schaffen – vor allem, wenn Sie ergänzend dafür sorgen, dass die Kollegen und Kolleginnen möglichst wenig in Stress geraten.

Ziele ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung

Ergonomie zielt darauf ab, Arbeitssysteme so zu planen, zu beurteilen und zu gestalten, dass es förderlich für die Sicherheit und Gesundheit der Kollegen ist und diese dabei ihre Aufgaben so effektiv wie möglich bearbeiten können. Ergonomische Arbeitsgestaltung will also

  • Unfälle verhüten, Berufskrankheiten vermeiden und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren reduzieren und damit dem Arbeitsschutz im Unternehmen dienen,
  • Kollegen vor Über- und Unterforderung schützen und damit einer menschengerechten und wertschätzenden Gestaltung der Arbeit Raum geben,
  • optimale Arbeitsergebnisse erreichen durch die Anwendung ergonomischer Erkenntnisse und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichern.
Autor*in: Christine Lendt