E-Mail-Einsicht durch das Finanzamt – was erlaubt ist und wo die Grenzen liegen
Ob Außen-, Lohnsteuer- oder Umsatzsteuerprüfung – immer häufiger verlangt das Finanzamt Zugriff auf elektronische Unterlagen. Neben klassischen Buchführungsdaten geraten dabei auch E-Mails ins Visier der Prüfer. Doch dürfen Behörden einfach auf den gesamten Mailverkehr zugreifen? Die Antwort lautet: Nur eingeschränkt. Das hat das Finanzgericht Hamburg in einem Urteil vom 23.03.2023 (Az. 2 K 172/19) klargestellt.
Zuletzt aktualisiert am: 5. September 2025

Aufbewahrungspflicht nach § 147 AO – auch für E-Mails
Nach § 147 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sind Unternehmen verpflichtet, bestimmte Unterlagen sechs oder zehn Jahre aufzubewahren – darunter Buchungsbelege, Rechnungen und Handelsbriefe. Letztere müssen nicht zwingend auf Papier vorliegen: Auch E-Mails gelten als Handelsbriefe, wenn sie die Vorbereitung, den Abschluss oder die Abwicklung eines Geschäfts betreffen.
Solche Mails sind aufbewahrungspflichtig – und damit auch prüfbar. Enthält die E-Mail hingegen nur unverbindliche Anfragen, Small Talk oder interne Terminabsprachen, entfällt die Pflicht zur Vorlage.
Grenzen der Prüfungsbefugnis
Im Streitfall wollte das Finanzamt nicht nur einzelne E-Mails, sondern ein vollständiges elektronisches Gesamtjournal mit allen gesendeten und empfangenen E-Mails der GmbH einsehen. Dafür forderte es neun konkrete Angaben pro E-Mail (u. a. Datum, Betreff, Mailadresse, Dateianhänge). Die GmbH wehrte sich dagegen – mit Erfolg.
Das Gericht entschied:
⇑ Ja zur Einsicht in einzelne, aufbewahrungspflichtige E-Mails
⇓ Nein zur pauschalen Herausgabe eines Gesamtjournals
Denn eine allgemeine Einsicht in alle gespeicherten E-Mails überschreitet das gesetzlich erlaubte Maß. Die Pflicht zur Vorlage endet bei freiwillig gespeicherten Daten – selbst wenn sie geschäftlichen Inhalt haben.
Was das Urteil für Unternehmen bedeutet
Für die Praxis heißt das: Das Finanzamt darf Einsicht in gezielt aufbewahrungspflichtige E-Mails nehmen, aber keinen vollständigen Datenabzug fordern. Unternehmen sollten daher ihre E-Mail-Kommunikation besser strukturieren:
- Pflichtmails (z. B. Auftragsbestätigungen, Zahlungszusagen, Vertragsabschlüsse) archivieren
- Sonstige E-Mails intern kennzeichnen oder getrennt speichern
- Zugriffsrechte dokumentieren, wer wann Zugriff hatte und welche Daten übergeben wurden
Tipp: Vermeiden Sie Sammelarchive ohne Filterfunktion – sie machen selektive Prüfung unmöglich und erhöhen das Risiko, zu viele Daten offenzulegen.
Konsequenzen für Ihre IT-Organisation
Neben der steuerlichen Komponente betrifft das Urteil auch den Datenschutz und die Organisation Ihrer IT. Denn mit jeder Mail, die dem Finanzamt freiwillig oder irrtümlich zur Verfügung gestellt wird, geben Sie unter Umständen interne Prozesse, Lieferantenbeziehungen oder Konditionen preis.
Darum gilt: Prüfen Sie regelmäßig die Archivierungs- und Zugriffspolitik Ihrer E-Mail-Systeme. Sichern Sie aufbewahrungspflichtige E-Mails revisionssicher – aber gewähren Sie keine unnötige Transparenz über interne Kommunikation.
Fazit: E-Mail-Zugriff ist möglich – aber nicht grenzenlos
Das Finanzamt darf gezielt auf geschäftsrelevante, aufbewahrungspflichtige E-Mails zugreifen. Eine pauschale Offenlegung ganzer Mailarchive geht jedoch zu weit. Unternehmen sollten ihr E-Mail-Archiv konsequent strukturieren – und dabei steuerliche sowie datenschutzrechtliche Aspekte im Blick behalten.