24.05.2018

Verknüpft: Zahl der Krankheitstage und befristeter Arbeitsvertrag

Die Christel von der Post wird nicht krank – und wenn doch, dann trägt sie nur befristet die Post aus. Nach diesem Rezept will die Deutsche Post mit befristet angestellten Mitarbeitern verfahren. Bundesfinanzminister Scholz will den Einfluss des Bundes für eine Änderung dieser Postpraxis, was Krankheitstage betriffft, nutzen.

Wie die Deutsche Post als Arbeitgeber die Krankheitstage der Mitarbeiter wertet.

Wer zu viele Krankheitstage hat, fliegt

Wie viele Krankheitstage hat der Mitarbeiter? Von der Beantwortung dieser Frage macht die Deutsche Post es abhängig, ob sie einen Arbeitsvertrag entfristet oder nicht.

Wie „Bild am Sonntag“ berichtete, haben Niederlassungsleiter von der Konzernspitze ein verbindliches Entfristungskonzept erhalten. Demnach dürfen Mitarbeiter, wenn sie eine Entfristung ihres Arbeitsvertrags wünschen:

  • in zwei Jahren nicht häufiger als sechsmal krank gewesen sein,
  • nicht mehr als 20 Krankheitstage angehäuft haben,
  • höchstens zwei selbstverschuldete Kfz-Unfälle mit einem maximalen Schaden von 5.000 Euro verursacht haben,
  • als Postboten in drei Monaten nicht mehr als 30 Stunden länger für ihre Touren gebraucht haben als vorgesehen.

Weltweit beschäftigt der Logistikkonzern den Angaben zufolge 520.000 Mitarbeiter, davon gut 200.000 in Deutschland, davon wiederum 108.000 Zusteller.

Krankheitstage: Wirklich krank oder nur vorgetäuscht?

Krankheitsfälle stellen nicht nur für die Post, sondern generell für viele Unternehmen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar. Nicht zuletzt schlagen die Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall zu Buche. Die Post formuliert es zwar nicht so, aber unbestritten dürfte sein, dass es umso ärgerlicher ist, wenn sich dem Arbeitgeber der Verdacht aufdrängt, dass eine Krankheit nur vorgetäuscht wurde.

Und noch ärgerlicher dürfte es werden, wenn ein derart vom Arbeitgeber verdächtigter Mitarbeiter seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung vor Gericht bestätigt bekommt. „Personaltipp AKTUELL“ (06/2018) berichtet über einen einschlägigen Fall, der jetzt vom Landesarbeitsgericht Köln entschieden wurde. Warum das Gericht so entschied, wie es entschied, dazu alle Hintergründe im Newsletter für aktuelles Arbeitsrecht. Jetzt kostenloses Probeheft anfordern!

Kritik an Post-Vorgehen von Politik und DGB

Scharfe Kritik kommt von Politik und Gewerkschaften. Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, beide SPD, sowie der DGB prangerten das Vorgehen an.

Das sei „nicht in Ordnung“, sagte Scholz. Er kündigte an, den Einfluss des Bundes für eine Änderung der Kriterien zu nutzen. Der Bund hält laut „Handelsblatt“ über die Staatsbank KfW knapp 21 Prozent an der Deutschen Post.

Post-Betriebsräte zum Thema Krankheitstage: Individuelle Beurteilung hat Vorrang

Der Gesamtbetriebsrat und ver.di sagen laut einer Pressemitteilung der Gewerkschaft „Ja zu dem Entfristungskonzept“. Sie sprechen sich aber gegen pauschale Kriterien zur Beurteilung von Beschäftigten durch die Konzernleitung aus. Es müsse in jedem Fall eine individuelle Beurteilung der Betroffenen geben, fordert die Gewerkschaft.

Die Betriebsräte der Deutschen Post AG kritisierten seit Jahren die hohe Zahl an befristeten Arbeitsverträgen in dem Unternehmen. Sie versuchten schon lange in allen Bereichen, befristete Arbeitsverträge in unbefristete umzuwandeln. Allein in diesem Jahr hätten schon jetzt mehr als 2.000 Beschäftigte Vorteile aus diesen Aktivitäten genossen.

Post bleibt bei Entfristungseckpunkten

Ungeachtet aller Kritik will die Deutsche Post an der Praxis bei der Entfristung von Arbeitsverträgen festhalten. Im vergangenen Jahr seien bei der Deutschen Post 9.000 Verträge entfristet worden – 2.500 waren es allein schon im ersten Quartal 2018. Gerade im Bereich der Paketzustellung würde seit einigen Monaten in der Regel nicht mehr auf zwei, sondern nur noch auf ein Jahr befristet.

Wie viele Mitarbeiter insgesamt befristete Verträge haben, habe der Konzern nicht mitteteilt. „Das Ausmaß der öffentlichen Diskussion und die meist verkürzte Behandlung dieses Themas hat mich durchaus überrascht und auch verwundert“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie.

Man werde an den Eckpunkten festhalten, denn sie hätten sich in der Praxis bewährt und seien arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden. Ogilvie bezeichnete die Konzernvorgaben als „verantwortungsbewusste“ Entfristungspolitik.

Post: „verantwortungsbewusste“ Entfristungspolitik

Die Mitarbeiter, die auch bei Wind und Wetter raus müssen, bräuchten eine gewisse körperliche Fitness. Die Kriterien berücksichtigten „ausgewogen, nachvollziehbar und an objektiven Merkmalen orientiert“ die Interessen des Unternehmens, der Kunden und der Beschäftigten selbst. Sie bewegten sich im geltenden rechtlichen Rahmen.

Die Kriterien seien aber nur Anhaltspunkte. Die Entscheider vor Ort über jede einzelne Entfristung hätten Entscheidungsspielräume. „Wenn es eine Grippewelle gab oder jemand einen Sportunfall mit langer Ausfallzeit hatte, kann von den Eckpunkten durchaus abgewichen werden“, sagt Ogilvie.

Wie jeder andere Arbeitgeber auch brauche man Kriterien, um nicht willkürlich und allein nach Bauchgefühl über die Entfristung von Verträgen entscheiden zu müssen. Es gebe „ein hohes Interesse, geeignete Mitarbeiter auf längere Zeit zu binden“, betont Ogilvie. Zudem würden Verträge meist schon nach sechs Monaten in unbefristete umgewandelt.

Autor*in: Franz Höllriegel