20.06.2023

Neueinstellungen: So halten Sie Ihr Risiko gering

Sie brauchen in Ihrem Betrieb dringend einen Mitarbeiter für einfachere Tätigkeiten. Er soll sie zuverlässig erledigen. Sie haben Zweifel, ob die einzige Bewerberin die Richtige hierfür ist. Die Lösung: Sie stellen sie nur zur Probe ein. Das ist zulässig. Aber nur unter einigen Voraussetzungen.

Neueinstellungen

Was heißt Lösung? Kein Risiko?

Doch, ganz ohne Risiko geht es nicht. Gerade bei der Besetzung von Arbeitsplätzen, die keine besondere Qualifikation erfordern, sind Bewerbungsunterlagen nur begrenzt aussagekräftig. Auch Vorstellungsgespräche geben häufig nur wenig Aufschluss darüber, wie sich ein Stellenbewerber tatsächlich bei der Ausführung seiner künftigen Arbeit anstellt und ob die Chemie mit den zukünftigen Kollegen stimmen wird. Sie können das Risiko jedoch begrenzen.

Wäre die rechtliche Zulässigkeit ein Risiko?

Nicht ganz. Grundsätzlich ist es nach der Rechtsprechung möglich, dass potenzielle Arbeitnehmer für einige Tage zum Kennenlernen in den Betrieb aufgenommen werden können, ohne dass dadurch bereits ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Ein solches „Rechtsverhältnis eigener Art“ oder „Einfühlungsverhältnis“ ist aber nur anerkannt, wenn:

  • die typischen Hauptleistungspflichten eines Arbeitsverhältnisses nicht vereinbart werden,
  • der Stellenbewerber nicht zu einer Arbeitsleistung verpflichtet ist und
  • der Betrieb keine Vergütung schuldet.

Ein solches Vertragsverhältnis nach den Vorgaben der Gerichte ermöglicht daher bestenfalls eine Beurteilung von Soft Skills eines potenziellen Arbeitnehmers, nicht aber seiner Eignung für die zu besetzende Stelle.

Man unterscheidet zwei Arten:

  • Probetage oder Probearbeitstage: sie sollen Ihrem potenziellen neuen Mitarbeiter und Ihnen als Unternehmen Gelegenheit geben, sich vor Abschluss eines Arbeitsvertrages kennenzulernen, um festzustellen, ob eine Zusammenarbeit grundsätzlich denkbar ist. Arbeitsvertragliche Verpflichtungen sollen durch diese Schnuppertage jedoch in der Regel nicht begründet werden. Sie wären aber auch nicht immer die optimale Lösung. Stellt sich nämlich schon nach kurzer Zeit heraus, dass der Mitarbeiter eine Fehlbesetzung war, müssen Sie die Kündigungsfrist einhalten, die mindestens 14 Tage beträgt, wenn nicht ein anwendbarer Tarifvertrag eine kürzere Frist enthält. Bei Frauen tragen Sie als Arbeitgeber darüber hinaus noch das nicht zu unterschätzende Risiko, dass diese schwanger wird oder sogar bei der Einstellung schon war. In diesem Falle wäre eine Kündigung nur mit Zustimmung der Behörde möglich, die diese jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen erteilt, z. B. bei schweren Straftaten zu Ihren Lasten als Arbeitgeber.
  • Einfühlungsverhältnis: es darf höchstens eine Woche dauern und verpflichtet Ihren potenziellen neuen Arbeitnehmer zu keiner Arbeitsleistung und unterwirft ihn auch keinem Weisungsrecht. Aus diesem Grund hat er während der Dauer des Einfühlungsverhältnisses keinen Vergütungsanspruch, auch nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Das Landesarbeitsgericht München hat in einem Urteil vom 09.05.2016 (10 Sa 690/15) ausgeführt, was unter einem Einfühlungsverhältnis zu verstehen ist.

Worum ging es in dem Münchner Fall?

Um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, daran anknüpfend um Zahlungsansprüche sowie um einen Antrag auf schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen und ein Zwischenzeugnis. Geklagt hat der Mitarbeiter einer Firma „C. Bauelemente“, die sich mit Beschaffung und Vertrieb von Bauelementen beschäftigt und Solartechnik auf Besuchen bei Kunden vertreibt, die sie u. a. in einem von ihr betriebenen Call Center akquiriert.

Das Ergebnis dieser Telefonakquise wird bei Erfolg auf einem Formblatt „Bedarfsanalyse“ festgehalten. Darin befinden sich u. a. der Name und die Adresse des potentiellen Kunden sowie ein vereinbarter Besuchstermin. Diese Bedarfsanalysen werden an die Außendienstmitarbeiter weitergereicht, u. a. auch an den klagenden Mitarbeiter. Er hat für die Beklagte ab Juli 2013 solche Kundenbesuche übernommen und der Beklagten vom Ergebnis der Kundenbesuche berichtet. Während des Oktoberfestes im Jahr 2013 hat er die Tätigkeit für die Beklagten unterbrochen, um auf dem Oktoberfest zu bedienen. Diese Unterbrechung war zwischen den Parteien abgesprochen.

Was war sonst vereinbart gewesen?

Mitte Juni mündlich, dass der Kläger ab dem 01.07.2013 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entgelt in Höhe von 2.200 Euro brutto eingestellt werde. Aufgabe des Klägers sei gewesen:

  • Kundenakquise,
  • Kundenbetreuung,
  • Terminverwaltung,
  • Unterstützung des Vertriebs und
  • Archivierung persönlicher Kundendaten.

Der Kläger habe seine Tätigkeit am 01.07.2013 aufgenommen. Er habe seine Tätigkeit von den Büroräumen der Beklagten aus organisiert und durchgeführt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwar nicht abgeschlossen, allerdings sei ihm zugesagt worden, dass ihm ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt werde. Ihm sei auch ein solcher Entwurf übermittelt worden. Er sei deutlich über ein Einfühlungsverhältnis hinausgehend eingesetzt worden. Durch die Vereinbarung eines Schnupperarbeitsverhältnisses sei eine Beweislastumkehr eingetreten.

Wie sah die beklagte Firma die Angelegenheit?

Dass der Kläger für die Firma im Sommer 2013 für eine Dauer von ungefähr sechs bis sieben Wochen auf selbstständiger Basis für ihn gearbeitet habe. Ein Arbeitsvertrag sei zwischen den Parteien nicht abgeschlossen worden. In den ersten beiden Wochen Juli 2013 habe es sich um einen Informationsaufenthalt bei der Beklagten ohne Arbeitsleistung gehandelt. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses sei von der Beklagten ausdrücklich abgelehnt worden.

Die Parteien hätten vereinbart, dass der Kläger den Vertrieb der Beklagten unterstütze, indem er in eigener Regie und bei freier Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit Aufträge über die Lieferung und Montage von Solaranlagen mit potentiellen Auftraggebern vermittelt und möglichst auch Neukunden akquiriere. Der Kläger sei keinen Weisungen oder einem Wettbewerbsverbot unterlegen. Die Tätigkeit des Klägers sei mit einer Erfolgsprovision bezogen auf den Nettowert des jeweils vermittelten Auftrags vergütet worden.

Der Kläger habe sich ab Mitte Juli bei der Beklagten in unregelmäßigen Abständen Termin- und Adressdaten potentieller Kunden geben lassen, die er ohne zeitliche, organisatorische oder inhaltliche Vorgaben der Beklagten mit dem Ziel einer Auftragsvermittlung aufsuchte, wozu er im Übrigen seinen eigenen Pkw genutzt habe. Der Kläger sei in die Arbeitsorganisation der Beklagten in keinster Weise eingebunden gewesen. Ihm seien auch keinerlei Weisungen hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer oder Ort seiner Tätigkeit gemacht worden.

Was sagte das Gericht zum Einfühlungsverhältnis?

Entgegen der Auffassung des Klägers tritt durch das vom Beklagten behauptete Einfühlungsverhältnis Anfang Juli 2013 vorliegend keine Beweislastumkehr ein. Anerkannt sei, dass die Vereinbarung eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ohne Vergütungsanspruch und ohne Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers kraft der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig ist. Dabei ist unter einem Einfühlungsverhältnis ein loses Rechtsverhältnis eigener Art zu verstehen, welches sich von einem Arbeitsverhältnis – insbesondere auch von dem Probearbeitsverhältnis – dadurch unterscheidet, dass der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt, insbesondere keine Arbeitspflicht hat, da er nicht dem Direktions- oder Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers unterliegt, sondern lediglich dem Hausrecht des Betriebsinhabers untersteht.

Zweck eines so genannten Einfühlungsverhältnisses sei es im Allgemeinen, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen. Für den lediglich in besonders gelagerten Fällen anzunehmenden Sonderfall des Einfühlungsverhältnisses trägt regelmäßig derjenige, der sich auf ihn beruft, die Beweislast. Werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Vergütung) schon konkretisiert, obliege es dem Anbietenden, seinen vom Regelfall des Arbeitsvertragsangebots abweichenden Willen des Angebots einer bloßen nicht vergüteten Kennenlernphase unzweideutig auszudrücken sowie ein solches Handeln – und damit die Ausnahme – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Was bedeutet das für Ihre Praxis als Arbeitgeber?

In der Praxis ist es üblich, Stellenaspiranten nicht gleich einen schriftlichen Arbeitsvertrag anzubieten, sondern zunächst unverbindlich probearbeiten zu lassen. Hierbei gehören zwei Punkte beachtet, die erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können:

  • Eine tatsächlicher Arbeitsleistung des Bewerbers kann bereits die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses darstellen, da der Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht schriftlich zu erfolgen braucht. Die Gerichte schauen im Streitfall genau hin, ob es sich bei den Probetagen tatsächlich um ein Einfühlungsverhältnis gehandelt hat oder ob nicht doch bereits ein verdecktes Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurde. Zwar ist nicht der Vertrag, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses für seine rechtliche Einordnung maßgeblich. Da jedoch der Anspruchsteller für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses beweispflichtig ist, ist eine schriftliche Vereinbarung zumindest hilfreich und deshalb in jedem Fall dringend zu empfehlen.
  • Bei Übernahme mit sachgrundloser Befristung des Stellenbewerbers ist diese Befristung unwirksam. Die Tätigkeit heißt hier fälschlicherweise Einfühlungstage, kann aber in Wirklichkeit eine Vorbeschäftigung sein, die die Befristung unwirksam macht.

Mit welchen arbeitsrechtliche Folgen?

Mit erheblichen für Sie als Arbeitgeber. Es ist möglich, dass Ihr Stellenbewerber, den Sie nach Ende der Schnuppertage nicht einstellen, auf Weiterbeschäftigung klagt, weil das Einfühlungsverhältnis bereits ein Arbeitsverhältnis darstellt. Infolge fehlender schriftlicher Vereinbarung wäre dieses Arbeitsverhältnis unbefristet und enthielte auch keine Probezeit, die es ermöglichen würde, mit 14-tägiger Kündigungsfrist zu kündigen. Ihnen als Arbeitgeber bleibe dann nur, das Arbeitsverhältnis ordentlich mit der Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zu kündigen, sofern eine Kündigung nicht – man denke beispielsweise an eine Schwangerschaft – unzulässig ist.

Was wäre der Weg aus dieser Bredouille?

Der rechtlich sicherste, die Eignung eines Mitarbeiters zu erproben, wäre von vornherein eine befristete Einstellung. Diese kann bei einer Neueinstellung sogar ohne sachlichen Grund bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren erfolgen. Innerhalb dieses Zeitraumes ist die dreimalige Verlängerung des Vertrages zulässig. Sie können deshalb zunächst nur eine kurze Zeitspanne, von beispielsweise vier Wochen, als Testphase wählen, die Sie bei Zufriedenheit ausdehnen könnten.

Autor*in: Franz Höllriegel