14.12.2023

Erste Tätigkeitsstätte – der Arbeitgeber kann frei entscheiden

Tatütata, die Feuerwehr ist da. Doch wo eigentlich ist sie? Am Einsatzort, wo es brennt – oder im Feuerwehrhaus? Gibt es in Ihrem Unternehmen mehrere Tätigkeitsstätten, hängt davon die Entfernungspauschale und die Absetzbarkeit des Fahrwegs ab. Der BFH hat dazu Regeln aufgestellt.

Erste Tätigkeitsstätte

Welche Rolle spielt die Wahl der ersten Tätigkeitsstätte?

Arbeitnehmer – ganz gleich, ob GmbH-Geschäftsführer oder Teilzeitkräfte – können die Fahrtkosten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte steuerlich als Werbungskosten geltend machen. Für den Fahrtweg gilt die Entfernungspauschale von aktuell:

  • 30 Eurocent für die ersten 20 km
  • 38 Eurocent ab dem 21. km.

Absetzbar ist jedoch nur ein Weg. Fallen dagegen Fahrtkosten zu einer anderen Arbeitsstätte an, dürfen Ihre Mitarbeiter beide Wegstrecken mit jeweils 30 Eurocent steuermindernd absetzen. Dazu hat der Bundesfinanzhof ein wichtiges Urteil gefällt (BFH, Urteil vom 26.10.2022, veröffentlicht am 23.02.2023, Az.: VI R 48/20). Er stellt fest, dass etliche Arbeitnehmer innerhalb ihres Dienstverhältnisses wechselnde Tätigkeitsstätten aufsuchen müssen. Dann kann der Arbeitgeber frei festlegen, bei welchem Arbeitsplatz es sich um die erste Tätigkeitsstätte handelt. Das muss keineswegs der am häufigsten aufgesuchte Arbeitsplatz sein

Worum ging es in der Entscheidung im Einzelnen?

Um einen angestellten Feuerwehrmann. Laut seinem Arbeitsvertrag durfte sein Arbeitgeber, eine Kommune A, ihn an vier verschiedenen Einsatzorten einsetzen, darunter Feuerwache B. In seiner Einkommensteuererklärung machte er Werbungskosten von 1.008 Euro aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Gemäß den geltenden Grundsätzen für Reisekosten setzte er dabei jeden Fahrtweg mit 30 Cent je Kilometer an. Das Finanzamt strich einen Fahrtweg und gewährte lediglich die Entfernungspauschale von 504 Euro. Der Feuerwehrmann klagte hiergegen.

Wie sah das Finanzgericht (FG) die Sache?

Es gab der Klage des Feuerwehrmannes statt. Daraufhin beantragte das Finanzamt die Revision beim BFH. Das FG ist diesem zufolge zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Feuerwache B um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Klägers handelt. Das ist aber zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Der BFH sah die Revision als begründet an und die FG-Entscheidung aufhob und zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwies. Nach Ansicht des BFH tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch nicht seine Schlussfolgerung, dass der Kläger der Feuerwache B nicht dauerhaft zugeordnet worden ist.

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Was soll das FG klären?

Es soll klären:

  • Ob und wo in derartigen Fällen eine erste Tätigkeitsstätte vorhanden ist. Das sei grundsätzlich Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung durch den Hof beschränke sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung:
    • von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist,
    • alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und
    • dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.

Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, liege ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, den als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge das Revisionsgericht beanstanden könne.

  • Ob der Feuerwehrmann nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet war, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten. Das FG hatte eine dauerhafte Zuordnung des Klägers zur Feuerwache B allein mit dieser Begründung verneint und sich dabei auf Ziffer 6 des Arbeitsvertrags gestützt. Darin wird als Beschäftigungsdienststelle bzw. -ort allgemein auf die verschiedenen Standorte hingewiesen, an denen der Kläger eingesetzt werden kann. Aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Regelung habe das FG gemeint, der Feuerwehrmann sei zum Dienst an verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitsgebers verpflichtet gewesen. Ob der Arbeitgeber den Kläger einer dieser betrieblichen Einrichtungen tatsächlich zugeordnet hat, kann der BFH dieser Bestimmung hingegen nicht entnehmen. Sie rechtfertige auch nicht den vom FG gezogenen Umkehr-Schluss, der Feuerwehrmann sei keiner dieser betrieblichen Einrichtungen zugeordnet worden. Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, stehe seiner Zuordnung zu einer dieser betrieblichen Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.
  • Sind in manchen Berufen Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten zu berücksichtigen?

Was besagen die vom Feuerwehrmann vorgelegten Dienstpläne?

Allenfalls indiziell reichen sie für die Annahme einer dauerhaften Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers. Ebenso wenig könne im vorliegenden Streitfall ohne Weiteres auf die Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen werden, wonach es regelmäßig der Lebenswirklichkeit entspricht, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.

Dem BFH sei eine solche Würdigung ohne weitere Feststellungen nicht möglich, da der Feuerwehrmann substantiiert unter Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag vorgetragen hat, dass es an einer entsprechenden, jedenfalls dauerhaften Zuordnung zur Feuerwache B ebenso wie zu einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers fehle, er vielmehr ohne konkrete Festlegung von vornherein an sämtlichen Standorten eingesetzt werden sollte.

Ob dieser Vortrag zutrifft oder doch von vornherein eine Zuordnung an die Feuerwache B vorlag oder eine zunächst fehlende dauerhafte Zuordnung in späteren Jahren, insbesondere im Hinblick auf das Streitjahr durch eine solche ersetzt worden ist, soll das FG insbesondere durch Zeugeneinvernahme feststellen. Der im Arbeitsvertrag enthaltene Vermerk, in dem es heißt, „Änderungen … der persönlichen Beschäftigungsbedingungen (können) von der Beschäftigungsdienststelle durch schriftliche Benachrichtigung festgelegt werden“, könnte nach Ansicht des BFH dafür sprechen, dass der Feuerwehrmann von seinem Arbeitgeber zunächst einem der darin genannten Standorte zugeordnet worden sei. Ob eine solche Zuordnung allerdings auch dauerhaft oder nur für eine bestimmte, unter 48 Monaten liegende Zeit erfolgen sollte, sei dem Vermerk nicht zu entnehmen und bedürfe ebenfalls weiterer Feststellungen.

Welches Fazit zieht der BFH aus der Sache soweit?

Auch wenn hierzu noch kein abschließendes Urteil ergangen ist, stellt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung allgemeingültige Regelungen auf:

  • Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), gilt für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Pauschale von aktuell 30 Eurocent für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.
  • Erste Tätigkeitsstätte ist danach die ortsfeste betriebliche Einrichtung von Ihnen
    • als Arbeitgeber,
    • als verbundenes Unternehmen nach § 15 Aktiengesetz oder
    • eines von Ihnen als Arbeitgeber bestimmten Dritten, der Ihr Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind laut BFH räumlich zusammengefasste Sachmittel für Ihre Tätigkeit als solche. Sie sind mit dem Erdboden verbunden oder überwiegend dazu bestimmt.

  • Die Zuordnung zu einer Einrichtung bestimmen Sie als Arbeitgeber durch.
    • dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen,
    • Absprachen und
    • Weisungen.

Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht. Ihre arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung als Arbeitgeber brauchen Sie für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht zu dokumentieren. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle finanzrechtlich zugelassenen Beweismittel durch das FG nach umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls möglich.

  • Es entspreche regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass ein Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.
  • Haben Sie als Arbeitgeber einen Mitarbeiter einer bestimmten Tätigkeitsstätte zugeordnet, spielt der qualitative Schwerpunkt seiner Arbeit keine Rolle mehr.
  • Es reicht dann aus, dass der Arbeitnehmer an der festgelegten ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang arbeitsvertraglich festgelegte Tätigkeiten erbringt.
  • Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn Sie als Arbeitgeber Ihren Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte einsetzen wollen. Eine Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte ist unbefristet, wenn ihre Dauer aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.

Wie stellt sich die Situation für andere Anwendungsszenarien dar?

  • Handel: Mitarbeiterin Ulrike Clever wohnt in Dortmund und ist bei einer Einzelhandelskette beschäftigt. Ihr Arbeitgeber hat die Filiale in Dortmund als erste Tätigkeitsstätte im Arbeitsvertrag ausgewiesen. Je nach Bedarf hilft die Mitarbeiterin in anderen Filialen im gesamten Ruhrgebiet aus. Dann kann die Mitarbeiterin für ihre Arbeitstage in der Filiale Dortmund die Entfernungspauschale ansetzen: ein Weg. Für alle anderen anfallenden Fahrten kann sie dagegen Hin- und Rückweg mit jeweils 0,30 Euro je Kilometer steuerlich absetzen.
  • Handwerk: Ein Installationsbetrieb unterhält in seiner Region drei Standorte. Für Mitarbeiter Frank Schlau befindet sich seine erste Tätigkeitsstätte laut Weisung des Arbeitgebers am Standort A. Aufgrund der tatsächlichen Arbeitsauslastung wird der Arbeitnehmer für acht Monate an den weiter entfernt liegenden Standorten B und C eingesetzt. Dann erhält der Arbeitnehmer für die vier Arbeitsmonate am Standort A die Entfernungspauschale. Alle Fahrten zu den beiden anderen Standorten darf er mit beiden Wegstrecken ansetzen. Dass er dort während des gesamten Jahres acht Monate und damit zeitlich überwiegend tätig war, ist unerheblich.

Frau Clever und Herr Schlau können bei ihren Einsätzen abseits der ersten Tätigkeitsstätte einen weiteren Vorteil ausschöpfen. Für Tage, an denen sie länger als acht Stunden von ihrer Wohnung abwesend sind, kann die Verpflegungspauschale von 14 Euro pro Tag als Werbungskosten angesetzt werden. Halten Sie die entsprechenden Arbeitstage nach, um diese auf Anfrage belegen zu können – ein einfacher Kalender genügt.

Autor*in: Franz Höllriegel