17.10.2023

Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags

Sparen, Sparen, Sparen. Besonderer Ansetzungspunkt wird in Ihrem Unternehmen die Steuer sein. Eine wenig genutzte, gleichwohl umso mehr umstrittene Möglichkeit hierfür bietet die körperschaftsteuerliche Organschaft. Voraussetzung ist allerdings die tatsächliche Durchführung.

Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags

Was ist die körperschaftsteuerliche Organschaft?

Eine rechtliche Konstruktion im deutschen Steuerrecht, die es Ihnen als einem herrschenden Unternehmen erlaubt, von Ihnen beherrschte Tochterunternehmen steuerlich wie eigene Betriebsstätten zu behandeln. Eine Alternative zur Organschaft wäre unter Umständen eine dauerhafte Verschmelzung der Gesellschaften.

Was ist der Sinn dieser Organschaft?

Dass Gewinne und Verluste Ihrer Tochtergesellschaften direkt Ihnen als herrschendem Unternehmen zugerechnet werden. Ermöglicht wird dadurch die Verrechnung von Verlusten und Gewinnen zwischen den Tochtergesellschaften und mit der Muttergesellschaft. Diese wären ansonsten eigenständig zu besteuern.

Ist das irgendwo gesetzlich geregelt?

Ja, anders als die umsatzsteuerliche Organschaft regelt die körperschaftsteuerliche Organschaft das Körperschaftsteuergesetz (KStG) in den §§ 14 bis 17. Daran knüpft die gewerbesteuerliche Organschaft an, die in der Folge automatisch ergänzend entsteht, geregelt in der Gewerbesteuerrichtlinie R 2.3 GewStR.

Was begründet eine körperschaftsteuerliche Organschaft?

Zunächst ein Vertrag mit den rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen zwischen

  • Ihnen als dem herrschenden Unternehmen und Organträger: grundsätzlich alle gewerblichen Unternehmen, auch Einzelunternehmende
  • dessen Tochtergesellschaften als Organgesellschaften: inländische Kapitalgesellschaften wie z.B.
    • GmbH
    • AG
    • KGaA
    • europäische SE.

Des Weiteren als steuerliche Voraussetzungen für eine Anerkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft:

  • finanzielle Eingliederung beim Organträger: dieser hat im gesamten Wirtschaftsjahr die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft.
  • Abführung von Gewinnen und Verlusten der Organgesellschaft an den Organträger: erwirtschaftet eine der beiden Gesellschaften einen Verlust, mindert dieser durch Verrechnung den Gewinn der anderen Gesellschaft. Entsprechend fallen weniger Steuern an.
  • Geschlossener, ins Handelsregister eingetragener und tatsächlich durchgeführter Gewinnabführungsvertrag auf fünf Jahre zwischen den Gesellschaften werden.

Was ist ein Gewinnabführungsvertrag?

Ihn schließen normalerweise zwei Unternehmen ab, die bereits miteinander verbunden sind, z.B. eine Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft. Der Vertrag regelt:

  • Modalitäten der Gewinnabführung
  • Umfang
  • Dauer
  • Höhe der Abführung
  • Bedingungen für eine vorzeitige Beendigung des Vertrags
  • Pflicht zur Verrechnung von Verlusten, ohne die eine Verrechnung der Verluste nicht möglich wäre.

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Auf seiner Grundlage führt ein Unternehmen, die Organgesellschaft als beherrschtes Unternehmen, seine Gewinne und Verluste an das andere Unternehmen, Sie als das herrschende Unternehmen oder Organträger, ab. Das soll die wirtschaftliche Integration zwischen den beiden Unternehmen fördern, indem Sie als herrschendes Unternehmen die volle Kontrolle über das beherrschte Unternehmen ausüben.

  • Beispiel Organschaft: Muttergesellschaft A-GmbH hält 100 Prozent der Anteile an der Tochtergesellschaft B-GmbH. A-GmbH ist somit finanziell in die B-GmbH eingegliedert. Zusätzlich schließen beide Unternehmen einen Gewinnabführungsvertrag für fünf Jahre. Darin verpflichtet sich die B-GmbH, ihren gesamten Gewinn und Verlust an die A-GmbH abzuführen. Den Vertrag lassen sie vorschriftsgemäß ins Handelsregister eintragen. Damit liegt eine Organschaft vor. Die beiden GmbHs werden steuerlich wie ein Betrieb behandelt. Verluste und Gewinne der beiden Gesellschaften werden miteinander verrechnet und danach versteuert.
  • Beispiel Verlustverrechnung: Die A-GmbH ist Organträger. Sie hat im Jahr 2023 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 600.000 €. Die B-GmbH hat im Jahr 2023 einen Verlust in Höhe von 400.000 € erwirtschaftet. Liegt ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag vor, wird der Verlust der B-GmbH mit dem Gewinn der A-GmbH verrechnet, und die A-GmbH versteuert (nur) noch 200.000 €.

Können die Gesellschaften ihren Gewinnabführungsvertrag kündigen?

Man kann sie nicht zwingen, eine Mindestlaufzeit einzuhalten. Deshalb kann aus diesen wichtigen Gründen gekündigt werden:

  • Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft
  • Spaltung bzw. Verschmelzung der Organgesellschaft
  • Veräußerung der Organgesellschaft
  • Einbringung der Organgesellschaft durch den Organträger

Dabei erlischt die Organschaft nicht rückwirkend, sondern in dem Jahr, in dem der Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund gekündigt wird.

Was heißt „tatsächlich durchgeführt“?

Worauf es dabei im Gewinnabführungsvertrag ankommt, hat der BFH in einem Urteil vom 02.11.2022 (I-R- 37/19) klargestellt.

Worum ging es in dem Streitfall?

Eben um die Frage, ob der bestehende Gewinnabführungsvertrag zwischen zwei GmbHs tatsächlich durchgeführt wurde, und damit im Ergebnis um das Bestehen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. Hier hielt die B-GmbH alle Geschäftsanteile der Klägerin K. Der Gewinnabführungsvertrag bestimmte, dass die Verluste abgeführt werden müssen. Alle übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft waren ebenfalls erfüllt.

Streitpunkt war ein im Jahr 2013 von Klägerin K erwirtschafteter Verlust. Diesen glich die B-GmbH erst im Jahr 2015 aus, was das Finanzamt aber nicht anerkannte. Es führte als Grund zutreffend an, dass der Anspruch auf Verlustausgleich bilanziell nicht erfasst war. Es gab lediglich einen internen Hinweis des Steuerberaters, dass ein Verlustausgleich erfolgen müsse.

Wie haben die Vorinstanzen sich zu der Sache gestellt?

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich der geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG als unzulässig ab. Im Übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen. Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sei für sämtliche Streitjahre nicht anzuerkennen, da der Gewinnabführungsvertrag oder Ergebnisabführungsvertrag (EAV) jedenfalls für das Jahr 2013 und damit innerhalb der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren nicht tatsächlich durchgeführt worden sei (§ 17 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 KStG). Die tatsächliche Durchführung eines EAV vollziehe sich in zwei Stufen:

  • Zunächst seien die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten aus dem EAV sowohl bei der Organträgerin als auch bei der Organgesellschaft bilanziell auszuweisen, im Fall eines Verlustausgleichs nach § 277 Abs. 3 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs Verbuchung in der Gewinn- und Verlustrechnung der Organgesellschaft unter dem Posten „Erträge aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags“.
  • Auf der zweiten Stufe folge die Erfüllung. Im Streitfall fehle bereits die Grundvoraussetzung der bilanziellen Erfassung.

Was sagte der BFH dazu?

Er hat die Anerkennungsregeln herausgestellt:

  • Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags erfordert die Verbuchung der entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten in den Jahresabschlüssen.
  • Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer rückwirkenden Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

Was führte der Hof zur Begründung an?

Bereits 1995 hat er die tatsächliche Durchführung des EAV als Voraussetzung dafür genannt, „dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird“ (BFH Urteil vom 05.04.1995, I R 156/93). Dies bedeutet u.a., dass ordnungsgemäß ermittelte Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. „Verrechnung“ versteht der BFH in diesem Zusammenhang als eine einer tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung; die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung sei dagegen nicht ausreichend.

Die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV bezieht sich aber nicht allein auf den tatsächlichen Ausgleich aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die vertragschließenden Gesellschaften müssen ihren Gewinnabführungsvertrag auch leben. Schon vor der tatsächlichen Zahlung oder Verrechnung ist dabei objektiv erkennbar, dass Organträger wie auch Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten erfüllen werden. Folglich sind diese Forderungen und Verbindlichkeiten schon gebucht.

War die Verrechnung erst im Jahr 2015 noch zeitgerecht?

Auf diese Frage ist der BFH nicht eingegangen. Dies war aus seiner Sicht nicht mehr erforderlich, weil die tatsächliche Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags bereits aus den fehlenden Buchungen resultierte. Interne Hinweise sind dafür nicht ausreichend, weil das Gelebtwerden des Gewinnabführungsvertrags objektiv erkennbar sein muss.

Hätte man den Fehler heilen können?

Nein, nach Auffassung des BFH nicht wirksam. Zwar sieht § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Körperschaftsteuergesetz grundsätzlich eine Heilungsmöglichkeit vor, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält. Hier waren aber die Bilanzansätze nicht fehlerhaft, sondern ein Bilanzausweis fehlte grundsätzlich. Somit konnte die Heilungsvorschrift hier nicht greifen.

Was geschieht, wenn der Gewinnabführungsvertrag nicht durchgeführt wird?

Ist dies während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren tatsächlich nicht der Fall, hat dies weitreichende Folgen für die Besteuerung:

  • rückwirkende Nichtanerkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft
  • Die beteiligten Unternehmen können rückwirkend steuerlich nicht mehr als Organschaft behandelt werden.
  • Sie müssen somit getrennt veranlagt werden.
  • Eine Verlustverrechnung ist rückwirkend nicht mehr möglich.
  • Gewinne und Verluste, die während der Zeit der Organschaft entstanden sind, werden neu ermittelt.
  • Bereits vorgenommene Steuererstattungen werden zurückgefordert.

Insgesamt kann der rückwirkende Wegfall der körperschaftsteuerlichen Organschaft zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

Autor*in: Franz Höllriegel