13.03.2024

Widerrufsrecht bei Handwerkern

Elektroinstallation erbracht – kein Lohn, wie das? So geschehen einem Handwerker im Raum Essen. Ihn hatte ein Kunde in seinem Wohnhaus mündlich beauftragt. Der Handwerker hätte ihn über sein Widerrufsrecht belehren müssen – dies aber versäumt. Der EuGH entschied: kein Lohn.

Widerrufsrecht bei Handwerkern

Wodurch ist Ihr Kunde aus einem Haustürgeschäft Ihnen als Unternehmer gebunden?

Aufgrund folgender Voraussetzungen nach Artikel 6 der EU-Richtlinie 2011/83/EU u.a.:

  • Vertrag im Fernabsatz
  • außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag
  • ein entsprechendes Vertragsangebot
  • im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts klare und verständliche Information über Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts

Was ist ein Haustürgeschäft?

Alle Auftragsvergaben, die außerhalb der Geschäftsräume Ihres Betriebes erfolgen, also auch telefonisch erteilte Aufträge.

Was besagt das Widerrufsrecht?

Es steht einem Verbraucher bei einem Haustürgeschäft nach Art. 9 Widerrufsrecht Abs. 1 der EU-Richtlinie zu. Innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist kann er sich ohne Angabe von Gründen von dem Vertrag lösen. Den Widerruf des Auftrags kann er einlegen:

  • mündlich
  • per Post
  • E-Mail
  • Fax

Wie sieht es nach deutschem Recht aus?

Nach § 357 „Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen“ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schuldet Ihnen als Unternehmer Ihr Kunde Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn er von Ihnen ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Der Anspruch besteht nur, wenn Sie als Unternehmer Ihren Kunden ordnungsgemäß informiert haben.

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Artikel 246a EGBGB „Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen“ räumt zu den Informationspflichten Ihrem Kunden ein Widerrufsrecht ein. Diese Vorschrift verpflichtet Sie als Unternehmer, ihn zu informieren:

  • über Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts
  • darüber, dass er Ihnen bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen einen angemessenen Betrag nach § 357 Absatz 8 BGB für die von Ihnen erbrachte Leistung schuldet, wenn er das Widerrufsrecht ausübt, „nachdem er auf Aufforderung des Unternehmers von diesem ausdrücklich den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat“.

Wann beginnt die Widerrufsfrist?

Wenn die Widerrufsbelehrung tatsächlich erfolgt ist. Im Zweifel weisen Sie als Handwerker nach, dass Sie Ihren Kunden ordnungsgemäß auf sein Widerrufsrecht hingewiesen haben. Haben Sie als Unternehmer Ihren Kunden über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist zwölf Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 ab.

Was sind die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Widerrufsrechts?

Sie haben den Vertrag geschlossen

  • im Fernabsatz oder
  • außerhalb von Geschäftsräumen

Dazu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein wichtiges Urteil gefällt.

Worum ging es in dem Urteil?

Um einen Elektroinstallateur, der im Wohnhaus eines Kunden am 06.10.2020 mündlich einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation des Hauses abgeschlossen hat. Dabei hat der Handwerker den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht unterrichtet. In der Folge erbrachte der Elektroinstallateur seine vertraglichen Leistungen vollständig und legte dem Kunden schließlich am 21.12.2020 die Rechnung vor.

Beglich der Kunde Kunde die Rechnung, wie vom Installateur verlangt?

Nein, er beglich die Rechnung nicht und erklärte am 17.03.2021 den Widerruf des Vertrags. Inzwischen hatte der Handwerksbetrieb einen Inkassodienst eingeschaltet, welcher die Forderung beim Kunden einklagte. Der Kunde machte geltend, dass wegen der unterlassenen Widerrufsbelehrung gemäß § 357 Abs. 8 BGB kein Anspruch auf Vergütung der Handwerkerleistung bestehe. Der Inkassodienst sah in dieser Regelung eine „unverhältnismäßige Sanktion“ gegenüber dem Dienstleister.

Wie entschieden die Gerichte?

Das zuständige Landgericht (LG) Essen hatte Zweifel, ob die Regelung des BGB, wonach der Handwerker bei fehlender Widerrufsbelehrung sämtliche Ansprüche auf einen Wertersatz bei geleisteter Arbeit verliert, mit der EU-Verbraucherrichtlinie vereinbar sei. Es legte in dem Ausgangsfall den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung vor.

Was wollte das LG vom EuGH wissen?

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass er einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Artikel 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i dieser Richtlinie nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Was hat der EuGH entschieden?

Der EuGH hat sich vollständig auf die Seite des Verbrauchers gestellt (EuGH, Urteil vom 17.05.2023, Az.: C-97/22). Der Gerichtshof hat den hohen Rang des Widerrufsrechts für den Schutz des Verbrauchers herausgestellt. Um dieses hohe Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, sollten die Sanktionen nach Ansicht des EuGH sein:

  • wirksam,
  • verhältnismäßig und
  • abschreckend.

Das Widerrufsrecht diene dazu, den Verbraucher bei Haustürgeschäften zu schützen, „falls er psychisch unter Druck oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist“. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Verbraucher den Unternehmer selbst einbestellt hat.

Die Information über das Widerrufsrecht ist laut EuGH von so grundlegender Bedeutung, dass der Unternehmer bei Unterlassen die Kosten tragen muss, die ihm für die Erfüllung des Auftrags während der Widerrufsfrist entstanden sind. Im Ergebnis heißt das: Kein Geld für den Handwerker ohne Widerrufsbelehrung!

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass das vorlegende Gericht – nachdem ihm zur Kenntnis gebracht worden war, dass die Europäische Kommission in den von ihr eingereichten schriftlichen Erklärungen Zweifel hinsichtlich der Natur des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags geäußert hatte – mit Schreiben vom 29. September 2022, das beim Gerichtshof am 13. Oktober 2022 eingegangen ist, klargestellt hat, dass dieser Vertrag als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 einzustufen sei.

Muss Ihr Kunde Gründe für seinen Widerruf angeben?

Bis auf Ausnahmen nein.

Welche Ausnahmen können das sein?

Sie listet Artikel 16 der EU-Richtlinie auf und betreffen u.a.:

  • vorherige ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert
  • Preisschwankungen auf dem Finanzmarkt innerhalb der Widerrufsfrist, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat
  • Anfertigungen nach Individueller Kundenspezifikation
  • schnell verderblichen Waren
  • aus Gründen des Hygiene- und Gesundheitsschutzes nicht zur Rückgabe geeignete, versiegelte Waren
  • Wertschwankungen alkoholischer Getränke
  • bei einem Besuch auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden erbrachte weitere Dienstleistungen oder gelieferte Waren, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat
  • Ton- oder Videoaufnahmen, Computersoftware oder Printerzeugnisse, deren Verpackung bei Lieferung versiegelt und nach Lieferung entsiegelt wurde
  • auf öffentlicher Versteigerung geschlossen Verträge
  • Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken
  • Beförderung von Waren, Mietwagen
  • Lieferung von Speisen und Getränken
  • Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen zu einen spezifischen Termin oder Zeitraum
  • digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, wenn die Ausführung mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers und seiner Kenntnisnahme, dass er hierdurch sein Widerrufsrecht verliert, begonnen hat.

Zu was ist Ihr Kunde bei Widerruf Ihnen als Unternehmer verpflichtet?

Er zahlt nach Artikel 14 der Richtlinie Ihnen als Unternehmer einen Betrag, der verhältnismäßig dem entspricht, was Sie

  • bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er Ihnen von der Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet,
  • im Vergleich zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen geleistet haben.

Entstehen dem Kunden für den Widerruf irgendwelche Kosten?

Nein. Er kommt nicht auf für Dienstleistungen, die Sie als Unternehmer während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise erbracht haben, wenn Sie es unterlassen haben, die Informationen gemäß Artikel 6 bereitzustellen, also ihn nicht über sein Widerrufsrecht belehrt haben

Wenn Artikel 13 der Richtlinie nichts anderes bestimmt, können Sie als Unternehmer Ihren Kunden aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts nicht in Anspruch nehmen.

Entstehen Ihnen als Unternehmer für den Widerruf Kosten?

Auch nein bis auf Ausnahmen gemäß Artikel 13 der EU-Richtlinie. Als Unternehmer brauchen Sie zusätzliche Kosten nicht zu erstatten, wenn sich Ihr Kunde ausdrücklich für eine andere Art der Lieferung als die von Ihnen als Unternehmer angebotene, günstigste Standardlieferung entschieden hat. Bei Kaufverträgen können Sie die Rückzahlung verweigern, bis Sie die Waren wieder zurückerhalten haben oder Ihr Kunde Ihnen nachweist, dass er die Waren zurückgeschickt hat.

Was lernen Sie als Unternehmer daraus für Ihre Praxis bei Haustürgeschäften?

Damit im Zweifel auch vom Handwerker nachgewiesen werden kann, dass er ordnungsgemäß auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers hingewiesen hat, sollten Sie als Unternehme folgende Fragen nach Checkliste bei der Auftragsannahme abarbeiten:

  • Haben Sie Widerrufsbelehrung und Widerrufsformular Ihrem Kunden ausgehändigt?
  • Wurde die Übergabe der o.g. Formulare vom Kunden schriftlich bestätigt?
  • Falls der Auftrag vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen bzw. erledigt wird: Haben Sie von Ihrem Kunden eine Erklärung eingeholt, dass
    • er über den Verlust seines Widerrufsrechts bei Beendigung des Auftrags vor Ablauf der Widerrufsfrist belehrt wurde und
    • er Wertersatz leistet, falls der Auftrag nach teilweiser Leistungserbringung vor Ablauf der Widerrufsfrist widerrufen wird?
Autor*in: Franz Höllriegel