19.10.2023

Zugewinnausgleich: Existenzbedrohung für das Unternehmen

Bis dass der Tod euch scheidet! Scheiden sich Eheleute vorher, stehen sie vor dem Problem: wovon bekommen sie etwas? Das BGB bestimmt: vom Zugewinn, bei Ihnen als Unternehmer teilweise die Wertsteigerung Ihres Unternehmens – bisweilen eine existenzbedrohende Angelegenheit.

Zugewinnausgleich Existenzbedrohung

Was bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) dazu?

Nach §§ 1363 ff. BGB erfolgt mit der Scheidung ein Zugewinnausgleich.

Was ist der Zugewinn?

Der Betrag,

  • den Ihr Unternehmen während Ihrer Ehe Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft erwirtschaftete und
  • um den Ihr Endvermögen als Ehegatte sein Anfangsvermögen übersteigt.

Ist der Zugewinn von einem von Ihnen beiden Ehegatten höher als der des anderen, steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten zu. Diesen Betrag kann er zum Ausgleich einfordern, grundsätzlich in Geld. Sofern nicht genügend Gelder vorhanden sind, kann der Zugewinnausgleich regelmäßig in anderen Werten erfolgen.

Warum erfolgt ein Zugewinnausgleich?

Weil Sie als Eheleute mit Ihrer Heirat in den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft eintreten. Haben Sie ein Unternehmen, so folgt daraus unter anderem, dass Sie als der Unternehmer Ihrem Ehegatten die während Ihrer Ehe erfolgte Wertsteigerung des Unternehmens zur Hälfte auszahlen. Das kann unter Umständen die gesamte Existenz Ihres Unternehmens zerstören.

Inwiefern kann dies existenzbedrohend für Ihr Unternehmen sein?

Vor allem wenn Ihr Ehepartner nicht unternehmerisch tätig ist, zum Beispiel weil er Ihren Haushalt führte und keinen Zugewinn hat. Haben Sie als unternehmerisch tätiger Ehepartner während Ihrer Ehe etwa eine Wertsteigerung von 500.000 Euro erfahren, zahlen Sie als Unternehmer Ihrem Ehepartner zum Ausgleich 250.000 Euro. Haben Sie dieses Geld nicht oder können es nicht beschaffen oder anderen Werte übertragen, veräußern Sie notfalls Ihr Unternehmen, Teile davon oder Anteile, und zwar ungeachtet der Gefahr, dass dies Ihren Betrieb vollständig ruinieren kann.

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Wonach richtet sich die Wertsteigerung Ihres Unternehmens?

Das stellt in der Tat eine weitere Schwierigkeit beim Zugewinnausgleich dar: die Erfassung des Unternehmenswertes. Dazu gibt es verschiedene Bewertungsmethoden:

  • In der Regel wenden Sie das Ertragswertverfahren an, Sie bewerten also die Ertragskraft Ihres Unternehmens. Die Ertragskraft kann dabei wesentlich von Ihrer persönlichen Leistung als Unternehmer abhängen und damit möglicherweise
    • von Ihrer Person als solcher
    • Ihren Fähigkeiten,
    • Ihrer Kompetenz und
    • Ihren Kundenkontakten

Sie können diese subjektiven Marktwert abziehen.

  • Beruht der Unternehmenswert maßgeblich auf Ihrem Arbeitseinsatz als Unternehmer, verringert das den Zugewinn. Streitigkeiten unter den Eheleuten sind hier vorprogrammiert.
  • Der tatsächliche Wert einer Kapitalgesellschaft oder eines Gesellschafteranteils: er fällt oft wesentlich höher aus als der Bilanzwert.
  • Existiert die Wertsteigerung Ihres Unternehmens oder Gesellschafteranteils nur auf dem Papier, nicht aber in der vorhandenen Liquidität, kann dies eine weitere Bedrohung für die Existenz Ihres Unternehmens durch den Zugewinnausgleich bedeuten.

Wer ermittelt den Unternehmenswert, ein Sachverständiger?

Nicht unbedingt. Als Unternehmer brauchen Sie ihn nicht auf Ihre Kosten durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen. Soweit Sie dazu selbst imstande sind, machen Sie lediglich Angaben über Ihr Vermögen durch Vorlage von:

  • vorhandenen Unterlagen
  • Gutachten oder Stellungnahmen des Steuerberaters
  • Bilanzen
  • betriebswirtschaftlichen Auswertungen
  • Einkommensteuerbescheiden
  • Steuererklärungen.

Do it yourself: Wie ermitteln Sie den Zugewinn?

Hierfür sind grundsätzlich zwei Stichtage maßgeblich:

  • der Tag der Eheschließung vor dem Standesbeamten für das Anfangsvermögen
  • der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags an Ihren anderen Ehegatten, also die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, für das Endvermögen.

Danach eintretende Vermögenszuwächse oder -verluste, insbesondere während des Scheidungsverfahrens, sind grundsätzlich unbeachtlich.

Wie können Sie das Damoklesschwert des Unternehmensverlustes abwenden?

Gern genommen wird hier von vielen Eheleuten in Unternehmerehen ein notariell beurkundeter Ehevertrag mit Ausschluss eines Zugewinnausgleiches. Darin vereinbaren Sie:

  • entweder Güterstand der Gütertrennung nach § 1414 BGB
  • oder eine modifizierte Zugewinngemeinschaft.

Welche der beiden Möglichkeiten ist besser?

Wesentlicher Vorteil der Gütertrennung ist der Ausschluss des Zugewinns. Jeder von Ihnen beiden Ehegatten ist Alleineigentümer seines vor der Heirat selbst erworbenen Vermögens und bleibt es danach. Deshalb entfallen:

  • Zugewinnausgleich
  • mögliche Existenzbedrohung für Ihr Unternehmen
  • umständliche und Streitpotential enthaltende Erfassung des Unternehmenswertes.

Daneben hebt die Gütertrennung die Verfügungsbeschränkungen nach §§ 1365 f. BGB auf. Besteht das wesentliche Vermögen von Ihnen als Unternehmer in Ihrem Unternehmen, benötigen Sie bei der Zugewinngemeinschaft zu einer Veräußerung des Betriebs oder Ihrer Gesellschaftsanteile die Zustimmung Ihres Ehegatten. Als Unternehmer können Sie in diesem Fall also nicht frei verfügen über Ihr Vermögen. Zudem kann Ihr Ehegatte Sie als Unternehmer unter Druck setzen und Zugeständnisse erpressen, wenn Sie wegen der Scheidung das Unternehmen veräußern wollen. Das ist bei der Gütertrennung nicht möglich. Sie beide als Ehegatten dürfen über Ihr Vermögen ohne Zustimmung des anderen frei verfügen.

Also Gütertrennung als Mittel der Wahl?

Naja, vielleicht nicht ganz. Häufig meinen Eheleute ja, eine Gütertrennung sei unbedingt dafür erforderlich, nicht für die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten haften zu müssen. Das ist so nicht richtig. Eine Haftung eines Ehegatten tritt grundsätzlich nur ein, wenn er sich vertraglich dazu verpflichtet, etwa:

  • bei einem von den Eheheuten gemeinsam unterzeichneten Darlehensvertrag, der einem der Ehegatten zugutekommt
  • bei Übernahme eine Bürgschaft für die Verbindlichkeit des anderen Ehegatten.

Sie als Unternehmener-Ehegatte haften nach § 1357 Abs. 1 BGB für solche Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs, die Ihr Ehegatte getätigt hat, also lediglich für solche Geschäfte, die den Unterhalt der Ehegatten bzw. der Familie sicherstellen sollen.

Auch sonst stehen den Vorteilen der Gütertrennung nicht unerhebliche Nachteile gegenüber. Nehmen wir das Versprechen vom Anfang Ihrer Ehe, „bis dass der Tod euch scheidet“, dann ist für den überlebenden Ehegatten der Zugewinnausgleich ebenfalls ausgeschlossen. Damit gilt aber – anders als beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft – keine Befreiung von der Erbschaftsteuer, § 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG). Diese Folge ist zumindest bei intakten Ehen regelmäßig nicht gewollt.

Daneben hat die Gütertrennung erbrechtliche Konsequenzen, die sich aus den gesetzlichen Regelungen ergeben und die Ansprüche des überlebenden Ehegatten verringern. Statt wie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Hälfte des Nachlasses erbt der Ehegatte:

  • bei zwei Kindern nur noch ein Drittel
  • bei mehr als zwei Kindern nur noch ein Viertel des Nachlasses, §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 4 BGB.

Schließlich ist die Gütertrennung für einen finanziell schwächer gestellten Ehegatten, der womöglich jahrelang den Haushalt führt und die Kinder betreut hat, ein großes Risiko. Durch den Verzicht auf den Zugewinnausgleich und damit auf die Hälfte des Mehrverdienstes des Unternehmers während der Ehe hat der Ehegatte bei einem Scheitern der Ehe keine oder kaum finanzielle Mittel.

Können Sie die Nachteile der Gütertrennung vermeiden?

Ja, das können Sie. Dafür bietet sich die ehevertraglich vereinbarte modifizierte Zugewinngemeinschaft an. Dadurch können Sie etwa vor allem das Unternehmen schützen, während es für den Erbfall und die Erbschaftsteuer bei den gesetzlichen Regelungen für die Zugewinngemeinschaft bleibt.

Wie kann eine solche Modifizierung aussehen?

Sie können den Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch einen Ehevertrag so modifizieren, dass er die Unternehmerinteressen und die Interessen des anderen Ehegatten berücksichtigt. Die Regelung güterrechtlicher Verhältnisse unter Eheleuten in einem Ehevertrag sieht § 1408 Abs. 1 BGB vor. Danach gleichen Sie die Mitarbeit Ihres Ehegatten in Ihrer Innengesellschaft aus. Durch die verschiedenen Möglichkeiten der Abänderung können Sie Ihre modifizierte Zugewinngemeinschaft so gestalten, dass sie die individuellen Gegebenheiten Ihres Einzelfalles berücksichtigt. Welche Modifikationen erfolgen, kommt auf die Verhältnisse und Interessen der jeweiligen Eheleute an. In Betracht kommen folgende Modifikationen der Zugewinngemeinschaft:

  • Ausschluss von Zugewinnausgleich nur bei Scheidung: Vorteile der gesetzlichen Regelungen für die Zugewinngemeinschaft bleiben im Erbfall und bei der Erbschaftsteuer bestehen.
  • Ausnahme von Unternehmen oder Gesellschaftsanteil aus Zugewinnausgleich: dieser erstreckt sich nur auf das Privatvermögen der Eheleute.
  • bestimmter Betrag für Zugewinn des Betriebsvermögens bereits im Ehevertrag: unabhängig vom tatsächlichen Ertrags- oder Verkehrswert. Dadurch entfällt die umständliche und häufig streitige Erfassung des Unternehmenswertes. Der Ehegatte des Unternehmers erhält im Idealfall zeitnah finanzielle Mittel.
  • Berechnung des Zugewinns einschließlich Wertentwicklung des Unternehmens: Als Eheleute vereinbaren Sie
    • eine andere als die gesetzlich vorgesehene Ausgleichsquote von 50 Prozent oder
    • Sie deckeln den Zugewinn bei einem bestimmten festgelegten Höchstbetrag.
  • bestimmte Bewertungsmethode für die Erfassung des Unternehmenswertes: wenn in den ehevertraglichen Vereinbarungen die Wertentwicklung des Unternehmens für den Zugewinnausgleich maßgeblich ist, gegebenenfalls legt sie der bewertende Gutachter fest.
  • Zugewinnausgleich nicht in Geld: er kann auch in Sachwerten erfolgen etwa der Ferienwohnung. Möglich ist zudem eine Übertragung von Unternehmensanteilen. Achten Sie dabei darauf, dass das mit dem Gesellschaftsvertrag vereinbar ist! Lassen Sie es steuerlich geprüfen!
  • Ratenweise Zahlung des Zugewinn: so können Sie Ihr Unternehmen trotz Zugewinnausgleich liquide halten. Sie legen dabei Ratenhöhe und Zeitpunkt der Zahlungen fest.

Je mehr sich der Inhalt der modifizierten Zugewinngemeinschaft einer Gütertrennung nähert, desto zweckmäßiger kann es sein, die Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1365 f. BGB in einem Ehevertrag auszuschließen. Diese Beschränkungen gelten vor allem für eine Verfügung über das Vermögen als Ganzes. Das ist von Bedeutung, wenn Ihr Betrieb das wesentliche Vermögen des Unternehmens ist.

Wann schließen Sie am besten einen Ehevertrag?

Sie können das jederzeit. Ein Tipp vorweg: Bereiten Sie Ihren Ehepartner psychologisch auf Ihr Vorhaben gut vor! Mit der Tür ins Haus fallen, ist da eine weniger gute Idee.

Ist das gelungen, dann ist es zweckmäßig vor allem vor oder aus Anlass der Heirat. Das gilt insbesondere, wenn Sie:

  • bereits unternehmerisch tätig sind,
  • von hohen Zugewinnen während der Ehe ausgehen und
  • Ihr Ehepartner nicht in Ihrem Betrieb arbeitet.

Während der Ehe ist ein Ehevertrag bei einer starken Wertsteigerung des Unternehmens sinnvoll. Steht die Scheidung bevor, können Sie die finanziellen Folgen, speziell den Zugewinnausgleich, in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln. Berücksichtigen Sie dabei bitte, dass Ihr Ehegatte bis zur Heirat einem Ehevertrag wohl eher zustimmen wird, als wenn die Beziehung kriselt und der Streit ums Geld beginnt.

Autor*in: Franz Höllriegel